Mittendrin Mittwoch #18

Elizzy von read books and fall in love hat sich für alle, die teilnehmen mögen, folgende Blogaktion ausgedacht: der „Mittendrin Mittwoch“. Er besteht aus immer neuen Zeilen aus Büchern, in denen wir aktuell wortwörtlich mittendrin stecken.

„Sie war ganz offensichtlich ironisch“, meinte sie.
„Stimmt.“
„Und du bist es auch.“
„Vermutlich.“
„Die ganze Angelegenheit ist ironisch.“
„Einschließlich der Ironien.“
„Vielleicht heben sie dann einander auf“, sagte Leora, „wie eine doppelte Verneinung.“

(Vladislavic, Ivan : Double Negative. – S. 215f)

Nur noch wenige Seiten bis zum Ende des Romans und ich bin genau bei der Stelle, die den Titel aufgreift und die auch bereits im Vorwort von Teju Cole zitiert wurde. Der Verlag hat offenbar den Titel im englischen Original gelassen, weil so neben der doppelten Verneinung auch der Begriff „Doppelbelichtung“ aus der Fotografie mitschwingt. Die beiden Hauptfiguren sind Fotografen, der Ich-Erzähler setzt seine Erinnerungen immer wieder in Bezug zu Fotografien  und er stellt mal seine inneren Erinnerungsbilder, mal die Wahrhaftigkeit der Fotos in Frage. Aber Doppelbelichtung könnte auch für die Struktur des Romanes gelten: ein Mann erinnert sich (mit fast fotografischem Gedächtnis) an sein jüngeres Selbst und an einen besonderen Tag, den er mit einem berühmten Fotografen verbringen sollte (auf Anregung des Vaters), ein Tag, der den Ich-Erzähler mehr prägte, als er sich eingestehen will. Nach mehreren Jahren im Exil kehrt er zurück. Er recherchiert diesem Tag, den damals gemachten Portraitfotos, dem berühmten Künstler-Vorbild, vor allem aber seinem eigenen Selbst, seinen Erinnerungen, seinen inneren Kämpfen nach, indem er wieder und wieder die Fotos betrachtet, die Orte besucht, den Tag heraufbeschwört. Das Land hat sich verändert, er hat sich verändert – verändern sich damit nicht auch die Erinnerungen, die Perspektiven?

Double Negative von Ivan Vladislavic, ein Roman über Südafrika vor und nach der Revolution

Double Negative ist nicht nur ein Buch über das Erinnern irgendeines (fiktiven) Mannes. Auf ganz subtile Art ist es ein politischer Roman. Ivan Vladislavic, geboren 1957 in Pretoria, zeigt uns mit den Augen des jungen Mannes das Apartheid-Südafrika, den Polizeistaat, die Hilflosigkeit des Andersdenkenden. Und mit dem reiferen Erzähler lässt er uns das neue Südafrika der Post-Apartheid erkunden.

Bild-reich ist auch die Sprache des Autors, „funkelnd und feinkörnig“ nennt sie Teju Cole im Vorwort treffend. Und die Metaphern verlieren auch nicht in ihrer Übersetzung (von Thomas Brückner). Nicht der Plot, auch nicht die Bilder über die sozialen und politischen Missstände des Landes sind spektakulär, sondern diese Sprache. Ich bin auf den Autor durch Litprom e. V. aufmerksam geworden. Ein Glücksfall.

Eine ausführliche Rezension von Claudia Kramatschek findet man bei DLF Deutschlandfunk Kultur

Vladislavic, Ivan : Double Negative / aus dem Englischen von Thomas Brückner. – München : A1-Verlag, 2015. – 252 S.
Standort in der Stadtbibliothek Bielefeld: Romane Vlad

hilda

Ein Gedanke zu “Mittendrin Mittwoch #18

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s