Buchtipp: Nahostkonflikt

Seit einiger Zeit halte ich beim Einstellen immer wieder Bücher der Reihe 33 Fragen – 33 Antworten des Piper-Verlags in der Hand. Die erscheinen seit letztem Jahr und beschäftigen sich kurz und bündig mit verschiedenen Themen wie Klimawandel, Künstliche Intelligenz oder Rechtsextremismus. Nun habe ich mir mal eines davon mit nach Hause genommen und zwar Nahostkonflikt von Wolfram Eberhardt.

Die Fragen werden meist auf etwa drei bis vier Seiten beantwortet, das Buch ist daher mit seinen 128 Seiten also eher übersichtlich. Ich finde das zum Auffrischen von Wissen beziehungsweise zum Einstieg in ein neues Thema aber sehr geeignet. Wenn man für sich merkt, dass man tiefer in die Materie einsteigen will, kann man dann nach weiterer Literatur recherchieren.

Das Buch gibt einen guten ersten Überblick über die Ursprünge des Nahostkonflikts, definiert, was der Nahe Osten überhaupt ist, wie es zum Arabischen Frühling kam, welche Probleme die Region hat. Bei all den Schwierigkeiten zeigt der Autor aber auch auf, wo Hoffnung besteht und warum ein offener Dialog, zum Beispiel auch bei Reisen in den Nahen Osten, so wichtig ist.

Mir hat das Buch genau das geliefert was ich gesucht habe: einen guten kurzen Überblick über Ursachen und Auswirkungen des Nahostkonflikts. Hinten gibt es noch zwei Seiten mit Literatur- und Internetquellen, da hat man direkt Anreize, wo man sich weiter informieren kann.

Die Katalogdaten findet ihr hier.

lga

Recherche-Tipps #6: Statista

Wie der Name bereits vermuten lässt, ist Statista ein umfangreiches Statistikportal mit vielen Möglichkeiten. Es erleichtert die mühsame Suche im Internet nach Daten, die dann auch noch mühsam aufbereitet werden müssten. So findet ihr hier nicht nur einzelne Statistiken, sondern auch gebündelte Marktübersichten zu einzelnen Branchen, Infografiken zu tagesaktuellen Themen, Studien und Dossiers. Ihr könnt zum Beispiel den Pro-Kopf-Verbrauch von Schokolade nach Ländern ermitteln (Deutschland isst am meisten Schoko: 11,9 kg / Person!, die Österreicher gerade mal 0,83 kg) oder gleich ein ganzes Dossier zum Thema Schokoladenwaren herunterladen.

Im Suchfeld kann man die gewünschten Suchbegriffe eingeben, sie lassen sich auch kombinieren. Links der Trefferliste gibt es zusätzliche Filtermöglichkeiten, die Checkboxen und darunter weitere Auswahlmöglichkeiten nach Zeitraum, Regionen und Länder.  Interessant ist in diesem Zusammenhang die Checkbox „Themen“, hier findet man weitere,  zum Thema gehörige Statistiken. Aber Vorsicht, das lädt ein, sich in interessanten Details zu verzetteln… 🙂

Mit eurem Bibliotheksausweis könnt ihr dieses Portal über den Login kostenfrei nutzen, privat muss man für ein Dossier schon mal locker 500,- € hinblättern. Auch die Lizenzkosten, die wir zahlen müssen, sind nicht ganz billig, deshalb freuen wir uns, wenn das Portal rege genutzt wird. In eurer Facharbeit könnt ihr sicherlich punkten, wenn ihr eure Thesen mit gut recherchierten Statistiken oder Infografiken belegt bzw. untermauert. Außerdem macht sie eine Arbeit oder eine Präsentation lebendiger und unterbricht einen theoretischen Text in willkommener Weise.


Beim Aufruf der Statistik sehen wir die Darstellung der Grafik, darunter eine umfangreiche Beschreibung und rechts im Feld den Hinweis auf Downloadmöglichkeiten in allen möglichen Formaten wie PDF, XLS, PNG oder PPT. Auch eine Angabe der Quelle ist vorhanden, woher die Daten stammen und wer sie wann erhoben hat. 

Und noch ein interessantes Detail, das ihr auch schon von unseren anderen Datenbanken kennt: Per Copy & Paste einfach die bibliographischen Angaben übernehmen. Klickt dazu auf die Anführungszeichen rechts der Grafik, so könnt ihr die Zitierweise (vermutlich MLA – das soll die meist genutzte Zitierweise sein) auswählen und sogleich in euer Literaturverzeichnis übernehmen!


Habi

Im Blog-Artikel Informationskompetenz haben wir alle bisher erschienenen Recherche-Tipps verlinkt. Die Tipps sind Teil unserer Workshops zum Thema Facharbeitsrecherche. Informationen dazu und unseren anderen pädagogischen Angeboten findet Ihr hier.

Baumheide bekommt Beine

In der Stadtteilbibliothek Baumheide herrscht seit kurzem gähnende Leere. Keine Regale, keine Bücher. Keine Tische, keine Stühle. Das orange Sofa ist genauso verschwunden wie der Tresen und die Computer Arbeitsplätze. Aber keine Sorge. Alles ist sicher verpackt und eingelagert worden und wartet darauf bald wieder in die Stadtteilbibliothek zurückkehren zu können. Denn die Bibliothek, genauso wie das ganze Freizeitzentrum Baumheide, werden in den nächsten Monaten umgebaut und renoviert.

