Vulkanausbruch 1815

Als 1815 der Tambora in Indonesien ausbrach, hatte das weltweit katastrophale Folgen. Doch erst in den letzten Jahren hat die Wissenschaft diese Zusammenhänge erkannt. Heute erscheinen die Ereignisse wie ein Menetekel auf die großen Themen unserer Zeit: globale Auswirkungen auf das Weltklima, ungewöhnlich viele Wetterextreme und Naturkatastrophen, Migrationsbewegungen, Epidemien, sogar eine Pandemie, Preissteigerungen bei Lebensmitteln, Wirtschaftskrisen, Kriege … . Kommt da was bekannt vor?

  • Für einige Jahre nach dem gewaltigen Vulkanausbruch am Äquator geriet überall auf der Welt das Klima durcheinander; das führte in vielen Regionen zu Extremwetterlagen wie Starkregen, Hagel, Überflutungen, anderswo zu Dürren oder zu Kälteeinbrüchen, ja, sogar Schnee im Sommer, das berüchtigte „Jahr ohne Sommer“ .
  • Eine besonders schwere Cholera-Epidemie breitete sich entlang der Handels- und Migrationswege über mehrere Kontinente aus und wurde zur Pandemie. In einigen Ländern gab es auch Typhus- und Pest-Epidemien.
  • Missernten, Hungersnöte, Seuchen führten zu Revolten, Kriegen und neuen Auswanderungswellen.
  • Aber es gab auch bemerkenswerte wissenschaftliche und technische Innovationen, die wahrscheinlich durch die Not inspiriert waren, z. B. die systematische Wetterbeobachtung und Auswertung der Wetterdaten oder die Schaffung von Abwasserkanalsystemen in den Metropolen Europas (Vorbild war London, wo der Mediziner John Snow einen Zusammenhang zwischen der Cholera-Epidemie und der Vermischung von Trink- mit Abwasser nachweisen konnte).

Der (wahrscheinlich) größte Vulkanausbruch in geschichtlicher Zeit bewirkte, dass die durchschnittliche globale Oberflächentemperatur kurzzeitig um etwa 0,4 bis 0,8 Grad Celsius sank. Das erscheint doch gar nicht viel, und das Klima erholte sich immerhin schon nach wenigen Jahren. Trotzdem waren die Auswirkungen so einschneidend.

Sachbücher "Vulkanwinter 1816 : die Welt im Schatten des Tambora" von Gillen D'Arcy Wood und "Tambora und das Jahr ohne Sommer: wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte" von Wolfgang Behringer

Wer mehr darüber wissen möchte, dem empfehle ich das informative Sachbuch „Vulkanwinter 1816 : die Welt im Schatten des Tambora“ von Gillen D’Arcy Wood. Es ist allgemeinverständlich geschrieben; wirklich spannend werden die teils überraschenden Zusammenhänge für Ökologie, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur geschildert und die sensible Abhängigkeit der menschlichen Zivilisationen von stabilen Klimaverhältnissen aufgezeigt. Die globalen und auch langfristigen Folgen der immerhin recht kurzen Klimakrise um 1816 erschrecken – nicht zuletzt angesichts der globalen Klimaerwärmung in unserer Zeit.

Auch der Historiker Wolfgang Behringer stellt in seinem Buch „Tambora und das Jahr ohne Sommer: wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte“ anschaulich und fundiert dar, wie die durch den Vulkanausbruch bewirkte Klimakatastrophe weltweit politische und soziale Krisen auslöste.

Ein interessanter Radiobeitrag des BR von Dagmar Röhrlich „Der Ausbruch des Tambora – der Vulkan, der den Winter brachte“ erzählt kurz zusammengefasst vom Ausbruch und seinen Folgen: die Katastrophe für die Menschen rund um den Tambora, die weltweiten Folgen und die Frage, was ein ähnlicher Ausbruch heute bedeuten würde. (Audio ca. 22 Min.)

Roman "Mary Shelleys Zimmer: als 1816 ein Vulkan die Welt verdunkelte" Von Timo Feldhaus. Das Buch steht auf einem Regal, im Hintergrund ist an einer Wand der Schriftzug "AUSLEIHEN" zu lesen und hinter einer Glasscheibe, in der sich Lichter spiegeln, sitzen Menschen.

