Lebenslanges Lernen mit Athene

Griechische Sagen und Sekundärliteratur dazu, wunderbares Bildmaterial und viele interessante Bezüge bis hin zur modernen Lebenswelt

Ein kleiner Seniorenkreis, Kaffee und Kuchen und dann irgendwas mit Literatur oder so, nur ein kleiner Vortrag, das Thema durfte ich selbst wählen. Ja, Sagen und Märchen gehen immer. Warum also nicht Sagen aus der griechischen Mythologie? Das muss man natürlich noch etwas einschränken, vielleicht auf eine Heldengestalt? Ein Epos?

Einbändige Werkausgabe Hesiod

Hesiod schrieb u.a. eine Theogonie

Ich entschied mich für eine Göttin: einfach ein paar Sagen rund um Athene nacherzählen. Da war schnell einiges gefunden, sogar zu viel; es gibt unterschiedliche Versionen und einzelne Geschichten widersprechen sich sogar. Hesiod verfasste die berühmteste Theogonie (Lehre über die Abstammung und Verwandtschaft von Göttern und Heroen), in den Epen des Homer wurde Athene natürlich auch mehrfach erwähnt; doch welche anderen Dichter sollte ich noch heranziehen?

Zeus nahm Metis als seine Geliebte. Doch Gaia und Uranos orakelten,
die Tochter der Metis, sollte sie geboren werden, wäre dem Göttervater
an Weisheit gleich, der Sohn würde ihn sogar vom Thron stoßen,
so wie Zeus ja auch seinen Vater einst entmachtet hatte. Da
verschlang Zeus die schwangere Metis. Doch er bekam
fürchterliche Kopfschmerzen und bat Hephaistos, den Gott der Schmiedekunst,
ihm den Kopf zu spalten. Klingt nach einem drastischen Schmerzmittel,
aber als Unsterblicher hatte Zeus nichts zu fürchten.
Hephaistos nahm also seinen gewaltigen Hammer und spaltete
den Kopf des Zeus. Da sprang, in voller Rüstung und mit
erhobenem Wurfspeer, die Göttin Athene heraus. Und weil
sie aus dem Kopf des Zeus geboren wurde, war sie
ihm an Weisheit gleich, genau so wie es geweissagt worden war.

„Sagen des klassischen Altertums“ von Gustav Schwab

Meine erste Geschichtslehrerin konnte wunderbar erzählen; in meiner Erinnerung bestand ihr Unterricht hauptsächlich darin, uns die Sagen des klassischen Altertums zu erzählen. Auch wenn meine Erinnerung da sicher übertreibt, ich habe ihre Geschichten geliebt. So hat sie mein Interesse an der Geschichte des Altertums nachhaltiger geprägt als andere Lehrer oder irgendein Schulbuch es je konnten. Sie nahm ich mir zum Vorbild für den Vortrag. Und natürlich den Klassiker unter den Prosa-Nacherzählungen der Sagen des Altertums: Gustav Schwab.

Athene wurde zusammen mit Pallas, der Tochter des Meeresgottes Triton,
erzogen, sie waren beste Freundinnen. Bei einem ungestümen
Trainingskampf bekam Zeus Angst um seine Lieblingstochter.
Zu ihrem Schutz hielt er sein Schild zwischen die Kämpferinnen.
Doch Pallas erschrak darüber so sehr, dass sie den Schwerthieb der Athene
nicht sah und nicht parierte. Pallas wurde tödlich getroffen und starb
in den Armen der untröstlichen Freundin. Zum Gedenken schuf Athene
ein Standbild, das Palladion, und übergab es Zeus, der es später,mit
dem Einverständnis seiner Tochter, anlässlich der Gründung der Stadt
Illion/Troja
vom Himmel fallen ließ und den
Trojanern als Schutzbild schenkte.

Athene nannte sich fortan Pallas Athene. So machte sie zumindest
den Namen ihrer Freundin unsterblich.