Wir sind selbst schon richtig gespannt, ob wir die Stadtteilbibliothek nach dem Umbau überhaupt noch wiedererkennen. 🙂

Bis dahin wurden alle in Baumheide entliehenen Medien bis September verlängert. Schaut zur Sicherheit bitte in eurem Bibliothekskonto nach der genauen Leihfrist.

Wer bisher ausschließlich die Stadtteilbibliothek Baumheide genutzt hat, den laden wir ein, in der Schließungszeit unsere anderen Stadtteilbibliotheken, wie etwa die in Heepen oder Schildesche oder auch die Stadtbibliothek am Neumarkt, zu besuchen. Also ein richtig Besuch ist momentan natürlich nicht möglich (danke Corona) aber ihr könnt wie gehabt in allen Standorten Medien bestellen und abholen.

Bei Fragen erreicht ihr uns montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr unter 0521 51-5000 oder per Email an stadtbibliothek.information@bielefeld.de.

Und hier haben wir noch einen kleinen Einblick in die Umzugsarbeiten. Schaut gerne rein. 🙂

lga

Der Welttag des Buches

Habt ihr Lust zu feiern? – Wir auch. Aber mit Abstand und virtuell. Heute ist der Welttag des Buches und ich finde, das können wir ruhig mal zelebrieren.

Wie kam es eigentlich dazu, einen „Welttag des Buches“ auszurufen?

Nun, 1995 erklärte die UNESCO den 23. April zum „Welttag des Buches“, dem weltweiten Feiertag für das Lesen, für Bücher und die Rechte der Autoren. Die UN-Organisation für Kultur und Bildung hat sich dabei von dem katalanischen Brauch inspirieren lassen, zum Namenstag des Volksheiligen St. Georg Rosen und Bücher zu verschenken. Ganz nebenbei bemerkt ist der Tag der Geburtstag des isländischen Literaturnobelpreisträgers Halldór Laxness und der (vermutete) Geburts- und Todestag von William Shakespeare sowie der Todestag von Miguel de Cervantes. Wobei- zu dieser Zeit wurde in England noch mit dem julianischen Kalender gerechnet, während in Spanien schon der gregorianische Kalender galt. Somit starb Shakespeare zehn Tage später als Cervantes. Aber egal. 🙂

Außerdem begehen wir heute den Tag des deutschen Bieres. Zwei Events auf einmal, da lohnt sich doch das Feiern, oder? Für alle Statistik-Fans unter euch haben wir noch etwas von „Statista“ für euch:

kwk

Lesen gegen das Vergessen

Zum siebten Mal trat die Initiative „Lesen gegen das Vergessen“ am Donnerstag, den 15.04.2021 an die Öffentlichkeit – in Erinnerung an die Bücherverbrennungen im Frühjahr 1933 sowie an die doppelt vergessenen Autorinnen, die während der Nazizeit ausgegrenzt, vertrieben und ermordet wurden. Die Aktion erscheint aktuell brennend notwendiger denn je. Deshalb gedachten die Lesenden der Befreiung von Auschwitz vor 76 Jahren mit einem Text von Esther Bejarano aus ihren „Erinnerungen“ an die Schreckenszeit im Lager. Ausgewählt haben sie in diesem Jahr dazu Texte bzw. Gedichte von Rose Ausländer, Vicki Baum, Hilde Domin, Mascha Kaléko und Ruth Klüger. Als Schriftstellerin aus der Region hat die Initiative Ilse Losa, geboren in Buer bei Melle, entdeckt, als zeitgenössische Autorin im Exil Lina Atfah aus Syrien.

Wer am 15. April eigentlich live dabei sein wollte, hat vielleicht bemerkt, dass wir an dem Abend leider einige technische Schwierigkeiten hatten. Aber keine Sorge: Wir haben den Mitschnitt der Veranstaltung bei YouTube eingestellt, so könnt ihr auch jetzt noch die Veranstaltung anschauen.

Die Veranstaltung wurde übrigens vom Künstlerinnenforum bi-owl e.V. und der Initiative „Lesen gegen das Vergessen“ in Kooperation mit der Stadtbibliothek Bielefeld organisiert.

Am Donnerstag, dem 15. April im 19 Uhr lesen Abdessamad Bouzid, Barbara Daiber, Leonore Franckenstein, Sarah Laukötter, Brigitte Siebrasse, Gabriele Sonnenberg, Sally Lisa Starken, Almuth Wessel und Heidi Wiese. Einführung: Dr. Irene Below. Die eigene Musik dazu spielt Willem Schulz auf dem Cello.

Buchtipp: Puls von Stephen King

Kürzlich überkam mich mal wieder die Lust auf einen Stephen King Roman. Ich lese seine Bücher richtig gerne und warte tatsächlich immer noch darauf, dass er mich mit einem seiner Bücher mal enttäuscht.

Anfangs dachte ich, dass er dies mit Puls vielleicht schaffen würde. In Puls begleiten wir Clay Riddell, der geschäftlich in Boston unterwegs ist, als plötzlich jeder, der gerade ein Handy am Ohr hat, wahnsinnig wird. Was sich zum Beispiel darin äußert, dass diese Personen anderen die Kehle durchbeißen oder Hunden die Ohren abkauen. Nett. Zusammen mit Tom und Alice, die er zufällig trifft, verlässt er Boston, um nach Hause zu gelangen und seine Ex-Frau und besonders seinen Sohn zu finden. Der natürlich auch ein Handy hat. (Das Buch ist von 2006, da hatten ja noch nicht alle Menschen ein Handy und so ist es durchaus plausibel, dass eben nicht jeder den Verstand verliert.)

