Theaterbesichtigung für Kinder

Wir hatten ja hier schon einmal ein Bilderbuch über einen Theaterbesuch empfohlen. Hier eine andere Geschichte:

Willkommen im Theater: eine Theaterbesichtigung für Kinder“
von Christa Holtei und Günther Jakobs

Bilderbuch "Willkommen im Theater! Eine Theaterbesichtigung für Kinder" von Christa Holtei und Günther Jakobs

Hanna und Lukas gehen zum ersten Mal in eine Abendvorstellung ins Theater. Sie begleiten Mia, die auf der Bühne in einem Ballett mittanzen wird. Und sie hat eine Überraschung für ihre beiden kleinen Freunde. Bevor die Aufführung beginnt, dürfen sie das Geschehen hinter der Bühne erkunden. Sie dürfen durch das große Theatergebäude stöbern. Zuerst geht es in den Ballettsaal, wo sich bereits einige Tänzer und Tänzerinnen vorbereiten. Dann lernen die Kinder noch all die anderen Räume und Arbeitsbereiche kennen, die im hinteren Teil des großen Theatergebäudes verborgen sind. Da werden Kostüme zurechtgemacht, die Darsteller geschminkt, Perücken geknüpft. Auch der Bühnenraum ist viel größer, als das, was man aus der Sicht des Publikums kennt. Die Kinder müssen aufpassen, dass der Herr König sie nicht entdeckt, denn er mag keine ungebetenen Gäste hinter der Bühne. Und Mia muss ihre Ballettschuhe finden, sonst kann sie gleich nicht auftreten.

Das Bilderbuch zeigt in ganz- oder doppelseitigen Illustrationen nicht nur die einzelnen Räume und das Bühnenpersonal, sondern auch Querschnitte durch das Gebäude, so dass wir sehen können, wie groß die Bereiche sind, die wir als Zuschauer sonst nicht sehen können. Und wie viele Menschen zusammenarbeiten, damit eine Aufführung gelingt.

Außerdem sind in den Bildern Hinweise auf bekannte Märchenballettstücke versteckt. Erst am Ende gibt es die Auflösung. Ich habe nicht alle Hinweise erkannt und die dazugehörigen Bühnenwerke kenne ich nicht einmal alle, zumindest nicht als Musiktheaterstücke. Ich bezweifle, dass Kinder da besser sind. Aber es gibt so viel anderes zu entdecken, dieses kleine Quiz ist da nur ein zusätzlicher Anreiz.

Das Bilderbuch eignet sich zum gemeinsamen Lesen und Stöbern, zum Selbstentdecken und zum Vorlesen. Empfohlen ist es für Kinder ab 8 Jahren. Aber vorlesen und Bilder angucken kann man auch schon mit jüngeren Kindern, z. B. zur Vorbereitung des nächsten Theaterbesuchs.

Hanna und Lukas jedenfalls finden rechtzeitig in den Zuschauerraum und auf ihre Plätze in der ersten Reihe. Die Ballettaufführung und vor allem der große Auftritt von Mia können beginnen.

Applaus! 🙌👏

Viel Freude beim Lesen
HilDa

Buchtipp: Die Douglas-Schwestern

„Die Douglas-Schwestern“ ist ein Roman von Charlotte Jacobi (das Pseudonym der Autoren Eva-Maria Bast und Jørn Precht). In dem Buch geht es um die Schwestern Anna und Maria Carstens, die davon träumen, ihre eigene Parfümerie zu eröffnen. Im Hamburg des frühen 20. Jahrhunderts ist das kein einfaches Unterfangen für die Damen. Die Männerwelt hält nämlich nicht viel von Frauen, die selber unternehmerisch tätig werden wollen. Und an dieser Stelle sei so viel verraten – endlich haben wir mit den Carstens-Schwestern zwei Protagonistinnen, die nicht einknicken, sondern für sich einstehen und nicht der damals typischen Vorstellung (Heirat, Haus, Kinder, Empfänge geben …) entsprechen werden. Die beiden gehen auf Reisen und holen sich für ihre Parfümerie Inspirationen aus Paris, Grasse und Brüssel. Außerdem lernen sie berühmte Personen ihrer Zeit kennen, wie etwa Coco Chanel und den legendären Parfümeur Francois Coty.

