Winterzeit ist Märchenzeit #10

Rotkäppchen: Variationen und Parodien

Rotkäppchen war unter den bekannten Grimm-Märchen das, welches ich als Kind am wenigsten mochte. Hatte mit Karneval zu tun – lange Geschichte. Aber nachdem ich jetzt ein kleines Büchlein mit vielen Rotkäppchen-Versionen und -Parodien gelesen habe, weiß ich auch das Original wieder zu schätzen. Wobei sich natürlich auch hier wieder die Frage stellt, was ist das Original? Die Grundmotive des Märchens gehen vielleicht sogar auf archaische Initiationsriten zurück.

Parodien kann man natürlich nur richtig genießen, wenn man auch deren Vorlage gut kennt. Uns sind die schriftlichen Fassungen der Brüder Grimm (KHM 26) vertraut, vielleicht noch deren wichtigstes Vorbild „Le petit chaperon rouge“ (1697) von Charles Perrault; der kannte in seiner Erzählung übrigens noch keinen Jäger und kein Happy End für Großmutter und Rotkäppchen.

Sachbuch "Die Geschichte vom Rotkäppchen: Ursprünge, Analysen, Parodien eines Märchens" von Hans Ritz

Das Buch von Hans Ritz „Die Geschichte vom Rotkäppchen: Ursprünge, Analysen, Parodien eines Märchens“ (Katalogdaten) ist schon etwas älter und wurde mehrfach neu aufgelegt und ergänzt, ein Standardwerk zum Thema. Es verweist auf Erzählungen, Gedichte oder Cartoons aus verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Stilen, mehrere Hundert Versionen soll es insgesamt geben.

Mir hat am Besten die Parodie von Joachim Ringelnatz gefallen, der einen alten griesgrämigen Seebären (Kuttel Daddeldu) das Märchen neu erzählen lässt; dabei gibt er der Großmutter die Hauptrolle. Die Oma frisst den Wolf, weil er ihr komisch kommt, und als das Rotkäppchen mit seinen dummen Fragen nervt, da … – ja, was stellt sie auch so dumme Fragen! Die Parodie eignet sich übrigens herrlich zum Vorlesen – allerdings nicht gerade für kleine Kinder; selbst einige ältere Damen und Herren waren eher irritiert, als amüsiert, als ihnen die Ringelnatz-Version vorgetragen wurde. Nun, darauf hatte ich es allerdings auch angelegt. 😉 Hier gibt es einen Link zu „Kuttel Daddeldu erzählt seinen Kindern das Märchen vom Rotkäppchen“ (1923).

Das Buchcover zeigt den Kopf eines zähnefletschenden Wolfes

Es gibt viele moderne Bücher, die das Rotkäppchen-Thema verwenden und neu interpretieren. Eines hatten wir hier schon mal als Vorlesetipp für Kinder, das Bilderbuch von Sebastian Meschenmoser „Rotkäppchen hat keine Lust“ (Katalogdaten); der Autor und Illustrator hat auch noch andere Märchen auf seine wunderbare Art adaptiert.

Zu Karen Duves modernen Erzählungen nach Grimms Märchen – „Grrrimm“ (Katalogdaten) – hatten wir hier auch schon einmal einen Beitrag. Eine der fünf bissigen Märchen-Neufassungen für Erwachsene setzt die Rotkäppchen-Geschichte um: als gruselige Werwolf-Erzählung.

Buch "Raubzüge durch die deutsche Literatur: Parodien" von Peter Wawerzinek

Der Schriftsteller Peter Wawerzinek hat regelmäßig verschiedene Kollegen und Kolleginnen von DADA bis Gegenwart parodiert, indem er in ihrem jeweiligen Stil das Märchen Rotkäppchen zu Lyrik oder Kurzprosa verarbeitet. Eine Auswahl ist in dem Band „Raubzüge durch die deutsche Literatur“ (Katalogdaten) wiedergegeben; um diese Satiren zu verstehen, muss man allerdings neben dem Märchen auch den Stil der parodierten Person kennen. Auf einer CD trägt der Autor und Vortragskünstler seine Parodien auch selbst vor: ein literarischer Spaß.

3 Manga-Taschenbücher "Crimson Wolf" von Seishi Kishimoto

Rotkäppchenparodien und -anspielungen finden wir überall, in der Werbung zum Beispiel – gerade weil schon wenige Andeutungen reichen, die von nahezu allen Konsumenten sofort erkannt werden. Und so ist Rotkäppchen auch ein beliebtes Motiv in Krimis und Thriller: Das Opfer trägt ein rotes Kleidungsstück, ist naiv und leichtsinnig, der Täter kommt als Verführer daher und mordet skrupellos, gerne als Serienkiller. Auch Fantasy-Literatur und Comic (im Foto 3 Bände der Manga-Reihe „Crimson Wolf“ von Seishi Kishimoto, Katalogdaten)greifen das Thema dankbar auf. Und Kinderfilme wie die „Shrek“-Reihe leben von Anspielungen auf bekannte Motive aus den Volkserzählungen und Kunstmärchen, u. a. eben auch auf Rotkäppchen.

Ihr findet in den Medien und nicht zuletzt auch in unserem Bestand bestimmt noch mehr Beispiele.

Viel Freude beim Stöbern und Entdecken.