Ich mag ja solche Endzeitgeschichten. Diese ganzen Versionen davon, wie die Menschheit zu Grunde gehen könnte, finde ich immer wieder spannend, gerade weil sie oft Aspekte aus unserem echten Leben nehmen und auf die Spitze treiben, wohin das führen könnte. Das macht das Ganze dann gleich noch gruseliger.

Hier ist es ein Gegenstand, den heute so gut wie jeder in der Tasche hat. So werden die wahnsinnig Gewordenen dann auch Handy-Verrückte genannt. Während sie anfangs noch an Zombies erinnern, entwickeln sie später noch ganz andere Züge (stinknormale Zombies hätte ich King auch nicht zugetraut :)).

Enttäuschend war für mich, dass sich die Geschichte im ersten Drittel ganz schön hingezogen hat. Ich mag ja eigentlich Kings ausschweifende Schreiberei sehr gerne, hier war mir der Anfang aber einfach zu sehr in die Länge gezogen. Zum Glück hat sich das noch geändert und den Rest des Buches über viel es mir sehr schwer dasselbige überhaupt aus der Hand zu legen. Also noch immer keine Enttäuschung. 🙂

Die Katalogdaten zum Buch findet ihr hier. Dort ist ebenfalls die Verfilmung zum Buch verzeichnet. Der Film ist von 2017, ich habe ihn bisher aber noch nicht gesehen. Verfilmungen von Stephen Kings Werken sind ja immer so eine Sache … mal sind es Meisterwerke und dann wieder eher ein Griff ins Klo. Mal sehen in welche Kategorie dieser Film für mich fallen wird. 🙂

lga

Bielefeld-Verschwörung

Mit Verschwörungen kennen wir uns aus in Bielefeld, ist doch eine sehr populäre nach unserer Stadt benannt. Die „Bielefeld-Verschwörung“ ist, wer hätt’s gedacht, sogar schon 26 Jahre alt und offenbar unausrottbar; zumindest die Behauptung „gibt’s doch gar nicht“ kommt garantiert, sobald auch nur das Wort „Bielefeld“ erwähnt wird – als könnte dieser „Witz“ auch nach so vielen Jahren und Wiederholungen noch irgendwie originell sein.

Doch wenn man nachfragt, wissen die wenigsten, wie diese seltsame Geschichte entstanden ist. Dabei ist sie bestens dokumentiert – im Gegensatz zu den allermeisten Verschwörungsmythen. Deren Urheber sind in der Regel nicht bekannt, und – ähnlich wie Gerüchte – entwickeln Verschwörungstheorien schnell eine Art Eigenleben, verschränken sich gerne mit anderen Mythen und Ideologien, nehmen noch ein paar Halbwahrheiten mit, reißen die ein oder andere Tatsache aus dem Zusammenhang – kurz, sie schöpfen aus vielen anonymen Quellen. Das wirkt oft wie ein schlechter Witz. Ist es aber nicht.

Nun, die Bielefeld-Verschwörung war jedenfalls nie etwas anderes: ein Studentenulk, der zu einer Satire auf Verschwörungsmythen jeglicher Art wurde. Ein gutes Beispiel, wie schnell sich so ein Mythos verselbständigen und verbreiten kann, nicht zuletzt durch die modernen Medien.

Über die Bielefeld-Verschwörung gibt es genügend Material, das ist an anderer Stelle bereits aufgedröselt und kann z.B. bei Wikipedia leicht und anschaulich nachgelesen werden. Die Aktion von Stadtmarketing Bielefeld, die wie erwartet ja keinen Beweis für die Nichtexistenz der Stadt am Teutoburger Wald erbrachte – trotz der ausgelobten 1 Million Euro („Die Bielefeldmillion“ ) – hat der „Verschwörung“ nun endgültig den Garaus gemacht. Nur der Dauerwitz bleibt uns wohl trotzdem erhalten. Nun ja.

Einige der „echten“ Verschwörungsideologien sind womöglich ganz ähnlich entstanden. Ich erinnere mich noch gut, welches Aufsehen der durchaus spannende Roman „Das Sakrileg – Der Da Vinci Code“ von Dan Brown ausgelöst hatte: Konnte es sein, dass die dort beschriebene jahrtausendealte Verschwörung der Templer und sonstiger Bruderschaften auf Tatsachen beruhte? Klangen die Deutungen der geheimnisvollen Zeichen in der Erzählung nicht sehr plausibel?
Na klar, Dan Brown weiß natürlich, wie man eine Story in sich, also innerhalb ihrer Romanwirklichkeit, plausibel konstruiert. Aber einem Faktencheck in der realen Welt hielt das nicht stand. Das war für einige begeisterte Leser wohl etwas enttäuschend. Aber der Roman war eben nichts anderes als ein spannender Thriller, ein Pageturner. Und so – nur so! – gefallen mir fantasievolle Verschwörungsmythen. 😉

Stammt die Idee mit den Reptiloiden, die Menschengestalt annehmen können, nicht aus einer SF-Fernsehserie aus den 80ern? Und die Chemtrail-Ängste gehen doch auf einen Witz zurück, der komplett außer Kontrolle geraten ist, oder? Oh bitte!

