Abendlied

„Der Mond ist aufgegangen“, Illustration von Ludwig Richter
Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.
Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.
Gott,laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Ausgewählte Werke von Matthias Claudius. Reclam-Verlag
Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und, wenn du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!
So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!
Matthias Claudius
(1740 – 1815)
Bitte ein Gedicht – das ist Wunsch und Angebot zugleich. In unregelmäßigen Abständen möchten wir gerne zur Lyrik verführen und präsentieren einzelne Gedichte oder weisen auf besondere Lyrikbände aus unserem Bestand hin.
Empfehlungen
Claudius, Matthias : Ausgewählte Werke / herausgegeben von Walter Münz. – Stuttgart : Reclam, 1990. – 488 Seiten – (Universal-Bibliothek ; Nr. 1691)
Katalogdaten hier
Das Gedicht wurde von Johann Abraham Peter Schulz vertont. Wer die Noten sucht und mitsingen möchte, findet in diesem prachtvollen Band alles: Text, Noten und Mitsing-CD
Die schönsten Lieder : mit CD zum Mitsingen / herausgegeben von Christine Busch und Frank Walka ; mit Bildern von Frank Walka. – Stuttgart : Carus-Verlag – Ditzingen : Reclam, 2017. – 1 Partitur (247 Seiten) : Illustrationen + 1 MP3-CD
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HilDa
Hach … da kommen Kindheitserinnerungen hoch auch wenn mir nur noch der Anfang geläufig ist…) ♥
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Ging mir genauso als ich den Beitrag der Kollegin las – bis auf die ersten Zeilen war mir das Gedicht auch nicht mehr bekannt. 🙂
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Ich konnte es mal auswendig, mittlerweile klappt das nicht mehr so gut. Vielleicht sollte ich mal wieder üben. Es ist schön, diese herrlichen „alten“ Gedichte zu lesen/sprechen/fühlen!
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Ja, so empfinde ich auch und bin oft gerade bei den aus Schulzeit bekannten Gedichten überrascht, dass sie auch heute noch schön sind und bei mir nachklingen. Moderne Lyrik können wir hier nicht so einfach zitieren (Urheberrecht!), wollen wir aber auch gerne empfehlen; demnächst vielleicht.
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