Mein erster Weltatlas war ein Atlas für Kinder, den ich mir gerne angeschaut habe. Daraus ergab sich als beliebtes Spiel am Abendbrottisch das Abfragen von Hauptstädten. Heute kommt auf Spielenachmittagen Deutschland– oder Europareise auf den Tisch. Ja, Weltreise kommt auch noch dran.
Karten bilden nicht nur physische oder politische Gegebenheiten ab. Die ICA (Internationale kartographische Vereinigung) definiert Karten als symbolische Darstellung der geographischen Realität mit ausgewählten Merkmalen, die der Kreativität des Kartographen unterliegen.
Geograph Simon Küstenmacher stellt in seinem Buch „Mad Maps“ (Standort in der Bibliothek: Allgemeines Aax Kueste) Karten zusammen, die zu einem großen Teil auf Datensammlungen basieren. In Kategorien wie Reisen, Tiere, Größenvergleiche und Geschichte beantwortet er Fragen wie der Reisedauer von London an verschiedene Orte weltweit in den Jahren 1914 und 2016. Oder: Wie lauten die wörtlichen Übersetzungen europäischer Länder? Wo gibt es wie viele giftige Tiere? Wohin kann man auswandern, falls das Tempolimit eingeführt wird? Und wo komme ich raus, wenn ich mich an Ort und Stelle durch die Erde zur anderen Seite durchgrabe?
In „100 Karten über Sprache“ (Standort: Sprache Oa Hund) erfährt man wo das Ende der Welt oder das mit deutlichem Abstand größte „Dorf“ liegt. Es gibt eine Auswahl an Wörtern, die aus anderen Sprachen ins Deutsche entlehnt bzw. in andere Sprachen übernommen wurden sowie Wörter, die sich gar nicht übersetzen lassen. In „Gute Karten“ (Standort: Geografie Cfk 2 Fische) konzentriert sich Tin Fischer auf Deutschland: Wo muss man wie lange zum nächsten Supermarkt oder Bushaltestelle laufen? Wie viele Autofahrten könnten eigentlich auch zu Fuß oder mit dem Rad erfolgen?

Atlanten sind nicht nur Sammlungen von Landkarten, sondern nach dem Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) ebenso eine „Sammlung von Bildtafeln aus einem Wissensgebiet“. Im Bereich Geographie ist das zum Beispiel der „Atlas Obscura“. Auf der Website www.atlasobscura.com wurden seit 2009 über 20.000 außergewöhnliche Orte weltweit gesammelt. Dabei soll es nicht um Sehenswürdigkeiten gehen, die in normalen Reiseführern zu finden sind. Viele dieser Ziele können besucht werden, andere sind nicht oder nur schwer zugänglich.
Das Buch „Atlas Obscura“ (Standort: Geografie Cal Foer) umfasst eine Auswahl dieser Orte. Da ist z.B. das Schneeschloss LumiLinna in Finnland, das jeden Dezember neu aufgebaut wird. Oder die natürlich entstandene Marmorkathedrale in Chile. In Thailand entstand ab 1984 ein Tempel aus 1,5 Millionen Bierflaschen – man wollte den Recyclinggedanken stärken. In Südafrika ist das Bier – oder auch ein anderes Getränk – dagegen noch trinkbar: in einer Bar, die in einen Baumstamm eingearbeitet wurde. Die Vorstellung jedes Ortes nimmt ½ bis 1 Seite ein. Jeder Beitrag ist mit einem Bild, Koordinatenangaben sowie einer Lagebeschreibung und Informationen zur Zugänglichkeit versehen.
Die Ausgabe für Kinder mit gleichem Titel (Standort Kinderbibliothek: Erde Thur) ist auf 100 Orte weltweit beschränkt und damit etwas handlicher. Es geht nach Island, wo man wie bei Jules Verne in einen Vulkan herabfahren kann (man muss aber nicht durch den Mittelpunkt der Erde wieder raus) oder nach Peru, wo es die letzte erhaltene Inka-Grasbrücke gibt. Auf den Philippinen kann man Schokoladenhügel sehen – leider heißen sie nur so. Das Buch ist ganzseitig illustriert und beginnt als Abenteuerreise mit Hinweisen zur Ausrüstung und weiteren Tipps für Entdecker.

Historische Karten
Planen Sie einen Urlaub auf Bermeja (bei Yucatan) oder Sandy Island (zwischen Australien und Neukaledonien)? Nein? Gut! Sie würden nasse Füße bekommen. Beide Inseln existieren nicht und haben nie existiert – was erst Jahre nach Einführung von Google Maps auffiel. Wie aber sind diese Inseln auf Land- und Weltkarten gekommen?
Der „Atlas der erfundenen Orte“ (Standort: Geografie Cal Broo) von Edward Brooke-Hitching enthält etwa 50 Inseln, die nicht existieren, aber lange auf Karten zu finden waren. Manche Inseln waren Irrtümer, andere wiederum Erfindungen. Die vier- bis sechsseitigen Beiträge sind mit Karten und Fotos versehen. Etwas ausführlicher befasst sich Malachy Tallack in dem Buch „Von Inseln, die keiner je fand“ (Standort: Geografie Cbl Tall) mit dem Thema. In schön illustrierten Kapiteln von ‚Inseln des Lebens und des Todes‘ und ‚Aufbruch‘ bis hin zu ‚Widerrufene Entdeckungen‘ nimmt Tallack den Leser mit auf eine Zeitreise.
Das Buch beginnt mit Inseln wie den elysischen Gefilden aus Homers Odysseus oder Tír na nÓg. Sie existierten auch zu ihrer Zeit nur in der Vorstellung der Menschen. Mit zunehmender Seefahrt werden neue Inseln entdeckt, aber auch Irrtümer landen auf Weltkarten. Manche werden schon zu ihrer Zeit angezweifelt. 330 v. Chr. berichtet Pytheas von einer Insel Thule, die sechs Tage nördlich von Britannien liegen sollte. Sein nur aus Zitaten bekanntes Werk wurde bereits damals angezweifelt. Man konnte sich nicht vorstellen, dass soweit nördlich Menschen leben sollten.

