Auf Fernwanderschaft

Eine Reise zu sich selbst, unvergessliche Blicke in die Natur, scheinbar unüberwindbare Hindernisse – in der letzten Zeit haben mich verschiedene Wanderberichte mit auf die Reise genommen. Ich gehe selbst unheimlich gerne spazieren und wandern und habe mich schon immer von jeglicher Art von Wald- und Wanderweg wie magisch angezogen gefühlt. Auch literarisch begebe ich mich immer wieder gerne auf Wanderschaft. In letzter Zeit habe ich einige Bücher gelesen und gehört, in denen sich die unterschiedlichsten Menschen auf Fernwanderschaft begeben haben. So eine weite Wanderung habe ich bisher noch nicht unternommen, umso spannender ist es, in die Reisen, Geschichten und Schicksale anderer einzutauchen. Einige dieser Reiseberichte möchte ich euch heute empfehlen.

Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg

Zu Hape Kerkelings Reise auf dem Jakobsweg kehre ich immer wieder gerne zurück, seit ich vor einigen Jahren das erste Mal das Hörbuch gehört habe. Gelesen vom Autor selbst fand ich Hapes Geschichte, der sich 2001 nach einem Hörsturz eine berufliche Auszeit nehmen muss und sich schließlich aufmacht den Jakobsweg zu wandern, schon immer faszinierend und berührend, humorvoll und einfach rundum sympathisch. Hape trifft auf allerhand kuriose Pilger, erlebt Verzweiflung und Einsamkeit genauso wie Hilfsbereitschaft und Freundschaft.

Raynor Winn: Der Salzpfad

Raynor und ihr Mann Moth stehen vor dem Aus. Sie haben ihr Haus verloren, ihre Ersparnisse, die Farm, die sie seit Jahren ihr Zuhause genannt haben. Sie könnten bei Freunden unterkommen wollen aber auch niemandes Gastfreundschaft ausnutzen. Und so führt sie ihr Weg schließlich auf den South West Coast Path, einen rund 1000 km langen Küstenweg in England, der sie von Somerset über Devon und Cornwall nach Dorset führt. Nur das Nötigste haben sie dabei, ein Zelt und das knappe Budget von 50 € pro Woche. Das Wandern ist für sie ein Ausweg aus der Obdachlosigkeit schließlich haben sie ja ein Zeltdach über dem Kopf. Und doch bleibt genau das immer ein Thema für sie.

Cheryl Strayed: Der große Trip

Cheryl Strayed bezeichnet sich selbst als die Frau mit dem Loch im Herzen. Sie ist 26 Jahre alt, ihre Mutter verstarb vor ein paar Jahren, ihre Ehe ist gerade mit einer Scheidung zu Ende gegangen als sie sich aufmacht den Pacific Crest Trail zu wandern. Ein US-amerikanischer Fernwanderweg, der von der Grenze in Mexiko durch die drei Bundesstaaten Kalifornien, Oregon und Washington bis zur kanadischen Grenze verläuft. Und Cheryl läuft nun einen Teil dieses Weges, mit einem Zelt im Gepäck und einem riesigen Ungetüm von Rucksack, den sie das Monster nennt, auf dem Rücken. Bei ihrer Wanderung trifft sie auf viel Hilfsbereitschaft, Schwarzbären und Klapperschlangen, Hitze und Kälte und findet dabei zu sich selbst zurück.

Christine Thürmer: Laufen. Essen. Schlafen.

Und auch im nächsten Buch geht es auf den Pacific Crest Trail. Bei Christine Thürmer ist es eine Kündigung, die den Anstoß zu der Wanderung gibt. Jetzt hat die erfolgreiche Geschäftsfrau schließlich mal Zeit für sich selbst. Auch wenn die Dialoge zum Teil etwas holprig geschrieben sind, haben mir doch vor allem die Beschreibungen der Trails gefallen. Genau, Trails in der Mehrzahl. Nach dem Pacific Crest Trail findet Christine Thürmer zwar schnell einen tollen neuen Job als Geschäftsführerin, doch eigentlich zieht es sie zurück in die Natur, zurück auf einen Wanderpfad. Und so findet sie sich schließlich auch auf den beiden anderen großen Trails der USA wieder – dem Continental Divide Trail und dem Appalachian Trail.

Die verschiedensten Menschen haben sich hier auf die unterschiedlichsten Wege gemacht und doch scheinen sie am Ende alle am selben Ziel angelangt zu sein: bei sich selbst. In ihren Bücher lassen sie uns an diesen Reisen teilhaben und geben uns dabei gleichzeitig inspirierende Erkenntnisse über das Leben mit. Da möchte man sich gleich selbst die Wanderschuhe schnappen und sich aufmachen zu unbekannten Pfaden.

Gro

Schiff ahoi!

Wir schreiben das Jahr 2019. Endlich haben wir mal wieder einen Urlaub gebucht. Der erste mit Kind. Eine Mini-Kreuzfahrt soll es werden.

Wir schreiben das Jahr 2020. Wir stornieren den Urlaub. Wegen der C-Sache.

Wir schreiben das Jahr 2023. Wir buchen den ersten Urlaub seit der C-Sache. Der erste mit zwei Kindern.

Dann vor Ostern heißt es: „Leinen los!“ 🙂 Unser erstes Abenteuer auf See wartet auf uns, Eine Mini-Kreuzfahrt nach Holland und England. Das große Kind hat schon Wochen vorher darauf bestanden, sich fast jeden Abend den Schiffsrundgang bei Youtube anzuschauen. Dann kann ja nichts mehr schief gehen. 😉

Gestartet sind wir in Hamburg mit der „AidaLuna“. Aus der „Aida“-Serie ist das ein kleineres Exemplar, für die paar Tage aber vollkommen ausreichend. Das Wetter war kühl, windig und regnerisch, aber trotzdem haben wir gleich draußen das Schiff erkundet. Für die Kinder hatte ich neben Regenhosen tatsächlich die Schneehosen eingepackt, das war keine schlechte Entscheidung. Und auch wir Erwachsenen waren mit Winterjacke und Mütze gut gewappnet.