Es ist nicht sicher, ob die Lebensgeschichte der beiden wirklich so abgelaufen ist, die Autoren haben viel nachgeforscht, um nah an der Wahrheit zu bleiben, aber es gibt leider nicht viele Aufzeichnungen der Unternehmerinnen.

Diese romanhafte Biografie ist einfach zu empfehlen. Egal, ob man „Douglas“ mag oder nicht. Die Geschichte des Unternehmens und die der Schwestern ist toll geschrieben und man möchte das Buch am liebsten „in einem Rutsch“ durchlesen. Man wird die Douglas-Filialen nach dem Lesen des Buches mit einem anderen Gefühl betreten, auch wenn von dem alten Charme und der Exklusivität früherer Zeiten möglicherweise nicht mehr ganz so viel erhalten ist. Natürlich auch, weil die Türen in die Welt der Düfte jetzt gottseidank allen offen stehen und nicht mehr nur der Oberschicht.

Bei uns findet ihr den Roman in den Stadtteilbibliotheken Heepen und Sennestadt unter der Signatur Jaco, als eBook und eAudio auch in der OnleiheOWL (dort gibt es auch die Fortsetzung). Hier die Daten im Online-Katalog.

kwk

Triceratops, T-Rex, Supersaurus

Eigentlich war das Bilderbuch lediglich mein „Fotomodell“ für einen Beitrag über Dinosaurier. Aber mir sind gleich diese schönen Illustrationen aufgefallen, die noch dazu so ziemlich dem Stand der heutigen Forschung entsprechen. Urzeitliche Echsen, die nicht nur grau-braun-olivgrüne Schuppenhaut tragen, stumpfsinnig durch die Landschaft stapfen und ohrenbetäubend brüllen, dass sich die Bäume biegen. Diese Dinosaurier wirken agiler, sie haben verschiedene Farben und Muster, viele tragen Federn, sogar der gefährliche Jäger Tyrannosaurus Rex hat eine Art Daunenkleid. Das alles ist bunter als erwartet.

Kinderbuch "Triceratops, T-Rex, Supersaurus" von Virginie Aladjidi und Emmanuelle Tchoukriel. Das Buch steht auf einer grünen Fläche - umringt von Spielzeug-Dinosauriern.

Damit zeigt dieses Kindersachbuch die Dinosaurier vielleicht realistischer als bisherige Dino-Bücher und Filme. Ganz genau wissen wir das natürlich nicht, die Dinosaurier sind ja vor 66 Millionen Jahren ausgestorben. Die Fossilien, die bisher gefunden und analysiert werden konnten, lassen noch viele Fragen offen. Jeder neue Fund bringt neue Erkenntnisse. Da meist nur versteinerte Knochen gefunden werden und nur sehr, sehr selten halbwegs vollständige Skelette, können Forscher nur indirekt auf die Statur, Körperhaltung sowie Bewegung und Gangart schließen. Struktur und Farbe der Haut sind noch seltener in versteinerten Abdrücken erkennbar, ebenso die filigranen Federn. Darum ist es nicht verwunderlich, dass erst durch Funde in den letzten Jahrzehnten und auch durch die Auswertung älterer Funde mit neuesten technischen Möglichkeiten Federn oder Daunen bei den Urzeitechsen entdeckt werden konnten. Auch Farbpigmente konnten erst mit modernen Forschungsinstrumenten vereinzelt nachgewiesen werden. Computersimulationen ermöglichen es, Körperhaltung und Bewegung der Tiere aufzuzeigen. Aber nach wie vor ist vieles reine Spekulation.

