Für dieses Jahr verabschieden wir uns mit dem Blog in eine kleine Winterpause! Genauso wie unsere Stadtteilbibliotheken, die vom 24. Dezember bis zum 01. Januar geschlossen bleiben. Die Stadtbibliothek am Neumarkt bleibt am 24. und 31. Dezember ebenfalls geschlossen ist aber ansonsten wie gehabt für euch da.
Wir wünschen euch besinnliche Weihnachtstage und einen guten Start ins neue Jahr! 🙂
Es sollte eigentlich eine ganz normale Wanderung werden. Ein paar Meilen auf dem Appalachian Trail in Maine mit ihrer Familie. Wenn sich ihre Mutter und ihr Bruder nur nicht ununterbrochen streiten und sie dabei gar nicht mehr bemerken würden. So schlägt sich die neunjährige Trisha unbemerkt in die Büsche, um mal kurz auszutreten. Ein Platz nicht zu nah am Weg, wo sie keiner sehen kann, soll es sein. Und wenn sie dann einfach hier vorne eine Abkürzung nimmt sollte sie ruckzuck wieder zurück auf den Weg finden. Und so verirrt sich Trisha im Wald.
Wir folgen ihr nun, wie sie umher irrt. Wie sie versucht nicht in Panik zu geraten. Wie sie in Panik gerät. Wie sie Strategien entwickelt. Welche Richtung schlägt sie am besten ein? Wie kommt sie an Essen und Trinken? Und natürlich erleben wir ihre Ängste. Was geht ihr nachts, im dunklen Wald, ganz allein, durch den Kopf? Und was ist es, das sie im dunklen hört? Einbildung? Etwas ganz reales? Oder doch etwas viel düstereres?
Immerhin hat sie eine Sache mit der sie sich ablenken kann: Baseball. Sie ist großer Fan und so folgt der Aufbau des Buchs dem Ablauf eines Baseballspiels und ist in Innings unterteilt. Ich habe von Baseball und Innings zwar rein gar keine Ahnung, das war aber ohnehin nur der Rahmen für die Handlung. Ob ich Baseball nun verstehe oder nicht tut der Geschichte keinen Abbruch.
Nun könnte man meinen, dass dieses Buch bald langweilig wird: Mädchen läuft durch Wald, mehr passiert ja eigentlich nicht. Aber der tiefe Einblick in Trishas Gedankenwelt, dem wir folgen, trägt ohne Probleme durch die gesamte Geschichte.
Das Buch gibt es bei uns als eBook in der Onleihe oder vor Ort als Hörbuch auszuleihen.
Bei Ausgrabungen in der Nähe von Jerusalem findet der Ausgrabungshelfer Steven etwas sehr Seltsames. Zuerst hält er es für einen Scherz. Denn was hat eine Anleitung für eine Videokamera, die erst in einigen Jahren erscheint, in einem uralten Beutel neben uralten Knochen zu suchen? Und warum sieht die Anleitung selbst so uralt aus? Handelt es sich hier etwa um einen Zeitreisenden?
Ausgehend von diesem Fund entspinnt sich nun eine Geschichte auf den Spuren des potentiellen und titelgebenden Jesus-Videos. Dabei ist nicht nur Steven auf der Suche, auch der Geschäftsmann und Sponsor der Ausgrabungen John Kaun will das Video finden, um möglichst viel Kapital daraus zu schlagen.
Den Großteil des 700 Seiten starken Buchs habe ich an einem Tag verschlungen. Ab einem gewissen Punkt konnte ich es einfach nicht mehr aus der Hand legen und wollte unbedingt hinter all die verschlungenen Geheimnisse kommen.
Im Lauf der Geschichte werden verschiedenste Theorien entwickelt, wie die Videoanleitung in die Vergangenheit geraten ist. Hat jemand von langer Hand geplant einen Zeitreisenden in die Vergangenheit zu schicken, um Jesus zu filmen – bzw. wird das jemand planen?