Es sind ja immer alle Leute am Essen interessiert, daher hier kurz die Restaurant-Situation: Es gibt Büffet-Restaurants („Marktrestaurant“ und „Weite Welt-Restaurant“), à la Carte- Restaurants, eine Sushi-Bar, ein Steakhaus und ein Edelrestaurant. Wir haben in den Büffet-Restaurants immer einen Platz bekommen, man sollte sich allerdings rechtzeitig anstellen. Ich hätte gern die Pizza in der Pizzeria probiert, allerdings war es dort immer so voll, dass man mindestens eine halbe Stunde warten musste. Und das ging mit den Kindern nicht. Übrigens schlossen die beiden Racker in „unserem“ Büffet-Restaurant schnell Freundschaft mit den netten Bediensteten. Toll war die „Almhütte“. Wie der Name schon sagt, konnte man dort Leberkäse, Käsespätzle und Co. bekommen. Geschmeckt hat es uns überall.

Unser erster Stopp hieß Ijmuiden. Das ist ein Ort an der niederländischen Küste und eigentlich kommt man mit dem Bus gut nach Amsterdam. Das hatten wir auch vor, ich hatte sogar eine Karte für die Vermeer-Ausstellung im Rijksmuseum. Leider leider betrug unsere Fahrtzeit anstelle von 40 Minuten fast 2 Stunden. Eine Baustelle mit Umleitungen und Stau war die Ursache. In Amsterdam sind wir dann gar nicht mehr ausgestiegen, was sollten wir in den verbliebenen 20 Minuten denn machen? Deshalb an dieser Stelle wirklich NULL Bilder aus Amsterdam geschweige denn Eindrücke von der ausverkauften Ausstellung… Die Rückfahrt betrug dann die angekündigten 40 Minuten. Wir waren alle sehr verärgert, diese große Baustelle war bestimmt nicht erst seit einem Tag da und das Busunternehmen war ein niederländisches. Die hätten es eigentlich besser wissen müssen. Umleitungen waren schließlich ausgeschildert. Der Tag endete dann auch noch mit Seegang, mir ging es beim Abendessen leider nur halbwegs gut und ich entwickelte ein mittleres Grauen vor der Nacht. Aber Seeluft macht müde und ich bin sehr schnell eingeschlafen und nix ist passiert. 🙂

Am nächsten Morgen erwachten wir in Dover. Einen besseren Blick aus der Kabine hätte man sich nicht wünschen können! 🙂 Nach dem Drama am Vortag waren wir sehr froh, keine Transfers oder Ausflüge gebucht zu haben. Wir marschierten selber in die Stadt, unser Ziel war Dover Castle. Das kleine Kind schlief im Buggy und der große bekam seine erste Burg zu sehen und entwickelte ein großes Interesse an dem alten Leuchtturm und überhaupt an alten Gemäuern. Begleitet vom englischen Nieselregen erkundeten wir das riesige Gelände und waren erstaunt, dass es so leer war… wir hatten quasi alles für uns. Ab und an hat man mal ein paar Menschen getroffen, aber viele waren es nicht. Selbst unser Buggy stand im „Buggy Park“ einsam und verlassen da. Einmal wartete ich auf den Rest meiner Familie, schaute abwechselnd auf ein Gebäude auf dem Gelände und auf meinen Plan- da schritt ein älterer Angestellter auf mich zu und fragte mich lächelnd „Are you lost?“ Scheinbar sah ich wohl verloren und planlos aus, ich fand es toll das er mir helfen wollte.

Mittags stiefelten wir den Berg wieder hinunter und es gab ein standesgemäßes Mittagessen bei einer bekannten Burgerkette. ;-). Die Innenstadt von Dover ist nicht erwähnenswert. Also auf zum Kiesstrand. Dort konnten die Kinder Steine sortieren und wir konnten unseren Füßen eine kleine Pause gönnen. Wenn ihr auf die einzelnen Fotos klickt, könnt ihr die inklusive Bildunterschrift ansehen.

Und dann hatten wir nur noch den Seetag vor uns. Hui, war das vormittags windig! Auf Deck konnten wir nicht gut spazieren gehen, die oberen Bereiche waren sogar geschlossen. Aber die Sonne schien und verbreitete trotzdem gute Laune. Also erkundeten wir einfach nochmal das Schiff. Mein Mann übernahm das Kinderhüten im KidsClub, so hatte ich auch mal die Gelegenheit mich irgendwo mit meinem Buch hinzusetzen und ein paar Seiten zu lesen. Nachmittags konnten wir zum Glück nach draußen. Bei schönstem Sonnenschein entspannten wir ein bisschen auf dem Pooldeck. Abends gab es dann eine Show, in der Musicalhits zum besten gegeben wurden. Dem Großen war es zu laut, der wollte woanders hin aber der kleine Kerl war sehr fasziniert. Also blieb ich eine Weile mit ihm auf dem Arm dort – wir schlossen übrigens wieder Freundschaft mit einem weiteren Angestellten… In der Kabine angekommen stellten wir fest, dass wir den Rest der Show über den Fernseher verfolgen konnten. Also wurden an diesem Abend die Zähne vor dem Fernseher geputzt. 😉

Am nächsten Tag begrüßte uns Hamburg dann mit Sonnenschein. Ein letztes Mal frühstücken und dann ging es auch schon wieder an Land und in Richtung Heimat. Ein gelungener Kurzurlaub (Wenn ich nicht an Amsterdam denke). 😉

kwk

Auf den Spuren Roms in Trier

Mein Interesse am alten Rom wurde vor allem durch die große Sammlung Asterix-Comics meines Vaters geweckt. Später im Lateinunterricht baute meine Lehrerin neben dem üblichen Stoff noch weitere Themen zum Leben im alten Rom mit ein. Und dann war da noch die Varusschlacht oder der Ausbruch des Vesuv, der Pompeji und Herculaneum zerstörte.

Das im Jahr 17 v. Chr. von den Römern gegründete Augusta Treverorum war ab 286 Kaiseresidenz. Hier wurde von Juni bis November 2022 die Landesausstellung „Der Untergang des römischen Reiches“ gezeigt. Drei Museen hatten dabei unterschiedliche Schwerpunkte.

Das rheinische Landesmuseum fokussierte sich dabei auf die Zeit ab dem 4. Jhd. und zeigt verschiedene Faktoren auf, die zum Untergang führten sowie was verloren ging oder fortbestehen konnte. Diese wahrscheinlich wichtigste Ausstellung habe ich mir nicht bis zum Schluss ansehen können. Das Konzept sah vor, dass sich die Räume immer weiter verdunkelten, wie bei einem Sonnenuntergang. Ich habe mich zwar auf den Audioguide beschränkt, aber die passenden Nummern und Exponate muss man auch erstmal finden.