Für manche passen diese puren Erfindungen und Ideen jedoch scheinbar perfekt als Erklärung für ein Rätsel oder ein Phänomen, ergänzen ein ohnehin schon versponnenes Weltbild oder irgendwelche Ängste – die sich dann, bestärkt durch die für echt gehaltenen Geschichten, sogar ins Wahnhafte steigern können. Die erst einmal seltsam erscheinenden Theoriekonstrukte verwandeln sich im Laufe der Zeit, passen sich an und werden immer vielschichtiger und umfassender. Jeder zupft sich heraus, was in sein Weltbild zu passen scheint. Gegenargumente gelten als Manipulation durch die vermeintlichen Verschwörer und ihre Handlanger – und damit prompt als Beweis für die Richtigkeit des Mythos.

Wichtig scheint auch ein ausgemachtes Feindbild, es muss schon das Böse schlechthin sein. Gerne wird da auf bekannte Stereotype zurückgegriffen. Man selbst gehört natürlich zu den Guten, zu den Wissenden, Erleuchteten, zu den Weltrettern gar. Dagegen gilt jeder, der nicht gläubig ist, als Unwissender, „Schlafschaf“ oder sogar als Teil der Verschwörung und somit als Feind.

Und was, wenn sich mehr und mehr Anhänger finden, die in einigen Fällen gar fanatisch werden? Neu ist dieses Phänomen nicht. Aber die digitale Vernetzung bestärkt zusätzlich – und macht aus kruden Ideen und Lügen eine global vernetzte Bewegung. So mancher findet aus seiner ideologisierten Filterblase nicht mehr heraus.

Offenbar lässt sich mit den Verschwörungsgläubigen ja auch viel Geld machen: Spenden, Bücher zum Thema, Wundermittel, Goldhandel u.v.m. Oder man nutzt die leichtgläubigen Anhänger gleich zur Verwirklichung eigener Machtphantasien oder gar Umsturzpläne aus. Während die einen noch handgemalte Protestplakate schwenken und Polonaise tanzen, stürmt in ihrem Schatten ein radikalisierter Mob die Parlamentsgebäude.

Das ist kein folkloristischer Spaß, auch wenn sie noch so seltsam kostümiert sein mögen! Sie tragen Galgen vor sich her, an denen sie Andersdenkende gelyncht sehen wollen, sie sind bewaffnet und auf einen Tag X fixiert – den Umsturz, die Machtübernahme, das Ende der Demokratie, die Apokalypse, what ever. Sie bedrängen gewählte Volksvertreter, bedrohen Journalistinnen und Wissenschaftler und überhaupt alle Andersdenkenden. Dabei nutzen sie geschickt demokratische Rechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit aus (die sie Andersdenkenden allerdings nicht zugestehen), tragen gar das Grundgesetz demonstrativ vor sich her, aber gleichzeitig eben auch Reichskriegsflaggen, Galgen, u. ä.  In Washington waren es sogar Waffen, Bomben, Kabelbinder zur Festsetzung von Geiseln. Bilder wie aus einem Alptraum.

Es ist mehr als verstörend, wenn Menschen im Namen der Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Freiheit, der Nächstenliebe, der Grundrechte, des Wohles der Kinder oder der ganzen Menschheit, im Namen eines gütigen und liebenden Gottes oder der Liebe zur Natur oder sonstiger hehrer Ziele aufmarschieren und dann doch nur Hass und Gewalt zeigen. Dass aus Gläubigen Fanatiker und sogar Terroristen werden können, ist schockierend, egal ob eine Religion oder Sekte, eine Ideologie oder irgendein verworrener Mythos der Auslöser ist.

Einige laufen auch einfach „nur“ gedankenlos mit den Hass- und Gewaltmenschen mit. Was für eine unselige Melange aus Impfgegnern, Esoterikern, irgendwie Unzufriedenen, Mythengläubigen und geschickt in diesem Fahrwasser lavierenden Demokratiefeinden hat sich da gebildet.

Ja, ich weiß, jetzt habe ich mich etwas weit von der doch harmlosen „Bielefeld-Verschwörung“ entfernt. Aber diese Bilder und Sprüche voller Gewaltbereitschaft und Hass in den letzten Wochen und Monaten schockieren mich. Wie einfach ist es doch für Radikale und Ideologen, die Leichtgläubigen und Faktenresistenten zu unterwandern.

Dass Menschen nicht wahr haben wollen, was nicht in ihre Weltanschauung passt, ist, wie gesagt,  nicht neu. Wir sind alle mehr oder weniger verführ- und manipulierbar. Egal wie gebildet und kultiviert wir uns wähnen, niemand gibt gerne zu, dass er/sie sich verrannt hat. Doch Scheuklappen auf und einfach an „alternative Wahrheiten“ glauben wollen? Und dann auch noch erkennbaren Demagogen und Demokratiefeinden eine Bühne geben und mit ihnen mitlaufen?

Aus Worten werden Taten – leider mussten wir das schon allzu oft erleben. Diese UnHeiligen Kriege, Hasspredigten, „Revolutionen“ und Hexenjagden kennen und fürchten wir schon seit Tausenden von Jahren. Ich dachte wirklich, unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert und in 70 Jahren Demokratie wäre stärker und aufgeklärter. Doch der kulturelle Firnis ist leider nur erschreckend dünn.

1 Million Euro, um dieses Verschwörungsgelaber bitte endlich zu beenden!

Ach, wenn’s doch nur so einfach wäre!