Auch einige kulturelle Höhepunkte werden letztlich dem Tambora-Ausbruch zugeschrieben:

  • Eine Gruppe von jungen Schriftsteller*innen saß wegen des schlechten Wetters in der Schweiz fest und vertrieb sich die Zeit u.a. mit Schauergeschichten. Lord Byron schrieb Gedichte, sein Leibarzt, der Schriftsteller John W. Polidori verfasste die erste Vampir-Geschichte der Weltliteratur „The Vampyre“ und Mary Shelley (geb. Godwin) erfand mit „Frankenstein“ gleich ein neues Genre: Science Fiction. (Markus Hofmann schrieb dazu in der NZZ „Wie die Explosion des Tambora die Weltliteratur beflügelt“ .) Eine Biografie über Mary Shelley findet Ihr hier.
  • Die Landschaftsbilder z. B. von William Turner und Caspar David Friedrich sind geprägt von den außergewöhnlichen Sonnenuntergängen und der diesigen Atmosphäre jener Jahre, wie wir heute wissen eine Folge des Vulkanstaubs und der Aerosole, die sich nach dem riesigen Vulkanausbruch rund um den Erdball verteilt hatten und erstaunlich lange in höheren Atmosphärenschichten blieben.

Der 2022 erschienene Roman „Mary Shelleys Zimmer“ von Timo Feldhaus hat gerade diesen ungewöhnlichen Einfluss auf die europäische Kultur zum Thema und erzählt die unkonventionelle Liebesgeschichte der Mary Godwin zu dem Dichter Percy Bysshe Shelley.

Der Leiter des Stadtarchivs Dr. Jochen Rath erzählt in einem zitat- und quellenreichen Blog-Artikel über die konkreten Auswirkungen in Ostwestfalen und die Not in Bielefeld: „August 1816: Achtzehnhundertunderfroren – Das Jahr ohne Sommer im Kreis Bielefeld“.


Bildband "Vulkane" von Olivier Grunewald und Jacques-Marie Bardintzeff und Sachbuch "Das Jahr ohne Sommer: die großen Vulkanausbrüche der Menschheitsgeschichte und ihre Folgen" von Jelle Zeilinga de Boer und Donald Theodore Sanders

Wenn Ihr mehr über Vulkane allgemein erfahren wollt, hier eine Empfehlungsliste zu Kindersachbüchern, populär-wissenschaftlichen Erklärungen, Bildbänden und einem wissenschaftlichen Standardwerk:

  • Kindersachbücher über Vulkane findet Ihr in der Kinderbibliothek am Neumarkt in der Gruppe „Erde“, in den Stadtteilbibliotheken im Regal „Natur“ oder „Erdkunde“. Eine Liste aus unserem Katalog mit Büchern und CDs haben wir für Euch hier.
  • Das Sachbuch von Jelle Zeilinga de Boer und Donald Theodore Sanders „Das Jahr ohne Sommer : die grossen Vulkanausbrüche der Menschheitsgeschichte und ihre Folgen“ hat auch ein Kapitel über den Tambora-Ausbruch; es beginnt mit dem bronzezeitlichen Ausbruch des Thera (auf der Insel, die heute Santorin heißt) und dem recht gut dokumentierten Vesuvausbruch im Jahre 79, weitere Themen sind z. B. die gewaltige Explosion des Krakatau 1883, der Vulkanismus auf Island und den Hawaii-Inseln und der Ausbruch des Mount St. Helens 1980, dessen Stärke und Zerstörungskraft selbst die Geologen vor Ort überrascht hat.
  • Der Bildband „Vulkane“ von Olivier Grunewald und Jacques-Marie Bardintzeff zeigt großformatige, spektakuläre Fotos von Vulkanen, heißen Quellen, Geysiren und den von ihnen geprägten Landschaften.
  • Kompaktes Wissen über „Erdbeben und Vulkane“ findet Ihr in dem gleichnamigen Buch von Rolf Schick.
  • Noch immer das deutschsprachige Standardwerk ist die ausführliche Einführung „Vulkanismus“ des renommierten Vulkanologen Hans-Ulrich Schmincke: mit vielen Fotos und erklärenden Grafiken.
Sachbücher "Vulkanismus" von Hans-Ulrich Schmincke und "Erdbeben und Vulkane" von Rolf Schick

Viel Freude beim Stöbern und Lesen.
HilDa

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