Im Museum am Dom wurde der Einfluss des Christentums in der Übergangszeit deutlich. Mit dem Audioguide konnte man eine Trierer Bürgerin und einen römischen Besucher durch Trier begleiten. Jeder Raum bildete dabei eine andere Station im römischen Trier. Diese Ausstellung hat mir am besten gefallen. Sie war gut strukturiert, und die Menge an Informationen gut aufzunehmen. Das Stadtmuseum Simeonstift widmete sich schließlich der Verarbeitung des Untergangs des römischen Reiches und dessen Mythisierung in Kunst und Kultur. Was führte nun zum Untergang? Die Historiker sind sich da nicht einig, es war ein Prozess mit vielen Faktoren. Einen guten Podcast zum Thema gibt es im SWR. Weiterführende Literatur zum Thema Rom steht im Bereich Egl 2.

Aber nicht nur die Ausstellung war interessant. Trier selbst ist mit seinen erhaltenen Bauten aus der Römerzeit ebenfalls sehenswert. So auch die Zugfahrt, die ab Koblenz an der Mosel entlangführt. Man sollte allerdings darauf achten, in Fahrtrichtung links zu sitzen, um einen freien Blick auf den Fluss zu haben.

Am Ziel angekommen: wie betritt man eine Stadt? Natürlich durch ein Tor. Von ursprünglich vier Stadttoren ist nur eines erhalten. Wir gehen also durch die Porta Nigra, die zur Römerzeit wahrscheinlich Porta Martis (Marstor) genannt wurde und heute der Zugang zur Altstadt ist.

Das ab 170 n. Chr. gebaute UNESCO-Welterbe ist das am besten erhaltene römische Stadttor nördlich der Alpen. Die übrigen drei Trierer Stadttore sind nicht erhalten. Anfang des 11. Jhd. lebte der Wandermönch Simeon – angeblich eingemauert – als Einsiedler im Ostturm. Nach dessen Tod wurde die Porta Nigra zur Kirche umgebaut. Zu sehen ist davon nur noch der Ostchor. Unter Napoleon wurde die Kirche zurückgebaut und der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt. Im zur Kirche gehörenden Simeonstift ist heute das Stadtmuseum Simeonstift untergebracht.

Weiter geht es durch die Altstadt Richtung Dom und Liebfrauenkirche. Der Dom, gebaut ab dem Jahr 340 als wesentlich größere Kirchenanlage, ist die älteste Kirche Deutschlands – nicht aber das älteste als Kirche genutzte Bauwerk. Dazu gleich mehr. Mehrfach umgebaut und nach Zerstörungen wieder aufgebaut vereint der Dom verschiedene Baustile. Ein ursprünglicher Teil ist aber noch zu sehen, wenn man links am Dom vorbei durch die Windstraße Richtung Museum am Dom geht.

Direkt neben dem Dom steht die – laut einer Inschrift – ab 1227 gebaute Liebfrauenkirche. Sie ist neben der Marburger Elisabethkirche die älteste gotische Kirche Deutschlands. Beide Städte behaupten von sich, die jeweils ältere zu haben.

Auf dem Weg zur Therme kommen wir am ältesten als Kirche genutztem Gebäude vorbei: Der Konstantinbasilika. Um das Jahr 310 wurde mit dem Bau begonnen, sie war aber nie als Kirche gedacht, sondern als Palastaula. Ab dem 17. Jhd. wurde sie in das kurfürstliche Palais integriert und erst ab 1844 zur Kirche umgebaut. Seitdem wird sie von der evangelischen Kirche genutzt. Durch den Palastgarten erreicht man schließlich die Kaiserthermen.

Die Kaiserthermen wurden ab dem 3. Jhd. als Teil des Palastbezirks gebaut, aber nie fertig gestellt. Die geplante Fläche umfasste 36250m², etwa 5 Fußballfelder. Nach einem Baustopp wurden sie im 4. Jhd. zur Kaserne umgebaut, später zur Burg. Sehr gut kann man die römische Bauweise erkennen. Zu sehen war davon im alten Rom nichts, die Wände wurden verputzt. Größer, sind die Barbarathermen. Sie stammen aus dem 2. Jhd. und hatten eine Fläche von 6 Fußballfeldern. Während die Bediengänge in der Kaisertherme begehbar sind, sind die Ausgrabungen hier nur von einem Steg zu sehen.

Natürlich gibt es noch einiges mehr zu sehen, wie das Amphitheater oder die Viehmarktthermen. Die Altstadt ist ebenfalls sehenswert. Unterhalb von Dom und Konstantinbasilika gibt es noch weitere Ausgrabungen von Vorgängerbauten, die im Rahmen einer Führung besichtigt werden können. Diese habe ich nicht mitgenommen, neben den Museumsbesuchen wäre das etwas viel an Input gewesen. Vielleicht beim nächsten Mal. Reiseführer zu Trier sind hier zu finden.

Juliane

Ausflug zum Wasserstraßenkreuz Minden

Von Bielefeld nach Minden kommt man bequem mit dem Zug, zum Beispiel mit der Regionalbahn RE 6 ist es eine Fahrt von 30 Minuten zwischen den beiden Hauptbahnhöfen. Allein die Weser und die Mindener Altstadt sind schon einen Ausflug wert. Aber die Hauptattraktionen am Ort sind die alte Schachtschleuse, die neue Weserschleuse daneben und das Wasserstraßenkreuz mit den Trogbrücken des Mittellandkanals über den Fluß und das ganze Wesertal. Es sind zwei Brücken, denn die Alte Kanalbrücke ist 1998 durch eine neue ergänzt worden – breiter und tiefer. Die Binnenschifffahrt mit ihren Großmotorgüterschiffen läuft seitdem ausschließlich darüber. Sportboote und Privatschiffe schippern über die alte Brücke von 1915.