HilDa

Literaturtipps und im Text erwähnte Bücher:
  • Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit : wahr, falsch, plausibel? : die größten Streitfragen wissenschaftlich geprüft / Mai Thi Nguyen-Kim ; mit Illustrationen von Ivonne Schulze. Doemer-Verlag, 2021.
    Die Wissenschaftsjournalistin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim untersucht brennende Streitfragen unserer Gesellschaft; mit Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen kontert sie Halbwahrheiten, Fakes und Verschwörungsmythen – und zeigt, wo wir uns mangels Beweisen noch zurecht munter streiten dürfen.
  • Einspruch! : Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online / von Ingrid Brodnig ; Illustrationen Marie-Pascale Gafinen. Brandstätter-Verlag, 2021.
    Die österreichische Autorin und Publizistin Ingrid Brodnig ist Expertin für Lügengeschichten, Mobbing und Hass in unserer zunehmend digitalen Welt.
  • Verschwörungsmythen – woher sie kommen, was sie anrichten, wie wir ihnen begegnen können / von Michael Blume. Patmos-Verlag, 2020.
    Michael Blume ( Religionswissenschaftler, Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus) analysiert die kulturgeschichtlichen und psychologischen Hintergründe, warum es solche Mythen gibt und wie sie »funktionieren«. Er gibt Rat, was man Verschwörungsgläubigen antworten kann. (aus dem Klappentext)
  • Fake Facts: wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen / von Katharina Nocun und Pia Lamberty. Quadriga-Verlag, 2020.
    Verschwörungstheorien verbreiten sich nicht nur im Netz wie Lauffeuer und sind schon lange kein Randphänomen mehr. Katharina Nocun (Publizistin, Politik- und Wirtschaftswissenschaftlerin, Politikerin) und Pia Lamberty (Sozialpsychologin, die zu Verschwörungsideologien forscht) beschreiben, wie sich Menschen aus der Mitte der Gesellschaft durch Verschwörungstheorien radikalisieren und die Demokratie als Ganzes ablehnen. Welche Rolle spielen neue Medien in diesem Prozess? Wie schnell wird jeder von uns zu einem Verschwörungstheoretiker? Und wie können wir verdrehte Fakten aufdecken und uns vor Meinungsmache schützen? (aus dem Klappentext)
  • Fake News und Verschwörungstheorien: Wie man Gerüchten nicht auf den Leim geht / Text Gérald Bronner ; Zeichnungen & Colorierung Krassinsky ; aus dem Französischen von Edmund Jacoby. – Verlagshaus Jacoby & Stuart, 2019.
    Der kurzweilige Comic erklärt, wie Fake News und Verschwörungstheorien funktionieren, warum wir so leicht auf sie hereinfallen und wie wir Informationen auf ihren Realitätsgehalt hin checken können. (aus dem Klappentext)
  • »Nichts ist, wie es scheint« : über Verschwörungstheorien / von Michael Butter. Suhrkamp-Verlag, 2018.
    Was macht eine Erklärung zu einer Verschwörungstheorie? Warum sind sie für viele so attraktiv? Und was kann man dagegen unternehmen? Michael Butter erläutert, wie solche Erzählungen funktionieren, wo sie herkommen und welche Auswirkungen sie haben können. (aus dem Klappentext)
    Michael Butter ist Professor für amerikanische Literatur und Kulturgeschichte an der Universität Tübingen. Er leitet außerdem ein EU-Forschungsprojekt zur Analyse von Verschwörungstheorien.
  • Bullshit-Resistenz / von Philipp Hübl. Nicolai Publishing & Intelligence, 2018.
    Essay des Philosophen und Publizisten Philipp Hübl über die Plicht zum kritischen Denken, um Wahrheit von Unwahrheiten zu unterscheiden und so den allgegenwärtigen Verschwörungstheorien und Fake News etwas entgegenzusetzen.

Zur Bielefeld-Verschwörung gibt es Romane und Comics:

Über Dan Browns Roman „Das Sakrileg – The Da Vinci Code“:

    • den Roman in verschiedenen Ausgaben findet Ihr hier
    • Sakrileg entschlüsselt : Dan Browns Bestseller von A bis Z / von Simon Cox. Heyne-Verlag.
    • Das Da-Vinci-Geheimnis : Wahrheit und Mythos in Dan Browns Sakrileg / von Sangeet Duchane. White-Star-Verlag.

(Auswahl: HilDa)

SchreibRaum 2020: Projektbericht

Das war eine in jeder Beziehung besondere Schreibwerkstatt. Der Kurs sollte bereits im April 2020 beginnen (1. Versuch) und endete tatsächlich erst im Februar 2021. Die Gründe kann sich jeder leicht vorstellen: Corona, Pandemie, Lockdown 1 + 2. Im März musste leider erst einmal abgesagt werden (1. Lockdown), dann wurde aber im Sommer neu geplant und ab 29. August konnten endlich 9 Teilnehmer:innen im Alter von 14 bis 18 Jahren in den SchreibRaum starten. Doch dann kam der 2. Lockdown. Kursleiterin Andrea Gehlen organisierte auf online-Meetings via Zoom um; aber erst einmal musste der Kurs unterbrochen werden, es kamen die Ferien und Feiertage. Trotzdem gelang es, alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen motiviert zusammenzuhalten. Am Ende musste auch die Abschlussveranstaltung online stattfinden. Dazu später mehr.

Mit der Bielefelder Autorin Andrea Gehlen hatten wir eine engagierte Workshopleiterin, die von vornherein einen Plan B vorbereitet hatte. Das vom LandesMinisterium für Kultur und Wissenschaft geförderte Projekt SchreibLand NRW, eine Initiative des Literaturbüros NRW in Düsseldorf und des Verbandes der Bibliotheken NRW, sah die Möglichkeit eines Online-Workshops auch schon vor.