Literarische Karten
Nicht fehlen dürfen an dieser Stelle Karten aus der Literatur. Hier begegnen uns sowohl real existierende Orte, als auch fiktive Welten. Die Karten entstehen beim Lesen oder werden vom Autor zur Verfügung gestellt. Angefangen bei der Schatzkarte von Robert L. Stevenson, bis hin zu Tolkiens Mittelerde oder Pratchetts Scheibenwelt.
Das Buch „Verrückt nach Karten“ (Standort: Geografie Cck Verr), herausgegeben von Huw Lewis-Jones, befasst sich mit der Faszination, die Landkarten ausüben. Der Band enthält Texte verschiedener Autoren in den Kategorien Täuschend echt, literarische Karten, Karten erstellen und Karten lesen. Die Beiträge sind mit zum Teil ganzseitigen Karten versehen. Auch wenn das Buch sehr umfangreich ist, lässt es sich gut lesen.
In der Kategorie ‚Karten erstellen‘ kommen unter anderem die Illustratorin der Karte des Rumtreibers aus Harry Potter, Miraphora Mina, oder Daniel Reeve, der Mittelerde zeichnete, zu Wort. Man erfährt aber auch etwas über real existierende Karten, wie der Weltkarte von Ebstorf, welche von Nonnen aus dem dort ansässigen Kloster gefertigt wurde und die umfangreichste Karte im Mittelalter war. Oder von Phyllis Pearsall, die einer von ihr nicht bestätigten Legende zufolge 3000 Meilen und 23.000 Londoner Straßen abgelaufen sein soll, um einen aktuellen Londoner Stadtplan mit Register zu erstellen.

An reale Schauplätze führt uns Sarah Baxter im „Atlas der literarischen Orte“ (Standort: Literaturwissenschaft Pal Baxt). Auf jeweils vier bis sechs Seiten nimmt sie den Leser mit auf einen Spaziergang an 25 Orte der Literatur. Darunter London zu Zeiten von Dickens Oliver Twist, der Mississippi, auf dem Huckleberry Finn und Jim ihre Abenteuer erlebten oder die Moore von Yorkshire (Bronte: Sturmhöhe). Die Texte sind gut zu lesen und mit sehr schönen ganz- oder doppelseitigen Illustrationen versehen.
Judith Schalansky geht im „Atlas der abgelegenen Inseln“ (Standort: Geografie Cdn Schala) den umgekehrten Weg. Einleitend erzählt sie vom Aufwachsen in der DDR und dem wachsenden Interesse für Atlanten und Geographie. Noch heute gibt es Inseln, die schwer zugänglich sind oder in der Vergangenheit als Wohnort aufgegeben wurden. Schalansky nimmt sich 50 dieser Inseln nach Erdteilen geordnet vor und verfasst zu jeder Insel eine kurze Erzählung. Ganzseitig sind alle Inseln in einem einheitlichen Maßstab abgebildet. Ebenfalls werden die Entfernungen zu den nächsten Inseln oder zum Festland angegeben.
Ein Reiseführer an phantastische Orte wie Hogwarts oder Narnia ist der „Atlas literarischer Orte“ (Standort: Literaturwissenschaft Pal Oliv) von Cris F. Oliver. Jeder Ort ist mit ganzseitigen Karten und Hinweisen z. B. zur Anreise oder Sehenswürdigkeiten versehen. Natürlich gibt es auch weitere Hinweise wie die zu probierenden Süßigkeiten in Harry Potter. Manche Orte sind natürlich nicht ungefährlich. So wie Panem oder der Vulkan, der zum Mittelpunkt der Erde führt. Wenn man das ein oder andere Buch gelesen hat, fühlt man sich durch die Beschreibungen sofort in die Welt des Erzählten versetzt. Wenn nicht, dann möchte man jetzt das ein oder andere Buch lesen.
Juliane
Großartige Zusammenstellung und Vorstellung der „atlantischen“ Bücher – vielen Dank dafür! Ich habe bisher nur „Verrückt nach Karten“, aber mir so einige andere von Deiner Liste hier auf meinen Merkzettel gepackt. Ausleihen kann ich bei Euch ja nicht, ich wohn ja ganz woanders und folge nur virtuell…. 🙂
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Gerne 🙂 Du könntest mal gucken, ob wir das Buch in der Onleihe haben. Dann kannst du dir einen Jahresausweis bei uns erstellen lassen (geht alles per Mail, egal wo du wohnst) und dann Bücher über den Ebook-Reader, Tablet oder PC lesen. Auf unserer Startseite (www.stadtbibliothek-bielefeld.de) gibt es den Button zur Onleihe. Da könntest du erstmal stöbern wenn du magst. 🙂
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