Schachtschleuse, Obertor, vom Wasser aus fotografiert
Schachtschleuse in Minden, Einfahrt vom Mittellandkanal aus
(Foto: Aeggy bei der deutschen Wikipedia, CC BY-SA 2.0 de)

Auch die alte Schachtschleuse – erbaut 1911 bis 1914, grundsaniert 1988/89, die technischen Einbauten wurden 1993 erneuert – ist funktionsfähig und wird noch eingesetzt. Die ganz großen Lastschiffe können mit der neuen Weserschleuse zum Mittellandkanal hoch oder heruntergefahren werden. Sie wurde im August 2017 nach sieben Jahren Bauzeit eröffnet.

Das Ausflugsboot, auf dem man eine Fahrt buchen kann, benutzt beide Schleusen je nach dem, welche gerade Platz für eine Mitfahrt beim Schleusengang bietet. Wir waren im Herbst zum Betriebsausflug dort und hatten das Glück, dass wir für die Schleusung hinauf zum Mittellandkanal die neue und für den Schleusengang wieder hinunter zur Weser die alte Schachtschleuse befahren konnten. Ebenso wie die alte Kanalbrücke steht sie seit 1987 unter Denkmalschutz, ein Industriedenkmal aus wilhelminischer Zeit, das einen Besuch lohnt. #FürEuchGetestet 🤓

Wie eine Schleusung abläuft und mehr über Bau und Geschichte der Anlagen findet Ihr in den verlinkten Wikipedia-Artikeln ausführlich beschrieben. Was es sonst noch in Minden und rund um die Schleuse zu besichtigen gibt, findet Ihr hier.
Die Festschrift 100 Jahre Wasserstraßenkreuz / Schachtschleuse von 2014 mit Texten und vielen Illustrationen und Grafiken könnt Ihr in der Landesgeschichtlichen Bibliothek des Stadtarchivs ausleihen.

Unser Betriebsausflug im Herbst war eine Einladung und die „Abschlussvorstellung“ unserer Direktorin Frau Dr. Bartlakowski, die seit Oktober die Professur für Bibliothekspolitik und Community Building an der TH Köln innehat. Wir sagen Dank und wünschen auch an dieser Stelle noch einmal viel Glück und Erfolg mit der neuen Aufgabe.

HilDa

Ergänzende Empfehlung der Kollegin Juliane: Viele interessante Informationen bietet auch der Bildband „Der Mittellandkanal“ von Bernd Ellerbrock.

Zu Besuch bei Heinrich Heine

Hausfront mit Stuckverzierungen; 3 Fenster im 1. Obergeschoss sind verhangen mit Tafeln, auf denen der Text des Loreley-Gedichtes von Heine steht

Heinrich Heine ist hier nicht zum ersten Mal Thema im Blog (z. B. hier über eines seiner schönsten Gedichte); es wird wohl niemanden überraschen, wenn ich ihn einen Lieblingsdichter nenne. Im Dezember 2022 war sein 225. Geburtstag. Da war es doch naheliegend, ihn auch einmal persönlich zu besuchen. Naja, nicht wirklich natürlich. Ich war dienstlich in Düsseldorf, seiner Geburtsstadt. Sein Elternhaus, in dem er geboren und aufgewachsen ist, existiert allerdings nicht mehr. Aber es gibt ein Heinrich-Heine-Institut mit einem Museum. Und dort bin ich ihm so nah gekommen, wie das eben nach 200 Jahren so geht.

Marmor-Büste von Heinrich Heine

Die Dauerausstellung zeigt dem Besucher das Leben und das Umfeld des umtriebigen Dichters mit Einrichtungsgegenständen und Accessoires aus seiner Zeit sowie persönlichen Dingen aus dem Besitz des Schriftstellers. Das ist dann kombiniert mit übersichtlichen Texttafeln, Filmen und interaktiven Elementen. Ihr könnt ja schon mal digital einen 3D-Rundgang machen. Ich fühlte mich jedenfalls hineinversetzt in die Zeit der Romantik und des Biedermeier – wenn nicht vor dem Haus Autos über das Pflaster gerollt wären statt herrschaftlicher Kutschen oder rumpelnder Pferdekarren auf dem Weg zum Markt. Nun ja, ich passte mit Jeans und Bluse natürlich auch nicht in diese Vergangenheit. 😉

Herrn Heine hat das nicht gestört, er hing da so rum und war beschäftigt 😆

Metall-Skulptur: Heinrich Heine sitzend mit einem Manuskript in der Hand. Die Skulptur ist an einer Außenwand montiert, so als säße der Dichter auf dem Fenstersims mit frei baumelnden Füßen

Ich wollte vor allem die zurzeit laufende Sonderausstellung sehen: Bilder zu Leben und Werk Heines gezeichnet und gemalt vom Künstlerpaar Gaby von Borstel und Peter Eickmeyer. Es sind Arbeiten für eine Graphic Novel, die im Frühjahr im Splitter-Verlag erscheinen soll. Die Bilder und Gemälde machen neugierig auf die Buchveröffentlichung, die wir sicher anschaffen werden (ich habe gute Kontakte zur zuständigen Lektorin 😉 ).

Wenn Ihr auch in nächster Zeit mal nach Düsseldorf kommt, kann ich das kleine Museum und seine aktuelle Ausstellung sehr empfehlen; die Sonderausstellung „Heinrich Heine. Lebensfahrt – Eine Graphic Novel zum 225. Geburtstag“ ist dort noch bis zum 30. April 2023 zu sehen.

HilDa

Titelbild "Heinrich Heine: Begleitheft zur Ausstellung Heinrich Heine - Lebensfahrt. Eine Graphic Novel zum 225. Geburtstag, 26. November 2022 bis 23. April 2023. Landeshauptstadt Düsseldorf, Heinrich-Heine-Institut"
Begleitheft zur Sonderausstellung, eine Broschüre mit den Bildern der Ausstellung und ausführlichen Anmerkungen

Unterwegs im Bremer Schnoor

Wer kennt es nicht – zumindest vom Hörensagen: Das Schnoorviertel in Bremen.

