Ich bin keine Detektivin. Bloß weil es einen Mord gab, muss er noch lange nicht aufgeklärt werden. Es ist zwanzig Jahre her! Ich schreib an einer Biografie, nicht an einem scheiß Thriller. (Seite 258)
Aber es ist ein Thriller. Und Liza Cody versteht es, diesem Genre eine ganz eigene Note zu geben.
Ok, diese Metapher konnte ich mir jetzt nicht verkneifen, geht es doch in diesem Buch um eine geniale Musikerin und die (selbst-)zerstörerische Musikszene.
Die kleine, unscheinbare Elly ist ein Phänomen. Nein, sie war es:
(…) Elly Astoria, berühmt für ihren kurzen kometenhaften Aufstieg und noch berühmter für die abartigen Umstände ihres Todes. (Seite 19)

„Ballade einer vergessenen Toten“ von Liza Cody
Damit ist gleich zu Beginn klar, wie kurz und tragisch das Leben der armen kleinen Elly war. Jahrzehnte später entschließt sich die vom Leben enttäuschte Schriftstellerin Amy spontan, eine Biografie über Elly zu schreiben.
Das sieht trotz der Andeutungen vorerst gar nicht nach einem Krimi aus. Die Kapitel des Romans liefern Puzzleteile aus unterschiedlichen Perspektiven zu Ellys Leben und Amys Recherchen: Rückblicke, Interviews, Notizen, Briefe und E-Mails. Mal begleiten wir Amy bei ihrer Suche, lesen ihre Aufzeichnungen und Entwürfe, mal erzählt ein Zeitzeuge, mal ein auktorialer Erzähler. Die Puzzleteile passen nicht so ganz zusammen, denn jeder Beteiligte hat nicht nur seine eigene Sicht und Interessen – eigentlich reden alle mehr über sich selbst.
Und Elly verschwindet wie immer irgendwo im Hintergrund. Ihre Entdecker haben Ellys Talent erkannt und gefördert, aber das leichtgläubige Mädchen ausgenutzt und dann im Stich gelassen; Ellys Songs sind berühmt und haben vielen Künstlern zu Hits verholfen, doch ihre zwielichtigen Berater und Manager haben nur sich selbst die Taschen gefüllt. Die ungebildete Elly war offensichtlich ein leichtes Opfer. Aber wer hat sie so brutal ermordet? Erst jetzt in der zweiten Hälfte des Buches rückt diese Frage in den Vordergrund – ob Amy, die Biografin, das nun will oder nicht.
Einen Roman von Liza Cody wollte ich schon lange lesen, sie wird für ihre Milieuschilderung, ihre Charaktere und Sprache von Krimirezensenten geradezu gefeiert. Darum habe ich in der Buchhandlung nicht gezögert, als ich dieses neue Buch von ihr fand. „Ballade einer vergessenen Toten“ spielt geschickt mit den unterschiedlichen Blickwinkeln auf das kurze, tragische Leben der (fiktiven) Elly Astoria – und gibt so nebenbei einen verstörenden Einblick in das Musikgeschäft. Liza Cody kennt sich übrigens in der Szene bestens aus und lässt auch große (reale) Namen einfließen.
Das ist großartig geschrieben, kommt bisher so gar nicht wie ein klassischer Thriller daher und ist doch ungemein spannend. Darum schreibe ich jetzt auch nicht weiter, ich möchte ja viel lieber weiterlesen.
Cody, Liza : Ballade einer vergessenen Toten / Deutsch von Martin Grundmann. – Hamburg : Argument-Verlag, 2019. – 411 Seiten. – (Ariadne ; 1238)
Originaltitel: Ballad of a dead nobody
ISBN 978-3-86754-238-8
PS: Inzwischen wird der Roman in der Stadtbibliothek eingearbeitet, Katalogdaten findet Ihr hier.
HilDa
Elizzy von read books and fall in love hat sich für alle, die teilnehmen mögen, folgende Blogaktion ausgedacht: der „Mittendrin Mittwoch“. Er besteht aus immer neuen Zeilen aus Büchern, in denen wir aktuell wortwörtlich mittendrin stecken.