Sehr eindrücklich waren die Beschreibungen Israels bzw. Jerusalems im Besonderen. Bilder von Sand und Wüste, uralten Gemäuern und der unglaublich weit zurückreichenden Geschichte dieses Landstrichs kamen auf.
Die grundsätzliche Idee, was es bedeuten würde, könnte man beweisen, dass Jesus wirklich gelebt hat oder eben auch das genaue Gegenteil, war ein sehr spannendes Gedankenspiel. Wer hätte Interesse an einem solchen Video, was würde die Kirche dazu sagen, wie würden ganz normale Leute darauf reagieren?
Erschienen ist das Jesus-Video schon vor einer ganzen Weile, im Jahre 1998. Anfang der 2000er gab es auch eine Verfilmung. Ich habe mir dazu einen Trailer angesehen, der allerdings nicht ganz so vielversprechend ausschaute. Da werde ich mich wohl lieber dem Jesus-Deal zuwenden. Diese Fortsetzung erschien 2014 und ich bin sehr gespannt, wie Eschbach die Geschichte dort weitererzählt.
Auch diese Schreibwerkstatt musste wieder unter Corona-Bedingungen stattfinden, das bedeutete, sieben der insgesamt zehn Treffen mussten online stattfinden. Die meisten Teilnehmer*innen kannten das bereits vom Kurs 2020, der zudem mehrmals verschoben und unterbrochen werden musste. Das zumindest blieb uns in diesem Jahr erspart. Andrea Gehlen, Leiterin des Kurses, hatte sich auf alle Möglichkeiten bestens vorbereitet und die Jugendlichen waren ohnehin hoch motiviert.
Es existiert eine ausführliche Dokumentation über die 10 Termine des Workshops, wichtig für den Bericht an das Literaturbüro NRW, das diese Schreibwerkstatt für Jugendliche im Rahmen der Initiative SchreibLandNRW überhaupt erst möglich gemacht hat.
Der Höhepunkt war natürlich der Abschlussabend.
Einladungskarte (c)Gehlen
Endlich konnten wir dazu auch auf die Literaturbühne, und die Teilnehmer*innen konnten ihre Texte vor Publikum präsentieren. Im Kurs hatten sie nicht nur mit verschiedenen Textaufgaben Kreatives Schreiben geübt, sie hatten sich nicht nur mit dem Beschreiben von Charakteren und dem Vermitteln von Stimmungen beschäftigt, über unterschiedliche Genre gesprochen, die großen Themen Liebe/Intrige sowie, auf Wunsch der Jugendlichen, das Böse und die bekanntesten literarischen Bösewichte behandelt.
Andrea Gehlen Foto(c)Klaus Hansen
Andrea Gehlen hatte auch das Präsentieren der eigenen Texte zum Thema gemacht und Interviewfragen mit den Teilnehmer*innen vorbereitet. Wie engagiert die Leiterin des Workshops gegenüber ihren jungen Kolleginnen und Kollegen ist, war an diesem Abschlussabend schön zu sehen: Sie hatte für jeden Mitwirkenden Blumen mitgebracht. Und an der Art, wie sie jeden Autoren, jede Autorin ankündigte, war deutlich ihre Wertschätzung zu erkennen.
Schon bei der Begrüßung platzte sie voller Stolz mit einer großartigen Neuigkeit heraus: eine Teilnehmerin, Enni, hatte sich erfolgreich auf ein Stipendium beworben und einen von den fünf begehrten Plätzen bekommen; damit hat sie individuelle Förderung für ihr junges Talent gewonnen.
Nicht nur von dieser Jungautorin werden wir sicher dereinst mehr hören und lesen und dann sagen: Damals beim Workshop in der Stadtbibliothek konnten wir schon ahnen, dass da eine neue Generation Bielefelder Schriftkünstler*innen wächst.