Kleine Häuschen, enge Gassen… – ein wahrer Besuchermagnet. Bei unserem letzten Besuch in der Hansestadt wollte ich unbedingt den Schnoor aufsuchen, gibt es doch dort einen für mich interessanten Laden. Los ging es also. Um kurz vor zehn waren wir da, aber erstaunlicherweise nicht viele andere Touristen. „Wie schön“, dachte ich mir. Um dann festzustellen, dass die meisten Geschäfte dort erst um elf Uhr ihre Türchen öffnen. Okay, genug Zeit, um „meinen“ Laden zu suchen, hatten wir ja dann. Herrlich war es, ohne Menschenmassen durch die kleinen Straßen zu schlendern. Leider gab es den gesuchten Laden nicht mehr. Nach kurzem Schmollen meinerseits machte ich das Beste draus und genoss einfach die Atmosphäre. Ich versuchte, mir die Häuser genauer anzusehen und zu fotografieren. Kind Nr. 1 fand es sehr witzig, das Viertel zu erkunden und so hatte ich ein halbes Auge auf die Häuser und der Rest verfolgte das Kind. Welches natürlich zielstrebig in die „Bremer Bonbonmanufaktur“ wanderte. Zweimal. 😉

Woher kommt eigentlich der Name „Schnoor“? Das ist das niederdeutsche Wort für „Schnur“ und meint wohl die wie auf einer Schnur aufgezogenen, aneinander gereihten Häuser. Im 13. Jahrhundert wurde das Viertel erstmals schriftlich erwähnt, dort wohnten in dieser Zeit hauptsächlich Fischer, Handwerker und Gewerbetreibende. Bis heute hat eine Bausubstanz aus dem 14. Jahrhundert überdauert. Aus dieser Zeit stammt auch die Kirche St. Johann, sie gehörte zu einem Franziskanerkloster, welches am Rand des Schnoorviertels lag. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich der Schnoor allerdings zum Armenviertel – ein Grund war, dass Autos die Schmalen Gassen nicht passieren konnten. Auch heute sind die Straßen dort autofrei, mittlerweile wird das aber nicht mehr als Nachteil empfunden, sondern lädt geradezu zum Flanieren auf dem altertümlichen Kopfsteinpflaster ein.

Hier einfach mal ein paar Impressionen 🙂 :

kwk

Besuch der Bibliotheken in Köln-Kalk und Düsseldorf

Für den 19.07.2022 war ein Besuch der 2018 umgebauten Stadtteilbibliothek Köln-Kalk, sowie der neuen Düsseldorfer Stadtbibliothek geplant. Der Tag versprach mit über 30 Grad warm zu werden – im nicht weit entfernten Duisburg wurde wohl die höchste Temperatur gemessen. Aber es war ein interessanter Tag, an dem wir zwei schöne, aber ganz unterschiedliche Bibliotheken besichtigt haben.

Stadtteilbibliothek Köln-Kalk

Die im September 2018 neu eröffnete Stadtteilbibliothek Köln-Kalk wurde zusammen mit dem niederländischen Architekten Aat Vos gestaltet, der sich auf Bibliotheksdesign spezialisiert hat. Zudem wurden über Umfragen die Bedürfnisse der Nutzer*innen abgefragt. Entstanden ist ein sogenannter „Dritter Ort“, der zum entspannten Lesen, Lernen und Arbeiten einlädt sowie Raum für verschiedene Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche bietet.

Moment – was bitte ist ein „Dritter Ort“? Das Konzept stammt aus der Soziologie und wurde erstmals 1989 von Ray Oldenburg vorgestellt – wenn auch nicht auf Bibliotheken bezogen. Der „Erste Ort“ ist demnach die eigene Wohnung, der „Zweite Ort“ der Arbeitsplatz und „Dritte Orte“ für jede*n zugängliche Orte, an denen man sich treffen und austauschen kann, dies aber nicht zwingend muss.

Die Besichtigung fand während des Open-Library-Betriebs statt, die Räumlichkeiten wurden auf eigene Faust erkundet. Verschiedene Bereiche sind Räumen einer Wohnung nachempfunden. Die Regale dienen hierbei als Raumtrenner. Es gibt ein ‚Wohnzimmer‘ mit einer Sofaecke, die so auch bei den Großeltern stehen könnte, ein ‚Kinderzimmer‘ mit einem großen Stoffhasen zum Spielen oder als Sitzmöglichkeit zum Lesen, sowie eine ‚Küche‘ mit großem Tisch.

Als Regalbeschriftung dienen Schreibtafeln, die natürlich auch flexibel einsetzbar und gestaltbar sind. So sind LÜK-Hefte mit „nicht LÜK-los in die Schule“ beschriftet oder Bücher thematisch zusammengestellt, wie Skandinavien-Krimis unter „Morden im Norden“. Viele verschiedene Sitzmöglichkeiten laden zum Lesen, Lernen oder einfach zum Aufhalten ein. Auffällig sind auch die vielen Pflanzen – manche echt, manche nicht – und Deko, die man eigentlich nicht in einer Bibliothek erwarten würde.

Im Obergeschoss ist der Makerspace untergebracht. Außerdem ist hier viel Platz zum Lernen oder für Brettspiele. Führungen und regelmäßige Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche finden hier ebenfalls statt.

Zentralbibliothek Düsseldorf im KAP1

Im November 2021 zog die Zentralbibliothek nach zweijähriger Bauzeit in die neuen Räume am Konrad-Adenauer-Platz 1 – daher auch die Abkürzung KAP1 – direkt am Bahnhofsvorplatz. Vor Umbau und Umzug holte man sich zum einen Inspirationen aus anderen Bibliotheken, zum anderen wurden Umfragen durchgeführt. An der Planung wurden auch Personen beteiligt, die die Bibliothek gar nicht nutzten, aber dennoch gute Ideen einbringen konnten.  

Die Bibliothek nutzt das zweite und dritte Obergeschoss im KAP1 und ist in zwei große Bereiche aufgeteilt: im 2. OG befindet sich das ‚Herz‘ und ein Café, im oberen Geschoss das ‚Hirn‘ und ein Bibliotheksgarten. Im Café wird auf Nachhaltigkeit und möglichst wenig Abfall geachtet. So gibt es keine Einweg-To-Go-Becher.

An der Aufteilung erkennt man bereits: im ‚Hirn‘ sind Sachbücher und Lernräume untergebracht. Hier ist eine ruhige Atmosphäre. Im ‚Herzen‘ gibt es ebenfalls Arbeitsplätze, hier kann es aber lauter sein. Neben Romanen, AV-Medien, Zeitschriften, Saatgutbibliothek und einer Bibliothek der Dinge befinden sich hier auch das LibraryLab, Jugendbibliothek und Kinderbibliothek. Diese drei Bereiche sind durch Glaswände von der übrigen Bibliothek abgetrennt. So bleiben sie einsehbar, in der Jugendbibliothek kann aber gelernt werden, während es in der Kinderbibliothek etwas lauter sein kann.