Doch im August hatten wir noch die Hoffnung, dass wir bis Anfang Dezember die zehn 90-Minuten-Termine als Präsenzveranstaltungen gestalten könnten. Der große Veranstaltungssaal SO2 bot genügend Platz für eine großzügige Aufstellung der Tische, so dass der nötige Abstand gewahrt werden konnte. Und die Jugendlichen waren bemerkenswert diszipliniert und hielten sich an alle Hygiene-Regeln. Samstags ab 12 Uhr verbrachten diese jungen Menschen ihren schulfreien Tag freiwillig mit einer Schulung. Und sie brachten schon Entwürfe, Ideen und sogar fertige Texte mit. Frau Gehlen war von Anfang an beeindruckt.

Man könnte die Workshop-Geschichte jetzt wie eine Heldenreise erzählen. Die Gruppe aus neun sehr unterschiedlichen Jugendlichen wuchs unter der Leitung der erfahrenen Autorin zu einem Team zusammen. Sie mussten Aufgaben bewältigen, einige jeder für sich, einige gemeinsam. Sie mussten Charaktere bilden – dabei ging es um die Figurenentwicklung in ihren Geschichten, aber auch um die eigene Biografie, wie sie z. B. für den Klappentext eine Buches benötigt würde (und bei der Abschlussveranstaltung zur Präsentation gehören sollte). Sie mussten Schauplätze erkunden, neue Perspektiven gewinnen, mit Lügen und „unzuverlässigen Erzählern“ umgehen lernen und Konflikte verschlimmern – natürlich für ihre Erzählungen. Sie haben gemeinsam die Frage nach der Moral gestellt, genauer nach der Rolle der Moral in einer Geschichte. Kurzgeschichten, Gedichte und Romananfänge sind entstanden und weiterentwickelt worden. Und dazu aller Unbill der Pandemie! Doch am Ende musste jeder einzelne sich einem Publikum stellen und mit seinen Texten die Bewährungsprobe bestehen. Ja, eine Heldenreise eben!

Schematische Darstellung einer „Heldenreise“

Die Heldenreise als Geschichtenkonstrukt war aber auch selbst ein Thema der Schulung: Am Beispiel „Harry Potter“ ging der Kurs die Stationen dieser archetypischen Erzählstruktur durch.

Sieben der insgesamt zehn Termine konnten in der Bibliothek stattfinden, drei mussten in den digitalen Raum verlegt werden. Für den Übergang – wegen des Lockdowns und der Ferien gab es erst einmal eine Unterbrechung – hielt Frau Gehlen den Kontakt mit regelmäßigen E-Mails und Schreibübungen für die Teilnehmer:innen. Nach zehn Wochen meldeten sich tatsächlich alle wieder und in drei langen Zoom-Meetings bereitete man sich auf die Abschlussveranstaltung vor: Textauswahl, Tipps und Tricks zum öffentlichen Vorlesen, Zeitplan und anderes Organisatorisches.

Die Abschlussveranstaltung fand am 13. Februar 2021 ebenfalls online statt. Wir trafen uns mit Gästen – insgesamt 30 Personen – auf dem Bildschirm. Natürlich passierte all das, was immer bei großen online-Meetings passiert: Mikrofone waren an, die eigentlich ausgeschaltet sein sollten, so dass Nebengeräusche störten; die Netzverbindungen waren nicht immer für alle stabil; eine Fotoshow, die die Pause überbrücken sollte, war schneller vorbei als geplant. Oder verlief die Zeit einfach schneller? Frau Gehlen moderierte jedenfalls souverän und die jungen Schriftsteller und Schriftstellerinnen ließen sich durch nichts aus der Fassung bringen.

Und was bekamen wir an diesem besonderen Abend zu hören?

„Glaubst du an Magie?“ – fragte gleich in einer der ersten Prosatexte ein Protagonist. Er flüsterte: „Ich erzähle dir die Geschichte meines Stammes. …“ – und ich wünsche mir möglichst bald alle Bände des Fantasy-Epos für unsere Bibliothek! (Ja, kein Witz, die Autorin hat den Entwurf für acht Bände fertig und bereits weit mehr als das vorgetragene Anfangskapitel geschrieben.)
Wer hätte gedacht, dass uns die Perspektive eines Kruges oder die eines Hundes auf dem Sofa fesseln konnte, dass wir den Traum vom perfekten Bizeps mitträumen würden – ebenso wie den Alptraum vom Tanz des Todes. Wir sympathisierten mit einem gedemütigten Dieb und mit einem einsamen, aber vergesslichen Kobold. Wir hörten kurze Prosatexte, einen Romananfang und Lyrik.

„Das Wichtigste, was ich hab‘, ist meine Gab‘“, hieß es in einem der Gedichte. Doch so bescheiden müssen diese jungen Dichter und Dichterinnen gar nicht sein, denn nach dem Applaus und den Rückmeldungen zu urteilen haben sie es uns Zuhörer:innen an diesem Abend gezeigt: Ja, auch wir glauben an die Magie der Worte.

Das waren besondere Autorenlesungen. Nach einigen besonderen Kurs-Monaten. Andrea Gehlen kommentierte in einer Rundmail kurz nach dem Ende der Veranstaltung: „nur ganz kurz, ich bin noch ganz ergriffen. Ihr wart sooooooooo toll!!!!“. Frau Rast vom Literaturbüro NRW bedankte sich am folgenden Montag für den „schönen Abend mit tollen Texten“.

Ich bin davon überzeugt, dass wir von diesen neun Autoren und Autorinnen noch viel hören werden: die neue Bielefelder Schriftsteller-Generation.