Sieben der insgesamt neun Teilnehmer*innen lasen an diesem Abend ihre Erzählungen und Gedichte vor, zum Teil Übungstexte aus dem Kurs. Aber nicht nur: Eine Geschichte war sogar spontan unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung im Vorbereitungsraum entstanden, fast unglaublich, so ausgereift wirkte sie beim Vortrag wenige Minuten später.
Die jugendlichen Autor*innen im Vorbereitungsraum (eigentlich der Veranstaltungsraum der Kinderbibliothek) Foto (c)Klaus Hansen
Die Erzählungen handelten von Mördern, Einbrechern oder von seltsamen alten Damen, es gab Liebeserklärungen, Beichten, Schmerz und Selbstzweifel, Allmachts- und Ohnmachtsgefühle, geschrieben als Thriller, fantastisch-gruselige Geschichte oder Innerer Monolog; angeregt waren sie durch das Hören von Klassischer Musik, durch Ovids „Metamorphosen“ oder eben Schreibübungen aus dem Kurs. Und dann gab es noch vegane Schildkrötensuppe, als Geschichte serviert natürlich. Übrigens live aus München, denn ein Kursteilnehmer war inzwischen für sein Studium dorthin gezogen und nahm nun per Livestream an der Lesung teil.
Equipment der Bühnentechnik, im Monitor Lars aus München Foto (c)Klaus Hansen
Sieben sehr unterschiedliche Lesungen von sehr verschiedenen Schriftstellerpersönlichkeiten, jung und kreativ, angeleitet von der Bielefelder Schriftstellerin Andrea Gehlen. Das war ein erfolgreicher Kurs, alle Gäste der Veranstaltung konnten das hören.
Aber was mich am meisten beeindruckt hat: der Zusammenhalt und die gegenseitige Wertschätzung unter den Jugendlichen. Jeder freute sich für den anderen mit. Ich weiß nicht, ob da Freundschaften entstanden sind, aber diese gemeinsame Freude war mehr als nur kollegialer Respekt. Und mindestens so stolz wie die Eltern und Freunde zeigte sich die Workshopleiterin.
Alle Teilnehmer*innen und die Workshopleiterin auf der Bühne zum Schlussapplaus Foto (c)Klaus Hansen
Und wir sind auch ein bisschen stolz, dass wir die Gastgeber für diesen tollen Kurs sein durften. Hoffentlich im nächsten Jahr wieder.
HilDa
Ergänzung: Dieser Beitrag erscheint zugegebenermaßen mit großer Verspätung (die Abschlussveranstaltung war bereits am 2. Juli). Aber das gibt mir Gelegenheit zu einigen wunderbaren Nachträgen:
Im Literaturmagazin „Tentakel“ wurde der Text „Phaetons Wagenfahrt“ von Finn veröffentlicht. Den Text hatte er auch am 2. Juli auf der Literaturbühne präsentiert.
Wir planen auch für 2022 wieder eine Schreibwerkstatt für Jugendliche, voraussichtlich ab März; Arbeitstitel bisher: SchreibRaum 2022.
Logo von SchreibLand NRW 2021
Diese Werkstatt wurde gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen von SchreibLand NRW – einer Initiative des Verbands der Bibliotheken des Landes NRW und des Literaturbüros NRW.
Alle Bücher der Literaturtage 2021 sind empfehlenswert, das haben die Lesungen, die Gespräche und die Rezensionen zu den Romanen gezeigt. Wir hatten bereits Blogbeiträge mit Informationen zu jeder einzelnen Lesung. Aber einige Romane möchte ich hier noch einmal aus eigener Lektüre empfehlen. Die Auswahl ist dabei eher zufällig, denn ich habe nicht alle Bücher der 10 Veranstaltungen gelesen, einige möchte ich noch.
Lena Gorelik: Wer wir sind
Lena Gorelik hat mit ihrem autobiographischen Roman ihre sehr persönlichen Erfahrungen und Gefühle niedergeschrieben: Kindheit in St. Petersburg, dann mit 11 Jahren Ausreise und Ankunft in einem fremden Land mit anderen Sitten und vor allem einer anderen Sprache. Mehr zum Roman hier.