Bibliothek der Dinge? LibraryLab? Aus einer Bibliothek der Dinge können Gegenstände entliehen werden, die man eher selten benutzt oder für den einmaligen Gebrauch anschaffen würde. Zentralbibliothek und Zweigstellen decken dabei verschiedene Bereiche ab. Im KAP1 sind das Technik, Musik und Gaming. Hier kann man sich z.B. ein Energiekostenmessgerät oder eine Ukulele ausleihen. Eine Zweigstelle legt den Schwerpunkt auf Outdoor mit Nachtsichtgerät oder Hängematte. Im LibraryLab können unter anderem 3D-Drucker genutzt, VR-Brillen ausprobiert oder eigene Projekte verwirklicht werden. Gaming findet hier ebenfalls statt.

Die Regale sind so hoch wie hier in Bielefeld am Neumarkt, allerdings wird hier mit verschiedenen hellen Farben gearbeitet: im ‚Hirn‘ sind verschiedene Bereiche so auch optisch voneinander abgegrenzt. Im ‚Herz‘ beschränkt sich das Farbspiel nicht nur auf die Regale: die Belletristik steht auf einem hellen Grün, eingerahmt in beigen „Wegen“. So entsteht der Eindruck, man ginge durch einen Park. In der Kinderbibliothek gibt es ähnliche Farbspiele und passend dazu eine Brücke über den Rhein.

Es gibt sehr viele unterschiedliche Sitz- und Arbeitsmöglichkeiten. Im Krimibereich sogar mit Agatha-Christie-Kamin. Bei schönem Wetter lädt der kleine Dachgarten zum Verweilen ein. Sehr gut gefallen hat uns die große Regalbeschriftung, wie man auf einem der Fotos sehen kann. Auch sind z.B. Ausleih- oder Kassenautomat nicht mit ‚Ausleihe‘ oder ‚Kasse‘ beschriftet, sondern mit ‚ausleihen‘ oder ‚bezahlen‘.

Wir haben zwei sehr unterschiedliche aber schöne Bibliotheken besichtigt. Köln-Kalk hat dabei einen sehr wohnlichen Charakter mit seinen nachempfundenen Wohnräumen. Die Zentralbibliothek Düsseldorf bietet ebenfalls sehr viel Raum zum Lernen, Aufhalten oder für Veranstaltungen und ist hell und einladend gestaltet. Eine Zweigstelle ist dabei natürlich nicht mit einer Hauptstelle vergleichbar. Aber vielleicht geht es das nächste Mal in die Zentralbibliothek Köln, die ab 2023 umgebaut wird – wie in Köln-Kalk ist hier Aat Vos beteiligt. Aber das dauert eben noch ein bisschen.

Juliane

Warum in die Ferne schweifen …

… wenn das Gute liegt so nah 🙂 Nach zwei Corona-Jahren mit eingeschränktem Reiseradius wollten wir mal wieder etwas Auslandsluft schnuppern und mussten dafür nicht weit reisen, denn unser Nachbarland Niederlande ist ja quasi „ums Eck“. Und es hat uns einmal mehr begeistert, das „Land des Wassers“ mit seinen vielen Wasserwegen: eine Landschaft aus Gräben, Kanälen, Teichen, Seen, Flüssen, Poldern und Deichen. Wenn ich jeden Tag aufs Wasser schauen könnte, wäre ich bestimmt auch so entspannt und gelassen wie die Holländer es sind. 🙂

Ein Augenschmaus sind auch die vielen Mühlen und die wunderschönen Hansestädte mit ihren historischen Stadtkernen und charmanten Häfen: Leiden, Gouda, Hoorn, Delft, Deventer – um nur einige zu nennen.

Und wer kennt sie nicht, die holländischen Mitbringsel mit den lustigen Namen: Hagelslag (Schokostreusel), Pindakaas (Erdnussbutter), Klompen (Holzschuhe), oder den Verzehr von Poffertjes, Stroopwaffels, Kaas und Kibbelingen.

Für Fahrradbegeisterte ist Holland ein Paradies – „Fietspads“ so weit das Auge reicht. Von dem ausgeklügelten Radwegenetz sind wir hier zwar noch einiges entfernt, aber immerhin haben wir uns schon das Knotenpunktsystem (Fietsknooppunten) von den Nachbarn abgeguckt … jetzt fehlen nur noch ein paar km mehr Radwege. 🙂

Etwas gewöhnungsbedürftig ist, dass auf den dortigen Radwegen auch „Bromfietsen“ fahren dürfen, also Mopeds und Roller. Die Holländer sind auf ihren Rädern im Übrigen recht flott unterwegs, ob mit oder ohne E-Antrieb – trotzdem sind Fahrradhelme dort Fehlanzeige. Da die Radfahrer mindestens gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer sind und es zudem so viele von ihnen gibt, hat das Fahrrad einen anderen Stellenwert als bei uns.

Holland ist übrigens nur ein Teil der Niederlande: es besteht aus den Provinzen Nordholland und Südholland (welche größtenteils unterhalb des Meeresspiegels liegen). Korrekt heißt das ganze Land daher Niederlande, aber der Name Holland hat sich eingebürgert und wird auch gerne von den Niederländern selbst benutzt.

Auch wer statt Natur eher Kultur schätzt, ist hier richtig: eine lange Geschichte, historische Städte, berühmte Maler und eine vielfältige Museumslandschaft – auch das sind die Niederlande.

Unser Nachbarland ist so nah und so schön, und es muss auch kein einwöchiger Urlaub sein – ein Wochenende reicht schon, um in eine kleine andere Welt einzutauchen: z.B. im Dörfchen Giethoorn, das als „Venedig des Nordens“ bekannt ist, oder im Advent in Deventer einen besonderen Weihnachtsmarkt erleben, das „Charles-Dickens-Festival“.

Qu

Stippvisite nach nebenan: Stadtbibliothek Paderborn

Es ist gute alte Tradition: Wenn Bibliotheksmitarbeiterinnen irgendwo im Urlaub sind, besuchen sie die örtliche Bibliothek! Nun, ich war nicht sehr exotisch unterwegs, ich war in Paderborn – meine Heimatstadt. Eigentlich erstaunlich, ja, unverzeihlich, dass ich hier nicht schon früher mal über die Paderborner Stadtbibliothek geschrieben habe, schließlich ist sie Bibliothek des Jahres 2021 (ein Zeitungsbericht hier)!

