Kennt ihr die GeoEpoche-Hefte? Ich habe eine Sammlung zuhause und lese sie immer wieder gerne durch. Diese Hefte behandeln immer ein geschichtliches Thema. In diesem Beitrag möchte ich euch ein bisschen mit in den Orient nehmen.
Die Seidenstraße. Was sind eure ersten Gedanken? Karawanen, 1001 Nacht, Orient und Okzident… Man schließt die Augen und sieht sie vor sich – die Kamele, voll beladen mit Seide, Gewürzen und anderen Luxusgütern. Menschen, zum Schutz gegen die Sonne verhüllt in Stoffbahnen, fremde Sprachen und Kulturen. Oasen dienen als Treff- und Rastplätze.

Natürlich denke auch ich so. Aber manchmal muss man eben wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. 😉 So auch hier. Habt ihr zum Beispiel an Marco Polo gedacht? Ich nicht. Und dass es eigentlich „Seidenstraßen“, also Plural, heißen müsste? Nö. Dann tauchen wir doch einfach mal hinein in die Geschichte dieses faszinierenden Handelswegs (oder eben der Handelswege, aber ich bleibe dem Titel der Zeitschrift treu).
Der Höfling Zhang Qian wird im Jahr 139 v. Chr. vom chinesischen Kaiser auf eine Mission geschickt. Er soll mit fremden Völkern Kontakt aufnehmen und natürlich Allianzen schmieden. Was der Kaiser nicht ahnt – Zhang Qian gelangt so weit nach Westen wie noch kein anderer Gesandter des Kaisers. Und das wird ihm später den Titel „Vater der Seidenstraße“ einbringen. Die Ära der Seidenstraße ist eingeläutet, denn infolgedessen ziehen immer mehr Gesandtschaften und Händler über die Ost-West-Routen.
Ich habe oben von „Straßen“ gesprochen. Denn es entstand ein Handels- und Kommunikationsnetz, welches nicht „den einen Pfad“ zwischen Ost und West nutzte. Durch politische Spannungen waren manche Wege nicht mehr zu bereisen, aber auch infolge von Sandstürmen, die Oasen austrocknen ließen und ganze Karawansereien unter Sand begruben, wurden zwangsläufig neue Routen erschlossen.
1274 erreicht Marco Polo mit seinem Vater und seinem Onkel die Sommerresidenz eines Enkels Dschingis Khans, der seit einigen Jahren Kaiser von China ist. Der später veröffentlichte Bericht dieser Reise verleitet europäische Schiffsführer dazu, nach einem Seeweg zu den Reichtümern Asiens zu suchen. Die Handelsfreiheit im Mongolenreich wecken das Geschäftsinteresse auswärtiger Kaufleute, wie Marco Polo. 1865 greifen Soldaten des russischen Zaren Taschkent an, die reichste und größte Stadt nordwestlich des Pamir. Bis zum Ende des Jahrhunderts nehmen die Truppen des Zaren das gesamte Gebiet vom kaspischen Meer bis zum Pamir ein. Afghanistan bleibt souverän als „Pufferstaat“ zwischen China, Russland und dem von London beherrschten Britisch-Indien im Süden.
1877 berichtet in Deutschland der Präsident der „Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin“, Ferdinand Freiherr von Richthofen, während einer Veranstaltung der Gesellschaft über die „zentralasiatischen Seidenstraßen“. Dieser Vortrag und dessen anschließende Veröffentlichung verbreiten den bis heute gebräuchlichen Namen dieses Kommunikations- und Handelsnetzes.
Im Jahr1893 tritt der Schwede Sven Hedin seine erste eigene Expeditionsreise in das Innere Zentralasien an. Er folgt unter anderem Berichten Einheimischer, die von im Sand versunkenen Orten erzählen. Tatsächlich entdeckt er Ruinen, die vom vergangenen Reichtum der Oasenstädte zeugen. Leider schrecken einige westliche Expeditionsleiter vor dem Raub von Kunstgegenständen und ganzen Bibliotheken nicht zurück. Die Revolutionen 1912 in China und 1917 in Russland lassen zum Beispiel im Emirat Buchara die Hoffnung aufkeimen, wieder unabhängig zu werden. Doch Russland zwingt das Gebiet in die Sowjetunion. Beijing stationiert seine Truppen in der Region Xin-jiang und unterdrückt dort bis heute die Autonomiebestrebungen der heimischen Uiguren. Durch den Zerfall der Sowjetunion entstehen mit Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgistan und Kasachstan wieder souveräne Staaten, auch wenn Russland und China weiterhin großen Einfluss ausüben.
Dann, 2013, verkündet Chinas Präsident die Erschaffung eine „neuen Seidenstraße“. Es entstehen neue Hafenanlagen und Eisenbahnverbindungen, Europa und Asien sollen wirtschaftlich stärker zusammenwachsen. Natürlich liegt es nahe, dass Präsident Xi ganz bewusst auf die Strahlkraft der legendären Handels- und Kommunikationsroute setzt – die Seidenstraße.
Ihr merkt, es ist ganz schön viel passiert. Ich kann sogar noch weiter ausholen: Menschen transportierten schon im 3. Jahrtausend v. Chr. Edelsteine aus dem Hindukusch nach Ägypten, vom Indus nach Siedlungen im heutigen Tadschikistan, aus dem Pamirbecken ins Kernland Chinas. Um 2000 v. Chr. ernähren sich Menschen unter anderem von Weizen, Hirse aus Ostasien sowie Milchprodukten und Weizen aus Westasien. Schon seit der Bronzezeit also betreiben Menschen im Gebiet der Seidenstraße Handel über Land mit Produkten aus der Ferne.
Aber nun Schluss mit den ganzen Jahreszahlen. Kommen wir nun zu ein paar anderen wissenswerten Fakten:
- die Händler reisten entgegen der häufigen Annahme immer nur einen Teil der Seidenstraße und verkauften in den Knotenpunkten ihre Waren an die Händler der nächsten Etappe.
- die Kamele der Händler transportierten die Namensgebende Seide, die in China für den Export gefertigt wurde (natürlich in den unterschiedlichsten Qualitäten), aber auch Edelsteine, Pelze, Metalle, Glas, Gewürze, Silber, Früchte, Arzneien, Sklaven und Pferde.
- die Händler bezahlten oft Ware mit Ware, aber auch Kaurimuscheln wurden akzeptiert.
- die sogenannten Karawansereien waren ummauerte Herbergen, die Schutz vor Räubern boten; sie waren in relativ kurzen Abständen angelegt, sodass die Händler kein Futter für ihre Kamele mitnehmen mussten und die Lasttiere ausschließlich mit Waren beladen konnten.
- auch Fortschritte im Schiffsbau trugen dazu bei, dass der Handel auf dem Landweg immer mehr nachließ.
- über die Seidenstraße verbreiteten sich Erfindungen wie Papier und Schwarzpulver.
Während die Karawansereien und Handelsstädte immer mehr verfielen, blieb das immaterielle Erbe erhalten – die Menschen tauschten unterwegs Geschichten, Lieder sowie philosophische, politische und religiöse Ansichten aus.
Hier findet ihr das Exemplar in unserem Bestand.
kwk