Die Szenen, die mich besonders berührt haben, waren die, die das Verhältnis zu den Eltern betreffen. Die sind mit ihren Kindern in ihr Sehnsuchtsland ausgewandert, bleiben aber im „Westen“ die Fremden. Auf der Tochter liegt der Druck, die großen Erwartungen der Eltern, die Anpassung an die neue Heimat, die Scham über die Wohn- und Lebensverhältnisse im Flüchtlingsheim, der Zwiespalt und das Unverständnis zwischen den Generationen, dazu die ganz normalen Teenager-Probleme und Eltern-Kind-Konflikte, wie sie wohl jeder mehr oder weniger kennt. Das ist so berührend und klar geschrieben. Und alles ist umrahmt von der Liebe in dieser Familie, wobei zwischen den Generationen meist die Worte dafür fehlen. Aber Lena Gorelik hat das Buch auch als eine Liebeserklärung an die Eltern geschrieben. So habe ich es jedenfalls gelesen. Sehr bewegend. Dieses Buch hätte ich gerne meiner Mutter empfohlen und mit ihr darüber gesprochen.
Zora Del Buono: Die Marschallin
Auch ein Roman über ein Stück eigene Familiengeschichte, es geht um die gleichnamige Großmutter der Schweizer Autorin, eine bemerkenswerte Frau voller Widersprüche. Mehr dazu hier.
Ich musste feststellen, dass ich nur sehr wenig über die bewegte Geschichte des Balkan und Italiens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiß. 1. Weltkrieg, Faschismus, 2. Weltkrieg – das war zwar alles mal Thema des Geschichtsunterrichts, aber nicht aus der südeuropäischen Perspektive. Da fehlte mir einiges an Hintergrundwissen – nicht dass das zum Verständnis des Romans unbedingt notwendig wäre. Aber das Buch stieß mich auf diese Lücke – nun ja, sicher eine von vielen. Aber dieser Teil der europäischen Geschichte hat schließlich auch Auswirkungen bis heute. Nein, das ist eigentlich nicht das Thema des Romans, aber die charismatische Hauptfigur steht für die Zerrissenheit, die inneren und äußeren Kämpfe, für die Verstrickungen und gesellschaftlichen Brüche dieser Zeit.
Felicitas Hoppe: Fieber 17
Die Autorin las aus ihrer Erzählung Fieber 17 vor, aber das größere Interesse beim anschließenden Gespräch und genauso in den Medien lag bei ihrem Roman „Die Nibelungen“ – den ich aber bisher noch nicht gelesen habe (liegt aber auf meinem SuB, dem Stapel ungelesener Bücher). Mehr zu beiden Büchern hier.
An dem kleinen Büchlein „Fieber 17“ hat mich eigentlich der angehängte Essay am meisten beeindruckt. Den empfehle ich jedem, der sich für das Erinnern an die eigene Kindheit interessiert, für die Frage, wie Erinnerungen uns prägen und wie sich unsere Erinnerungen verändern, allein weil wir darüber Nachdenken, davon Erzählen oder eben Schreiben wie die Autorin. Hat mir einiges zu Denken gegeben.
Marente de Moor: Phon
Der Roman der niederländischen Autorin hat mich sehr überrascht. Der Inhalt ist im Blogbeitrag zur Lesung schon erzählt (hier).
Mich interessiert zurzeit das Genre nature writing in der Belletristik, und hier habe ich ein großartiges Beispiel dafür gefunden. Die Natur aus der Sicht der Ich-Erzählerin beschrieben: als Zuflucht, als Spiegel für ihre Gefühle, als mythischer Ort. Die Natur dient aber als reine Projektionsfläche: Es ist der Mensch, der das Göttliche darin finden will – oder auch das Dämonische zu erkennen meint. Ob Pope, selbst ernannte Schamanin oder Atheist – alle erklären sich die Natur so, dass es zu ihrem jeweiligen Weltbild passt. Dabei sind der Natur die Menschen egal, sie ist zu ihnen genauso gnädig und brutal wie zu allen Lebewesen.