Was hat das mit diesem Bilderbuch zu tun? Das Buch ist mir aufgefallen, gerade weil es die Dinosaurier bunt und weit vielfältiger darstellt, als ich es sonst kenne – eben nicht die grünen Jurassic-Park-Monster. Genau so hatte es Bernhard Kegel in seinem Buch gefordert: eine Anpassung unseres Dino-Bildes an die modernen Erkenntnisse der Forschung. Aber zugegeben, der T-Rex im Daunenkleid sieht schon etwas befremdend aus.

Das Buch ist nach den großen Erdepochen aufgeteilt: Trias – Jura – Kreide. Die einzelnen Seiten zeigen dann die Tiere wie in einem Bestimmungsbuch: feine Zeichnungen, die die Dinos auch meist in einen kleinen Kontext setzen, z. B. beim Fressen von Farnblättern oder beim Aufpassen neben ihrem Nest. Der Text neben den Bildern gibt aber nicht nur Größe, Gewicht und Klassifizierung der Art an. Es werden auch die Daten genannt, wann erstmals Fossilien dieser Spezies gefunden wurden sowie weitere Angaben über deren Fundgeschichte.

Das Buch beginnt mit einem Interview: die Paläontologin Dr. Claire Peyre de Fabrègues vom Pariser Museum für Naturgeschichte erzählt von ihrer Forschungsarbeit. Die Texte sind wohl eher an ältere Kinder bzw. Jugendliche gerichtet, vor allem wenn dort ein entsprechender Berufswunsch besteht: irgendwas mit Dinos 🦖🦕

Die Illustrationen sind jedenfalls für Leser und Leserinnen jeden Alters interessant.

Viel Freude beim Lesen
HilDa

Jokkmokk, Rentiere, Nordlichter und ChatGPT

Der Roman Mordlichter, ja wirklich mit M, spielt im Norden Schwedens, da wo sich die Nordlichter am nächtlichen Himmel zeigen und die Rentiere auf die Straße springen, wo der Schnee im Winter meterhoch liegt und Minus 30 Grad an der Tagesordnung ist.

Anelie Andersson arbeitet in der Polizeistation im hohen Norden Schwedens. Eigentlich ist sie überqualifiziert. Nur für Ihren Freund ist sie auf eine einsame Halbinsel gezogen. Von dort muss sie mit dem Schneemobil über den zugefrorenen See fahren, um zum Parkplatz ihres Autos zu kommen. Von dort sind es dann noch etliche Kilometer bis Jokkmokk. Es ist also wirklich abgelegen dort.

Anelie erwartet in Jokkmokk keine großen Verbrechen. Eines Tages verschwindet ein Jugendlicher und taucht in Felle gehüllt wieder auf. Leider wird er bei einem Autounfall tödlich verletzt. Anelie stellt schnell fest, dass es sich um einen Entführungsfall handelt und wahrscheinlich auch um einen versuchten Mord.

Nun wurde ich von einer Leserin auf  https://chatopenai.de/ aufmerksam gemacht. Da habe ich direkt ausprobiert ob das Programm den Krimi besser beschreiben kann.

Das Buch ist scheinbar zu neu und dem Programm liegen keine Daten vor. Also doch keine Vergleichsmöglichkeit mit meinem Text.

Der nächste Versuch dann mal mit Jokkmokk.

Das habe ich mal auf folgender Internetseite gegengeprüft:

https://www.wunderbares-lappland.de/schwedischlappland/jokkmokk

Dort sind mehr Informationen zu finden. Zur Größe, Einwohnerzahl und den Naturschutzgebieten hat der Chatbot nichts geschrieben.  Viel Spaß beim ausprobieren des Krimis und auch vom Chatbot. Anmelden muss man sich nicht auf der Seite – allerdings ist manchmal die Nutzung eingeschränkt.