Ich erinnere mich noch gut an das Gebäude der alten Domdechanei, als es nur eine Ruine war. Einmal stand die stählerne Baustellentür offen und ich konnte einen Blick ins Innere werfen: ein großer, über mehrere Stockwerke entkernter Raum, dunkel und verrußt; irgendjemand erzählte, da würden Ratten hausen. Und Gespenster. Brrr, der Bau war der kleinen HilDa unheimlich.

Doch dann wurde renoviert und hinter die barocke Fassade zog eine moderne Stadtbibliothek mit ungewöhnlich offenem Raumkonzept. Endlich hatte auch Paderborn eine Stadtbibliothek, das war Ende der 70er. Bis dahin gab es ein katholisches Medienzentrum, durchaus auch gut, aber mit anderer Funktion (das Medienzentrum gibt es übrigens immer noch; davon vielleicht ein anderes Mal mehr, ich bin ja öfter in Paderborn 😉 ).

Die Vorderseite eines barocken Gebäudes, weiß verputzt und mit Sandsteinumfassungen um Fenster und Eingangstür; über der Tür ein Wappen

Anfang 1984 durfte ich die Stadtbibliothek in einem sechswöchigen Praktikum während meines Studiums näher kennenlernen – nach einem ersten Semester, bei dem mir doch Zweifel an meiner Berufswahl gekommen waren. Das Praktikum half mir aber und überzeugte mich: Ja, ich wollte Bibliothekarin werden und dann in genau so einer Öffentlichen Bibliothek und vor allem in so einem tollen Team arbeiten. (Nun, mein Wunsch hat sich erfüllt, allerdings einige Kilometer entfernt in einer anderen Stadt namens Bielefeld – aber das ist eine andere Geschichte.☺️)

Seitdem ist schon wieder viel Zeit vergangen, die Bibliothek hat sich verändert, erhielt zusätzliche Räumlichkeiten, übernahm neue Aufgaben und erweiterte ihre Angebote und den Service. Vor einiger Zeit wurde auch die Zentralbibliothek erneut umgebaut, ein neues Raumkonzept und neue Inneneinrichtung. Auch das Bibliotheksteam hat sich natürlich verändert in den letzten fast 40 Jahren, aber offensichtlich ist es noch immer großartig – anders kann man nicht Bibliothek des Jahres werden!

Ein Gewässer im Vordergrund, dahinter eine Bruchsteinmauer, efeubewachsene Bäume ohne Laub. Durch die Bäume sieht man die barocke Fassade eines zweigeschossigen Gebäudes. Im Hintergrund der markante Turm des Paderborner Doms.

Wenn Ihr also mal Paderborn besucht, empfehle ich auch einen Besuch in und um die Zentralbibliothek. Die liegt sowieso mitten im Zentrum der Altstadt, im Schatten von Dom und Kaiserpfalz, umrahmt von einigen Paderarmen und deren Quelltöpfen. Eine der schönsten Ecken von Paderborn: direkt nebenan die Fachwerkhäuser an der Dielenpader und der Geißelsche Garten als kleines Inselwäldchen mitten in der Stadt. Das schönste Fachwerkhausensemble Paderborns ist nur eine Straße weiter: das Adam-und-Eva-Haus, daneben der „Erzengel“, gegenüber das Deelenhaus (ein Kultur- und Veranstaltungsraum mit besonderer Atmosphäre). Leider sieht das Adam-und-Eva-Haus zurzeit so aus:

Gerüst mit Plane verhüllt komplett eine Hausfassade

Aber die gute Nachricht – und da sind wir wieder bei der Stadtbibliothek – nach Restaurierung und Umbau wird hier eine neue Zweigstelle eröffnet. Nur wenige Schritte neben der Zentrale? Ungewöhnlich. Aber das denkmalgeschützte Dechanei-Gebäude kann nun mal nicht einfach erweitert werden – doch die Stadtbibliothek erweitert ihre Angebote. Zu den Plänen und dem neuen Konzept findet Ihr hier etwas.

Ganz egal, ob Ihr Euch für die Bibliothek und ihren Service interessiert, für die restaurierten Gebäude oder die Innenarchitektur oder ob Ihr „nur“ die Altstadt und die schönen Ecken von Paderborn erkunden wollt, das alles ist jedenfalls sehenswert. Wenn Ihr Gelegenheit habt, schaut mal rein. Zurzeit entsteht da noch mehr Neues und Interessantes. Nun, Stillstand gibt es für eine Bibliothek des Jahres natürlich nicht.

Falls jetzt jemand den Eindruck haben sollte, dass ich stolz auf die preisgekrönte Stadtbibliothek meiner Heimatstadt bin – ja, stimmt, isso. Der Preis ist verdient! Noch mal Gratulation an die Kolleginnen und Kollegen in Paderborn.🏆

HilDa

LWL-Freilichtmuseum Detmold

Jeder hier in der Region kennt wahrscheinlich das Freilichtmuseum, zumindest dem Namen nach. Und fast alle, die in den letzten Jahrzehnten in OWL zur Schule gegangen sind, haben mindestens einmal einen Ausflug nach Detmold gemacht. Also ich schon, das muss irgendwann in den 70ern gewesen sein. Oha, das war also schon vor mehr als 40 Jahren! Offen gesagt, ich habe keine konkreten Erinnerungen an diesen Schulausflug mehr.

Damals stand das Freilichtmuseum wohl noch in den Anfängen, es feiert nämlich in diesem Jahr sein 50jähriges Bestehen. Unser Betriebsausflug im September erlaubte es mir, meine Erinnerungen aufzufrischen. Immerhin bin ich auch in einem alten Fachwerkhaus aufgewachsen und habe die Ferien meist auf dem Bauernhof von Freunden verbracht, da ploppten viele Kindheitserinnerungen bei mir auf – allein schon beim Duft des Heus in einem Schober.

