BEVOR DU EIN HÜHNERGEHEGE BAUST, INFORMIERE DICH ÜBER HÜHNER UND ÜBER FÜCHSE GLEICHERMASSEN. Kenne die Triebe vom Huhn und die Geschichten vom Fuchs.
(Seite 192 aus : Stanisic, Sasa : Vor dem Fest. – München : Luchterhand, 2014. )

Auf dem Lesesofa: „Vor dem Fest“ von Sasa Stanisic
Sasa Stanisic war 2016 Gast bei unseren Literaturtagen und las aus seinen Erzählungen „Fallensteller“, eine wunderbare Veranstaltung mit dem sympathischen Autoren. Seitdem steht auch sein viel gelobter Roman „Vor dem Fest“ auf meiner Leseliste. Aber die ist lang. Vor einigen Tagen fiel mir das Buch jedoch sozusagen vor die Füße. Ich fand ein Exemplar in einer Papiertonne, fast wie neu, nur am Umschlag etwas angedötscht (und im Text habe ich bisher eine leichte Anstreichung mit Bleistift gefunden). Ich habe nur kurz gezögert; jetzt ist es meins. Und für den Urlaub die ideale Lektüre.
Also auf in die Uckermark, der (fiktive) Ort heißt Fürstenfelde und liegt an zwei tiefen Seen. Es gibt einen Fährmann, doch der ist leider vor kurzem gestorben. Außerdem: ein Heimatmuseum, genannt „Haus der Heimat“, eine Kirche mit drei Glocken, eine Garage mit Ausschank. Und das Annafest. Es ist die Nacht vor dem Annafest.
Natürlich sind da auch die Menschen, die im Ort leben: der alte Glöckner, der so viele Jahrzehnte unbeirrt seinen Dienst tat; sein junger „Lehrling“, der unmittelbar vor der Prüfung steht; die Archivarin, die mit ihren Depressionen kämpft; die Dorfmalerin, die Dorfjugend, der ehemalige Offizier, die asthmatische Joggerin, … . In der Nacht sind sie alle unterwegs – und es sind nicht die Vorbereitungen zum Fest, die sie wach halten.
Auch die Vergangenheit wird wieder lebendig: alte Schauermärchen, regionale Sagen und historische Akteneinträge. Das Annafest hatte zu allen Zeiten seine Bedeutung. Und zu allen Zeiten gibt es einen Fuchs, der die Menschen fürchten muss und der doch still und möglichst unsichtbar ihre Nähe sucht, ihr merkwürdiges Treiben beobachtet, mit seinen feinen Sinnen mehr erkennt als die Menschen selbst.
Ich kann mich dem Sog dieser vielen, ineinander verwobenen Geschichten kaum entziehen. Sasa Stanisic findet für seine unterschiedlichen Figuren (und Zeiten) auch jeweils eine eigene Sprache. Das wirkt nicht nur authentisch, gerade diese abwechslungsreiche, vielstimmige Sprachkunst fasziniert mich.
Den Roman empfehle ich gerne weiter. Das Hörbuch hat der Autor übrigens selbst gelesen. Außerdem gibt es ein Hörspiel, bei der Vielstimmigkeit der Vorlage vielleicht auch interessant. Die Katalogdaten findet Ihr hier.
HilDa
Elizzy von read books and fall in love hat sich die Blogaktion ausgedacht. Der „Mittendrin Mittwoch“ besteht aus immer neuen Zeilen aus Büchern, in denen wir aktuell wortwörtlich mittendrin stecken.