Reiseführer über Schweden findet Ihr im Bestand unter dem Standort: „Cen 3“ oder in vielen Zweigstellen unter dem Standort „Reisen Schweden“. Krimis von Madita Winter finden sich in der Stadtbibliothek am Neumarkt und in den Zweigstellen Schildesche und Brackwede (nach der Neueröffnung) sowie der Onleihe.

Rieke

„Der Dienstagabend-Club“

Ihren ersten Auftritt hatte Miss Marple in einer Erzählsammlung. Eine Gruppe von sehr unterschiedlichen Menschen sitzt zusammen, man erzählt sich gegenseitig rätselhafte Kriminalfälle, insgesamt sind es 13, also auch 13 Erzählungen. Die Originalausgabe erschien 1932 unter dem Titel „The Thirteen Problems“. Die deutsche Übersetzung mit dem Titel „Der Dienstagabend-Klub“ greift die Konstellation der ersten Geschichte auf (und auch ihren Titel): eine Gruppe rund um den angesehenen Schriftsteller Raymond West, der auch die Idee zu diesem Rätselvergnügen hat. Im Hause seiner Tante Jane Marple im beschaulichen St. Mary Mead trifft sich am Dienstagabend die illustre Gesellschaft. Raymond möchte eigentlich vorführen, dass gerade Künstler und Intellektuelle mit Verstand und Phantasie die kompliziertesten Verbrechen aufdecken können. Die Anwesenheit eines waschechten Scotland Yard Präsidenten, den inzwischen pensionierten Sir Henry Clithering, hat ihn wohl zu dieser Idee angeregt, und alle weiteren Gäste – Künstlerin, Pastor, Anwalt – wollen sich ebenfalls gerne im Rätselwettstreit beweisen. Dass sich auch die ältliche Miss Marple beteiligen möchte, überrascht allerdings die Gäste. Doch es wundert uns jetzt nicht, dass sie es ist, die letztlich alle Rätsel auflösen kann.

Foto eines Tablets, auf dem Bildschirm ist das Titelbild zu "Der Dienstagabend-Klub: 13 Fälle für Miss Marple" von Agatha Christie zu sehen.

Diesen ersten Geschichten des Dienstagabend-Klubs folgen dann weitere, meist ähnlich aufgebaute Erzählungen. Die Teilnehmer der Rätselrunden sind andere, aber wieder ist Sir Clithering zu Gast. Er wird dann auch so manches Mal in den folgenden Romanen die Hilfe der Menschenkennerin aus St. Mary Mead suchen, weil er bei diesen abendlichen Gedankenspielereien ihre besondere Gabe zu schätzen gelernt hat. Auch andere Mitratende dieser Abendgesellschaften werden in den nächsten Miss-Marple-Romanen wieder auftauchen und teils in schwere Verbrechen verwickelt werden, so z. B. das Ehepaar Bantry und natürlich der Neffe Raymond West.

Das faszinierende an den 13 Erzählungen ist, dass sie trotz ihrer Kürze komplexe Kriminalfälle mit ihren überraschenden Wendungen aufführen. Agatha Christie zeichnet wieder wunderbare Charaktere, die zumindest auf dem ersten Blick unseren Vorstellungen vom etwas steifen englischen Oberst oder der oberflächlichen Künstlerin oder eben der ältlichen Jungfer vom Dorfe entsprechen – doch dann bricht sie immer wieder diese Stereotypen auf, nicht nur mit der Figur der Jane Marple.

Agatha Christie soll einmal gesagt haben, dass sie es bereue, Miss Marple erst als bereits alte Frau auf Verbrecherjagd geschickt zu haben. So musste sie einige ihrer besten Fälle ihrer anderen berühmten Detektivfigur überlassen: Hercule Poirot.