Großer Bauernhof aus vorindustrieller Zeit, Rückansicht

Wenn Bibliotheksleute einen Betriebsausflug machen, gehört Kultur und Wissen mit ins Programm – beides ist in einem Museum ja auch gegeben. Wir hatten eine Führung, genauer, wir teilten uns in drei Gruppen, jede Gruppe zog in eine andere Richtung und hatte einen anderen Schwerpunkt. Bei uns ging es um das großbäuerliche Leben lange vor der Industrialisierung. Auf dem ersten Blick erinnerten der schön restaurierte Hof und der herrliche Bauerngarten an die märchenhafte Vorstellung von der „guten alten Zeit“. Doch selbst auf einem reichen Hof war das Leben hart. Für den Bauern und seine Familie gab es immerhin einen abgetrennten Wohntrakt, der zumindest etwas Privatsphäre bot. Die Mägde und Knechte schliefen beim Vieh, weit weg von der einzigen Feuerstelle. Fast alle Arbeiten mussten im Freien verrichtet werden, nicht nur die Feldarbeit. Im Haus war es meist zu dunkel, also musste möglichst das Tageslicht draußen genutzt werden – zu jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter. Das galt auch für ganz alltägliche Verrichtungen. Kein fließend Wasser im Haus, nur der Brunnen draußen. Das Wasser, das z. B. für die Große Wäsche gebraucht wurde, musste aufwändig auf der offenen Herdstelle im Haus erhitzt und nach draußen geschleppt werden, bei der benötigten Menge erforderte das allein schon strategische Planung. Die Große Wäsche nahm mindestens einen ganzen Tag ein, an dem alle mit anpacken mussten. Natürlich brauchte es auch einen Tag mit sonnigem, warmem Wetter zum Trocknen und Bleichen. Für uns überraschend war, dass der Aufwand für die Große Wäsche nur einmal im Jahr gemacht wurde (kleinere Waschtage gab es etwas öfter).

Herdstelle im Bauernhaus
Backhaus mit Brunnen

Der große Ofen im Backhaus wurde nur alle zwei Wochen angeheizt, auch das ein aufwändiges Verfahren, das viel Holz kostete und viel Arbeit. Da musste die Hitze auch optimal ausgelastet werden: Verschiedene Backwaren wurden vorbereitet, damit der Ofen bis zum letzten Flecken beladen werden konnte, sobald er auf Temperatur war; zuerst alles, was kurze, große Hitze benötigt, dann die Backwaren, die im langsam wieder erkaltenden Ofen länger garen müssen, ohne dass sie verbrennen dürfen. Um die Ofenhitze und Fläche optimal auszunutzen, bedurfte es guter Planung und Vorbereitung. Und mit dem frisch Gebackenen, den verschiedenen Broten, Pasteten, Kleingebäcken und evtl. auch Kuchen musste man nun mindestens zwei Wochen auskommen und alle auf dem Hof einschließlich möglicher Gäste versorgen.

Die gute alte Zeit. Die meisten Menschen auf dem Lande lebten damals als Knechte, Mägde oder gar nur als Tagelöhner, abhängig vom Wohl und Wehe des Bauern, und der wiederum abhängig vom Wetter. Dürre oder zu viel Regen, Extremwetter oder eine andere Naturkatastrophe konnten für alle Not, Hunger, Tod bringen. Wer keine Arbeit mehr fand oder sein Land verlor, musste fortziehen: in eine andere Region als Tagelöhner oder später als Arbeiter in die Industriestädte; man ließ sich anwerben vom Militär oder fuhr zur See; oder man wanderte aus. Wenn nur die Männer fortzogen, blieben Frauen und Kinder zurück mit der Hoffnung, dass sie nachgeholt würden, sobald der Mann ein neues Leben aufgebaut hat. Nicht selten meldeten sich die Männer aber nie wieder, vielleicht weil sie es leider nicht geschafft hatten, manche aber auch, weil sie ihr neues Leben lieber unabhängig und frei oder mit einer neuen Familie gestalten wollten. Jaja, die gute alte Zeit: hohe Kindersterblichkeit (die wenigsten überlebten das Kleinkindalter, die Geburtensterblichkeit war enorm hoch – und Schwangerschaft und Geburt waren auch das größte Risiko für die Frauen), harte Arbeit schon von Kindesbeinen an, prekäre Arbeitsverhältnisse, keine Absicherung bei Krankheit oder Alter. Nun ja, die wenigsten wurden alt! Nein, ich glaube nicht, dass wir uns in diese „gute alte Zeit“ zurückwünschen.

Bauerngarten mit Fachwerkhaus
Bürgerhaus im Paderborner Dorf
Eingang zum Laden

Im Freilichtmuseum gibt es noch mehr zu sehen als alte Bauernhäuser. Im „Paderborner Dorf“ haben wir uns im Restaurant zum Mittagessen getroffen. Dort gibt es auch alte Bürgerhäuser, einen Kaufladen („Kolonialwarenladen“) und Handwerkswerkstätten zu besichtigen. Auch hier lohnt ein Blick hinter die Fassaden.

Tischlerei-Werkstatt im Paderborner Dorf

Besonders beliebt war die Bäckerei, fast jeder hat sich dort mit einem frischen Brot eingedeckt. Ich hatte passend zur Jahreszeit ein Apfelbrot, schmeckte zum Frühstück wunderbar einfach nur mit Butter bestrichen oder auch mit einem herzhaften Belag.

Das Wetter war leider nicht so gut: Kurze, kräftige Schauer gingen in typisch westfälischen Landregen über. Nicht so einladend für ausgedehnte Spaziergänge über das weitläufige Gelände. 😒 Aber so bleibt beim nächsten Besuch noch etwas zu entdecken; ich werde nicht wieder 40 Jahre damit warten, aber mir einen sonnigen Tag aussuchen, bei dem ich dann mehr über die alten Kulturpflanzen und Haustierarten erfahren möchte, die auf dem Gelände und in den Gärten gepflegt werden.

Das Museum bietet verschiedene Workshops an, vor Ort, aber auch einiges online. Und es gab ein Jubiläumsprogramm. Man kann aber auch einfach spazieren gehen und nach schönen Fotomotiven suchen.

Und sich allein durch den Duft von Heu in die Kindheit zurückversetzen lassen.

Nun ja, jetzt ist die Saison aber beendet, das Freilichtmuseum öffnet erst ab April wieder. Wer schon für 2022 einen Ausflug in die westfälische Alltagskultur der Vergangenheit planen will, findet Informationen hier.

HilDa