Nur schade, dass wir keine öffentliche Live-Lesung auf unserer Literaturbühne mit ihnen organisieren durften. Nun, vielleicht das nächste Mal, denn der SchreibRaum 2021 öffnet, wenn sich genügend Teilnehmer:innen finden, bereits am 17. April wieder.

HilDa

Diese Werkstatt wurde gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen von SchreibLand NRW – einer Initiative des Verbands der Bibliotheken des Landes NRW und des Literaturbüros NRW.

Bastelzeit: Pünktchen zum Aufhängen

Ich liebe Bastelläden, Bastelzeitschriften, Kreativmessen, Bastel-SocialMedia-Seiten und was es sonst noch gibt. Diese Quellen eignen sich nicht nur prima zum Stöbern, sondern auch, um sich Inspirationen zu holen. Ob es dann am Ende eine 1:1-Kopie oder eine ähnliche Variante von einer „Bastelei“ wird, kann ja jeder machen wie er mag. Mir geht es allerdings (leider) oft so, dass mir nur die ähnliche Variante übrigbleibt. Denn wenn ich haargenau etwas 1:1 nachmachen möchte, vergesse ich garantiert etwas. Entweder eine Farbe passt nicht, oder ein Strich wird schief oder, ach, da gibt es tausend Möglichkeiten. – Und das trotz Vorlage oder des Fotos, das ja oft gemacht werden darf, wenn man nett fragt.

Meine „Pünktchen zum Aufhängen“ sind auch solch ein Fall. Ich habe das Bild im Lieblings-Bastelladen gesehen und fand es einfach wunderbar. Anfangs habe ich mich da gar nicht herantrauen wollen. Weil ich so gar nicht, aber auch so gar nicht malen kann. L Es sei denn es gibt etwas zum Ausmalen. 🙂 Auf dem schönen Bild gab es leider nichts zum Ausmalen – noch nicht einmal „Malen nach Zahlen“ – sondern Punkte. In Gedanken überlegte ich alles Mögliche: Könnte ich mich vielleicht selber austricksen und einfach verschiedene Runde Deckel als Vorlage nehmen? Aber hatte ich überhaupt so viele verschiedene Größen? Oder vielleicht Gläser?
Ich beschloss, erst einmal nach etwas Anderem zu schauen. Fand auch was. Aber das Bild ließ mich einfach nicht los. Ich musste es immer wieder ansehen. Es sah eigentlich ganz einfach aus, aber irgendwie auch wieder nicht: eine Leinwand, schwarz angemalt und darauf eben halt die Punkte. Ganz viele. In verschiedenen Größen und Farben. Innen waren die Punkte kleiner, nach außen hin größer. Dazu vier verschiedene Farben die mit jeder Schicht heller werden. Also von Braun nach weiß. Die Punkte waren einzeln positioniert oder überlappten sich.

Ich beschloss aber trotzdem das Ganze auf „später“ zu verschieben. Aus irgendeinem Grund landete ich aber doch recht schnell wieder in besagtem Bastelladen. – Das Bild hing noch an Ort und Stelle. Ich tanzte wieder drum herum bis es mir reichte. So fragte ich endlich einmal bei der Verkäuferin nach, was man für das Bild alles benötigt – und vor allem wie man das Muster so wunderbar hinbekommt. Es stellte sich heraus, dass es „einfacher“ war, als gedacht.

Ich bekam Acrylfarben, eine Leinwand – und Stempel in verschiedener Größe. Die Punkte werden nämlich nicht gemalt, sondern gestempelt. Prima, dachte ich. Das könnte sogar ich hinbekommen. Irgendwie. Nahm alles mit, machte schnell noch ein Foto, und los konnte es gehen.
Das Schicksal des Bildes keine Originalkopie zu werden, nahm übrigens schon im Laden seinen Lauf: Die Verkäuferin wusste nicht genau, welche Farben der „Künstler“ verwendet hatte. Sie tippte auf braun, rot, rosa (es war eher magenta) und weiß. Okay, dachte ich. Das kann ja was werden. Aber egal. Man macht was man kann und probieren geht über Studieren. Ich pinselte die Leinwand schwarz an, ließ sie trocknen und versuchte in der Zwischenzeit nicht nur einmal das Foto zu hypnotisieren. Wie um alles in der Welt sollte ich das genau so hinbekommen?

Zuerst stempelte ich munter drunter und drüber auf Papier einige Testpunkte um ein Gefühl dafür zu bekommen. Als ich dachte, jetzt könnte es klappen, legte ich los: Von außen nach innen beginnend in den Ecken. In braun. Schon nach den ersten Stempeln sah ich, dass es ganz anders werden würde. Mich verließ der Mut. Dachte nach. Und fand, dass das gar nicht so schlimm war. So machte ich  weiter. Zwar immer mit dem Original im Hinterkopf, aber doch auf meine Art. So ist dann etwas ganz „eigenes ähnliches“ entstanden. Am Ende fand ich es sogar (fast) besser als das Original. Und dachte mir so: Irgendwie ist das doch das Wunderbare am selber machen … das am Ende ein anderes Ergebnis heraus kommt, als anfangs geplant. Und man mit diesem trotzdem mehr als zufrieden ist. 🙂

katinkasbackofen

Vorlesetipp: Lappland

Gerne sei dieser prächtige Bildband allen empfohlen, die Naturfotografie und die fantastische Landschaft im hohen Norden Europas lieben. Aber ein Buch über das Naturparadies Lappland als Vorlesetipp? Nun, dazu wurde es durch meine Besuche bei einem älteren Herrn. Früher ist er viel gereist, besonders gerne in die skandinavischen Länder und nach Finnland, allein oder zu zweit, meist auf eigene Faust mit seinem Bulli. Heute sind seine Erinnerungen etwas verwirrt. Aber wenn er erzählt, ist es doch egal, ob seine großartigen Abenteuer wirklich erlebt oder Phantasie sind, er erzählt gerne über seine Reisen, nur das ist wichtig.