HilDa

Die Märchenbuchausstellung wurde verlängert:
Noch bis zum 12. März könnt Ihr am Neumarkt Rotkäppchen und vielen anderen Märchen aus aller Welt nachspüren. Interessante Informationen gibt es gratis dazu:
In unserer Broschüre zur Ausstellung:

Zum 4. Advent … Winterzeit ist Märchenzeit #8

Märchenparodie als Vorleseempfehlung

Man muss die Originalerzählungen nicht kennen, um Spaß an den Märchen-Bilderbüchern von Sebastian Meschenmoser zu haben; aber noch witziger sind sie, wenn man den Gegensatz vom Volksmärchen zur neuen Parodie des originellen Künstlers, Illustrators und Kinderbuchautoren erkennt.

Rotkäppchen hat keine Lust

Beim Märchen vom Rotkäppchen kann man wohl zumindest bei den meisten Erwachsenen voraussetzen, dass es bekannt ist.
Sebastian Meschenmoser hat die Figuren Wolf, Großmutter und natürlich Rotkäppchen sowie einzelne Motive der Handlung genommen und daraus eine ganz andere Geschichte gemacht. Wolf will Rotkäppchen fressen und lauert dem Mädchen auf. Soweit so bekannt. Doch er trifft auf eine missmutige Göre, die zum Geburtstag der Großmutter gehen muss, aber eigentlich an diesem Sonntag etwas ganz anderes machen möchte. Ihre Geschenke sind lieblos, ihre Antworten patzig, ihre Laune sichtlich mies. Da hat der Wolf aber gute Ratschläge für viel passendere Mitbringsel und lädt sich auch gleich selbst als leutseligen Überraschungsgast mit ein – sehr zur Freude der Großmutter. Am Ende findet sogar das lustlose Rotkäppchen noch seinen Weg, aber alles so ganz anders als in dem bekannten Märchen.

Das Bilderbuch steckt voller Wort- und Bildwitz, eignet sich also nicht nur zum Vorlesen, sondern auch zu weiteren kleinen Entdeckungen. Wer will, kann das Ende noch weiterspinnen, denn was das Rotkäppchen von nun an macht, „das ist eine andere Geschichte“.
(Katalogdaten hier)

Ein populäres Märchen augenzwinkernd gegen den Strich erzählt. Wer Freude daran hat: Es gibt noch mehr dieser Art von Sebastian Meschenmoser – und er bleibt dabei in der Wolfsfamilie.

    • Die verflixten sieben Geißlein: Der Wolf will die 7 Geißlein fressen, doch das Haus der Ziege ist so unordentlich, dass er die Kleinen nicht finden kann. Also fängt er an, Ordnung in das wimmelige Durcheinander zu bringen. (Katalogdaten hier)
    • Vom Wolf, der auszog, das Fürchten zu lehren: Der Wolfsvater ist bitter enttäuscht von seinen Söhnen. Der erste hat sich mit einer alten Dame angefreundet, anstatt sie mitsamt dem Rotkäppchen aufzufressen und der zweite kam nicht einmal mit 7 jungen Geißlein zurecht. All seine Hoffnung liegt nun auf dem jüngsten Wolf, der voller Zuversicht auszieht, um das gefürchtetste Wesen im ganzen Wald zu werden. Das ist aber leider nicht so einfach wie gedacht. (Katalogdaten hier)

HilDa

Dornröschen reloaded

Dank zweier Kolleginnen fiel mir das Buch „Das letzte Dornröschen“ von Claudia Siegmann in die Hände. Es ist zwar ein Kinder-/Jugendbuch, aber das tat der Lesefreude keinen Abbruch.

Der Inhalt: Flora (genannt Flo) ist scheinbar eine Nachfahrin von Dornröschen. „Ja klar“, denkt sie sich, als sie die Neuigkeit erfährt. „Die spinnen doch alle“. Aber nein, nach und nach lernt sie immer mehr junge Menschen kennen, die von Märchenfiguren abstammen. Da ist die arrogante Neva aus dem Schneewittchen-Clan, das leicht verrückte Rapunzel Val und nicht zu vergessen: Herzbube Timus. Auch unangenehme Begegnungen bleiben nicht aus- die Zwillinge Hänsel und Gretel zum Beispiel sind ziemlich schlagfertig.

Aber was soll das alles? Sämtliche Nachfahren der Märchenfiguren müssen sich bei der Agentur ASGA (Auffinden und Sicherstellen von Gegenständen aller Art) melden. Sie alle haben verschiedene Gaben, die dem Auffinden besagter Gegenstände dienen. Wir sprechen hier von magisch vergifteten Gegenständen, die den normalen Menschen Flausen in den Kopf setzen. So hat ein Mann aus dem kleinen Städtchen, in dem die Geschichte spielt, im Süden der Stadt ein Königreich errichtet und die Bewohner (besser gesagt: Untertanen) haben ihm nun Steuern in Form von Gold zu entrichten. Neva eilt dorthin, um den vergifteten Gegenstand an sich zu nehmen und hat die verwirrte Flo im Schlepptau. Die Arme weiß noch gar nicht richtig, welche Gabe sie besitzt und was das Ganze eigentlich soll…

Ein herrliches, märchenhaftes Buch für Kinder ab 12 Jahren. (Und für alle großen Kinder- ich freue mich ehrlich gesagt schon darauf, wie es weiter geht. Das Ganze ist nämlich eine Trilogie 🙂 )

Schaut doch mal auf unseren Instagram-Account. Dort seht ihr das „Bookface“ zum Cover! 😉

 

 

 

kwk