Gefühlt jeden Tag, aber eigentlich immer nur dann, wenn ich mit der Bahn von Bielefeld nach Detmold fuhr, kam ich in Detmold in Bahnhofsnähe an einer Videothek vorbei. Das ist Vergangenheit. Gone with the Wind. Der Laden ist geräumt, die DVDs, Blu-rays und Spiele sind verscherbelt, das Mobiliar ebenso oder entsorgt, im Schaufenster die letzten Deko-Reste – ein Kinderplanschbecken und einige Videocover in Buchform. Ich war nie drin, war kein Kunde, auch nicht an Regentagen, aber der Anblick der aus dem Schaufenster grüßenden menschengroßen Werbefiguren war vertraut. Zuweilen waren es Pappmonster oder Mutanten, Dinosaurier – Jurassic Park lässt grüßen, Disney-Figuren wie Susi und Strolch oder Asterix und Obelix. Am ausdauerndsten und immer standfest Lara Croft in Lebensgröße.
Auch sie sind entschwunden. Wie vor langem die Videokassette, der wir – stundenlanges, lästiges Spulen – überhaupt nicht nachtrauern. Und jetzt auch die DVD und die Blu-ray. Vermutlich schließt jeden Tag in der Bundesrepublik eine Videothek, weil sich das Geschäft nicht mehr lohnt, weil sich andere Anbieter und Distributionsmedien durchgesetzt haben oder„Holen” und „Bringen” nicht jedermanns Sache ist.
Und was kommt jetzt in das triste Ladenlokal? Handyshops und Laufläden stehen hoch im Kurs; langsam dürfte aber auch hier eine Marktsättigung erreicht sein. Die 1€-Läden haben sich dankenswerterweise selbst zu Tode konkurriert. Ein Plattenladen mit Vinyl-Platten in Krabbelkisten, früher magische Orte in 2B-Lagen und nur Eingeweihten bekannt, an denen Erleuchtete uns ihr Vertrauen schenkten und neue LPs von Joy Division oder Tuxedomoon oder Fehlfarben anspielten – , wird es wohl kaum werden. Schade! Das wäre immerhin ein prima Anlass stehen zu bleiben und einzutreten!
Hoffentlich zieht eine Änderungsschneiderei ein, die von einer kinderreichen zugewanderten Familie betrieben wird. Ich bin mir sicher, da käme Leben in den Laden. Es wären zudem die besten Voraussetzungen, der Schneiderei ein Pokémon-Center anzuschließen. Endlich könnte ich dann dort alle abgespielten, lädierten und in den Nähten ramponierten und aufgeplatzten Pokémon zur Reparatur abgeben. Die Expertise zum Umgang mit Pikachu, Turtok, Pummeluff, Togepi, Taubsi und Co. vorausgesetzt. Und ein Schild im Fenster Hier Pokémon Reparaturannahme – so wie früher Hier Annahme von Bügel- und Mangelwäsche – müsste unbedingt her.
Das mit den Pokémon wäre eine wunderbare Begegnung von virtueller und realer Welt und ich fühlte mich getröstet über den unvermeidlichen Lauf der Dinge, wenn alles stürzt.
hp