Der Bildband war ein Geschenk seiner Kinder. Damals war er wohl nicht wirklich interessiert an dem Buch, schön, ja, aber es taugte weniger zur Vorbereitung der nächsten Reise und Fotos hatte er selbst genug gemacht. Das Buch wanderte ins Regal.

Wenn er heute gemeinsam mit seiner Tochter in dem Buch blättert, glaubt er alles auf den Bildern wiederzukennen: Jaja, da sei er überall gewesen. Wenn man an diesem Felsen rechts vorbei gehe, so erzählt er voller Überzeugung, könne man das Meer sehen. Und als er bei dem Foto eines Adlers zwei ineinander verschränkte Greifvögel zu erkennen glaubt, wischt er den geäußerten Zweifel mit den Worten fort: „Ich muss es doch wissen, ich habe das Foto ja schließlich gemacht!“ Die Personen auf den Bildern am Ende des Buches kennt er natürlich persönlich, ihm fallen nur die Namen gerade nicht ein.

Und dann erzählt er von langen Wanderungen an der norwegischen Küste entlang, Übernachtungen unter freiem Himmel, den drei Elchen, die beim Aufwachen neben ihm gelegen hätten. Er fährt mit dem Finger über die Landkarte, um den Weg nachzuzeichnen.

Beim etwas hektischen Hin-und-Her-Blättern in dem Buch kommt er natürlich immer wieder auf die selben Bilder und Karten – nur seine Geschichten sind dann plötzlich ganz andere.

Ab und zu tippt er mit dem Finger auf einen Bilduntertitel; weil er gerade keine Brille aufsetzen mag („Ich brauch‘ keine Brille!“), soll die Tochter kurz vorlesen. Dann irritiert ihn der Text vielleicht für einen kurzen Moment (Aha, das ist also doch nur ein Adler? Ja klar, eine optische Täuschung eben!). Aber meist nickt er wissend. Er akzeptiert auch, dass die Menschen auf den Fotos am Ende Fotografin und Autor des Buches sind und sicher keine Reisebekanntschaften.

Ach, er würde so gerne noch einmal dort hoch fahren und alles wieder selbst sehen und erleben.

Fotos oder eben auch so ein Bildband können wunderbar helfen, einen Menschen mit Demenz zum Erzählen zu bringen. Es geht hier nicht um das Vorlesen im eigentlichen Sinn des Wortes, vielmehr soll ein Anlass zum aktiven Erzählen geboten werden. Das gemeinsame Lesen der Texte kann das unterstützen, die Bilder sind aber der entscheidende Ansatz. Es reicht, wenn man ein Buch auswählt, das den Interessen des alten Herrn entspricht und Erinnerungen wecken kann.

Ausschnitt aus dem Regal „Schaufenster Bielefeld“ des Stadtarchivs

Das kann z. B. auch ein Fotoband über die alte Heimatstadt sein (zum alten Bielefeld und seinen Stadtteilen, aber auch zu anderen Städten und Gemeinden in der Region findet man viel in der Landesgeschichtlichen Bibliothek des Stadtarchivs, ausleihbar mit der Bibliothekskarte). Gerade die Erinnerungen aus Kindheit und Jugend sind bei Menschen mit Demenz noch sehr präsent, sie erkennen die Orte auf den alten Bildern, erzählen über eigene Erlebnisse oder Spielgefährten aus der Vergangenheit, sie wissen, was im Krieg zerstört wurde, wo welches Geschäft war …

Oder man nimmt ein Buch über irgendein Interessengebiet des alten Herrn: VW-Bullis, die Länder, durch die er einst gereist ist, das Handwerk, das er als junger Mann erlernt hat – darüber gibt es Bücher mit Fotos und Zeichnungen, erzählen kann er dann selbst.

Dabei darf man nicht unbedingt eine lineare, wahrhaftige Geschichte erwarten. Man kann schon mal vorsichtig nachfragen, sollte aber möglichst nicht viel korrigieren, egal welche Sprünge der Erzähler macht und wie unglaubwürdig seine Reiseerlebnisse auch werden. Wenn er auf dem Bild einen zweiten Adlerkopf sieht, dann ist das eben so. Wenn er auf seinen Reisen so nebenbei und schon nach wenigen Wochen die Sprache der Samen gelernt haben will, dann ist das eben so. Wenn er ganz allein vom Nordkap bis nach Spanien, zu Fuß! – na, dann lassen wir ihn doch einfach weiter fabulieren.

Und wenn er dann das Buch zuklappt und mit einem zufriedenen Seufzer erklärt, dass er dieses Buch liebe und immer wieder gern darin blättere, dass es nicht zurück ins Regal, sondern für ihn griffbereit liegen solle, ja dann freut sich auch die Tochter, die es ihm einst geschenkt hatte. War also doch genau das richtige.

Die Daten zum National-Geographic-Bildband „Lappland: das Alaska Europas“ von Erlend Haarberg und Orsolya Haarberg findet Ihr hier.

HilDa