Der Ich-Erzählerin sind die Gewissheiten verloren gegangen, sie sucht neuen Halt. Zwischen Erinnerung und Verdrängung lauern ein Trauma und der Verlust — irgendetwas ist vor einiger Zeit geschehen, das das Paradies endgültig zerstört hat. Oder die Illusion vom Paradies.
Marente de Moor lässt ihre Protagonistin sprunghaft und scheinbar schlicht erzählen, findet aber besonders für die Beschreibung der Natur eine poetische Sprache. Das hat mir sehr gut gefallen. Es wird nicht alles erklärt. Läuten die seltsamen Töne die Apokalypse ein oder sind sie nur Einbildung, gibt es eine naturwissenschaftlich-logische Erklärung oder bleibt uns das Rätsel. Bringt der Lokomotivführer die Chance zu einem neuen Anfang oder ist auch er nur ein Traum, eine Phantasie? Und was genau ist passiert an dem Tag, über den niemand sprechen will.
Ich finde, dieser Roman um Menschen, die sich mehr oder weniger mit Absicht aus dem Zeitgeschehen zurückgezogen haben und jetzt in mehrfacher Hinsicht aus der Zeit gefallen sind – in ihrer eigenbrötlerischen Lebensweise, ihrer Abkapselung von der Gesellschaft, aber auch psychisch in ihrer Verwirrtheit und ihrem Gedächtnisverlust – wirft auch ein erstaunliches Bild auf unsere aktuelle Situation. Wie gehen wir mit dem Alleinsein um? Mit der Erosion unseres festgefahrenen Weltbildes? Mit unserem romantisierenden, vermenschlichenden Naturverständnis? Und unserer gleichzeitigen Tendenz, das zu zerstören, was wir vorgeben zu lieben? Wie reagieren wir auf die Gefahr, auf die wir nicht vorbereitet sind, obwohl (oder weil?) wir doch alles zu wissen glauben und uns durch den wahren Glauben, die eigene Stärke oder besondere Kenntnisse eigentlich geschützt wähnen? Sagt uns zumindest unser Bauchgefühl. Die Suche nach dem Ort, an dem wir alle menschliche Unbill einfach vergessen können, damit endlich alles vorbei ist – wer versteht das nicht.
„Aber sie sind sich ihrer Sache sicher, wie Esther. Meine drei Tischgenossen haben alle Rätsel gelöst. Egal, was man ihnen erzählt, sie nicken immer nur eifrig, und du wirst deine Geschichte nicht los, weil sie sie schon kennen, schlimmer noch, sie wissen darüber Bescheid, weil sie über alles Bescheid wissen. Sie haben den Durchblick, Lokführer. Ich bin hier allein mit meinen Zweifeln.“
(Seite 308)
Aber das sind meine Fragen und Gedanken beim Lesen dieses Romans. Es ist an jedem Leser, mit welcher Gewissheit oder Interpretation er aus dem Buch geht. Ich empfehle es sehr.
Diese Worte findet man oft als Einleitung für Märchen – uns dienen sie nun als Titel einer Ausstellung. Ab heute könnt ihr diese Ausstellung, in der es 111 historische Märchenbücher aus den Jahren 1800 bis 1950 zu bestaunen gibt, besuchen. Die Bücher stammen aus einer Schenkung des Bielefelders Heinrich Hartmut Stippich. Der ehemalige Schuleiter sowie Kinderbuchsammler schenkte der Stadtbibliothek Bielefeld bereits 2019 rund 13.000 Kinderbücher und erweiterte die Schenkung nun um den Märchenbuchbestand.