Einige Bücher zur antiken Mythologie aus der Stadtbibliothek

 

So liest man sich durch diverse Bücher über die Welt der alten Griechen, folgt den vielen  Registereintragungen, klickt sich durch die Wikipedia-Verweise; erst wird die Stichwortliste, dann die Literaturliste immer länger. Doch der Termin rückt näher und näher. Und es soll doch auch nur ein kleiner Vortrag werden.

 

 


Poseidon und Athene wetteiferten um die Schutzherrschaft über eine

neu erbaute Stadt in Attika. Der Stadtgründer und König Kekrops sollte
wählen: Der Gott, der den Menschen das bessere Geschenk macht,
sollte ihre Schutzgottheit werden.

Poseidon schlug mit seinem Dreizack gegen den Berg, den wir heute
als Akropolis kennen, und eine Quelle sprudelte hervor. Leider nur mit Salzwasser.
Athene pflanzte einen Olivenbaum. Kekrops entschied, dass
das Holz, die Früchte und das daraus gewonnene Öl
das viel wertvollere Göttergeschenk sei.
So wurde Athene die hochverehrte Schutzgöttin der neuen Stadt,
die auch ihren Namen erhielt: Athen.

„Götterwelten“ von Holger Sonnabend — „Götter und Helden der Griechen“ von Apollodoros, übersetzt von Kai Brodersen — „Homerische Hymnen“ übersetzt von Ludwig Bernays

Nur wenige Tage vor dem geplanten Vortrag erhielt ich drei neue Bücher. Doch so faszinierend sie auch waren und so spannend die Lektüre darin – für meine Zwecke erbrachten sie wenig. Aus den „Homerischen Hymnen“ übernahm ich immerhin zwei kurze Zitate. Der Apollodoros kostete mich einen ganzen Tag ohne verwertbares Ergebnis. Das Sachbuch von Holger Sonnabend „Götterwelten : Die Religionen der Antike“ bot ein gut zusammengefasstes Kapitel zur Religion der Griechen, interessantes Hintergrundwissen zu meinem Thema, aber keine einzige Sage. So blieb es bei den ursprünglich herausgesuchten Geschichten.

Den Trojanern war gesagt worden, solange sie im Besitz des Palladion seien,
könne niemand ihre Stadt erobern. Nun war Athene, die einst
dieses Schutzbild angefertigt hatte, beim Trojanischen Krieg aber
auf Seiten der Griechen. Sie gab ihrem Schützling Odysseus den Hinweis,
dass er das Palladion stehlen solle. Der listenreiche Held gelangte verkleidet
und mit Hilfe der Göttin in die belagerte Stadt und zum Heiligtum.
Er stahl das Bild und brachte es ins griechische Lager.

Meine Zuhörerinnen applaudierten am Ende höflich. So weit, so gut. Im anschließenden Gespräch hatten sie Fragen und wollten mehr über die zeitliche Einordnung wissen, über den Einfluss der Mythologie auf Dichtung und Philosophie der Griechen. Wir unterhielten uns über die Wechselwirkung mit anderen Kulturen und natürlich über die Übernahme der griechischen Götterwelt in die römische Religion (aus Athene wurde Minerva). Und wir diskutierten kurz über die Konkurrenz der vielen Götter mit der nach der Zeitenwende aufkommenden christlichen Religion. Wie gut, dass ich mich bei meinen Vorbereitungen in der Lektüre verzettelt hatte und jetzt mitreden konnte.

An Athene
Pallas Athene, die Stadtbeschützerin, will ich besingen,

diese Gewaltige, die sich mit Ares um Werke des Krieges
kümmert, um Städteeroberung, Schlachtruf und Kampfesgetümmel,
und unser Kriegsvolk beschützt beim Auszug wie bei der Heimkehr:
sei mir, Göttin, gegrüßt und schenke mir Glück und Gedeihen.
(Homerische Hymnen / übersetzt von Ludwig Bernays. – Darmstadt : WBG, 2017. S. 123f)

Das lehrte mich an diesem Nachmittag die Seniorengruppe: Man ist nie zu alt zum Lernen!
Oder wie es die Vulkanier (keine Götter, aber auch eine Spezies mit übermenschlichen Fähigkeiten) sagen:

Live long and prosper. 🖖

HilDa

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