Die Ausstellung bereiten wir in Zusammenarbeit mit Heinrich Stippich nun schon seit Sommer 2020 vor. Eine lange Zeit, aber eigentlich sollte die Ausstellung auch schon im Dezember letzten Jahres starten, musste wegen des Lockdowns jedoch verschoben werden. Auch in diesem Jahr klappt nicht alles wie geplant, aber mittlerweile sind wir ja alle krisenerprobt: Die geplante Ausstellungseröffnung heute muss aufgrund der aktuellen Coronamaßnahmen der Stadt entfallen – aber die Ausstellung gibt es trotzdem zu sehen! In der Not geht es auch ohne feierliche Eröffnung. 🙂
Auf der Ausstellungsfläche im 1. Obergeschoss liegen die Märchenbücher in ihren Vitrinen. Da finden sich verschiedenste Ausgaben von Grimms Märchen. Zum Beispiel eine erste Ausgabe des 3. Bandes, der die wichtigsten Anmerkungen zu den Märchen enthält. Interessant ist die Ausgabe auch, weil es sich um ein unbearbeitetes Werk handelt, in welchem die gefalteten Rohbögen nach dem Druck zusammengeheftet und in einem schlichten Kartoneinband ungeschnitten erschienen und so erhalten blieben. Damals war es üblich, dann einen Buchbinder damit zu beauftragen, die Blätter zu beschneiden und sie in einem Einband nach Wahl zu binden.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Hausmärchen: 3. Band. Berlin : Reimer, 1822
Zu finden sind in unserer Ausstellung auch Ausgaben von Hans Christian Andersens Märchen. Eine Ausgabe von 1839 trägt sogar eine handschriftliche Widmung Andersens an einen Herrn Otto Warnecke aus Braunschweig. Sie trägt als Datum den 06. September 1869. Bei der Ausgabe handelt es sich um die erste Übersetzung der Andersen-Märchen aus dem Dänischen in eine andere Sprache.
Das waren nur zwei Beispiele, welche Schätze es in der Ausstellung zu entdecken gibt. Darüber hinaus gibt es vieles mehr: Märchenbücher von Ludwig Bechstein oder Wilhelm Hauff, Russische Volksmärchen, Jüdische Märchen oder auch „Auswahl norwegischer Volksmärchen und Waldgeister-Sagen“.
Alle Bücher der Ausstellung sind in unserem Katalog verzeichnet. Ihr findet sie dort unter dem Interessenkreis „Märchen Sammlung Stippich„. Aufgrund des hohen Alters sind die Bücher nicht ausleihbar, können aber zur Einsicht im Lesesaal bestellt werden.
Gezeigt wird die Ausstellung bis zum 26. Februar 2022. Einen ausführlichen Einblick in die Ausstellung erhaltet ihr in unserer zugehörigen Broschüre:
Annette von Droste-Hülshoff hat unter der Überschrift „Der Säntis“ die vier Jahreszeiten lyrisch beschrieben. Hier die Strophen zum Herbst:
Der Säntis
Herbst
Wenn ich an einem schönen Tag
Der Mittagsstunde habe acht
Und lehne unter meinem Baum
So mitten in der Trauben Pracht;
Wenn die Zeitlose übers Tal
Den amethystnen Teppich webt,
Auf dem der letzte Schmetterling
So schillernd wie der frühste bebt:
Dann denk' ich wenig drüber nach,
Wie's nun verkümmert Tag für Tag,
Und kann mit halbverschlossnem Blick
Vom Lenze träumen und von Glück.
Du mit dem frischgefallnen Schnee,
Du tust mir in den Augen weh!
Willst uns den Winter schon bereiten?
Von Schlucht zu Schlucht sieht man ihn gleiten,
Und bald, bald wälzt er sich herab
Von dir, o Säntis! ödes Grab!
(Annette von Droste-Hülshoff, 1797-1848)
Bitte ein Gedicht – das ist Wunsch und Angebot zugleich. In unregelmäßigen Abständen möchten wir gerne zur Lyrik verführen und präsentieren einzelne Gedichte oder weisen auf besondere Lyrikbände aus unserem Bestand hin.