Nun, wir werden uns hier im Blog erst einmal noch den weiteren Miss-Marple-Romanen widmen. Die rührige Hobbydetektivin blieb immerhin noch bis ins hohe Alter aufmerksam und half auf ihre spezielle Art, Mörder und andere Verbrecher zu entlarven. Zumindest reichte es für insgesamt zwölf Romane und einige letzte Erzählungen. Das sollte dann auch genug Stoff für den ein oder anderen Blogbeitrag hier liefern. Denn zu meiner eigenen Überraschung – ich lese sonst nicht gerne in Serie – habe ich nämlich noch nicht genug von diesen Christie-Krimis 😊

Viel Freude beim Lesen.
HilDa

Ein Mord wird angekündigt

Was für ein geniales Eingangsszenario hat Agatha Christie da für ihren Krimi gewählt: In einem lokalen Käseblatt wird in einer anonymen Anzeige ein Mord angekündigt; Ort und genaue Zeit sind angegeben und damit wird eingeladen, wer immer sich angesprochen fühlt. Die unfreiwillige „Gastgeberin“ dieses morbiden Spektakels ahnt, dass ihr Haus zur gegebenen Zeit voller Besucher sein wird, die mit mehr oder weniger originellen Ausreden „zufällig“ vorbeischauen. Alle gehen davon aus, das alles sei nur ein Scherz, ein Mörder-Spiel, irgendwie geschmacklos und abscheulich, aber endlich etwas Abwechslung in dem kleinen Ort Chipping Cleghorn, in dem jeder jeden kennt.

Neben einer alten Tischuhr steht das Buch "Ein Mord wird angekündigt" von Agatha Christie

Doch dann geht das Licht aus, echte Schüsse fallen – und ein unbekannter Mann liegt tot zwischen den Gästen. Ein Räuber, der sich ungeschickt selbst erschossen hat? Oder ein umständlicher Selbstmord? Oder doch ein missglückter Mordanschlag auf die bodenständige, resolute Herrin des Hauses? Motive gäbe es, wie sich überraschend herausstellt, so einige.

Neugierige, aber doch ganz harmlos wirkende Dorfbewohner – Agatha Christie bedient wieder alle Klischees mit diesen originellen Typen und bricht die scheinbare Idylle dann Stück für Stück, Mord für Mord auf. Wie erfrischend ehrlich ist da doch die etwas naive Bunch, wenn sie aufgeregt zur Gesellschaft stößt und fragt: „Ich bin doch nicht zu spät für den Mord?“

Ich hatte vor Jahren schon einmal eine Verfilmung gesehen, aber bis auf das Anfangsszenario war mir vor allem ein Name in Erinnerung geblieben: Miss Murgatroyd. Zugegeben, der Name hört sich im Film – mit schriller Stimme gerufen – lustiger an als beim Lesen. Dabei ist die Dame eine tragische Figur.

Überhaupt sind es die Frauen, die in diesem Krimi im Mittelpunkt stehen, zumal als den (männlichen) Polizei-Ermittlern die ältliche Jane Marple zu Hilfe eilt. Der alte Sir Clithering vertraut dem Spürsinn und der Menschenkenntnis dieser unscheinbaren Expertin, die er bei diversen Krimispielen und echten Mordfällen schätzen gelernt hat, so dass er Inspektor Craddock die Zusammenarbeit mit „seiner alten Jungfer“ empfiehlt.

Dies ist nach den Erzählungen der 4. Roman mit Miss Marple. Sie ist noch recht fit und sogar aktiver, als in den vorangegangenen Fällen „Mord im Pfarrhaus“ und „Die Tote in der Bibliothek“ . Die Auflösung am Ende finde ich diesmal psychologisch nicht ganz überzeugend. Das nimmt mir aber nicht den Spaß am Lesen dieses Krimiklassikers mit seinen gutbürgerlichen, biederen Figuren voller Lügen und Geheimnisse, diese liebenswerten, scheinbar so schlichten Menschen mit ihren spleenigen Eigenarten, die fast alle etwas zu verbergen haben.

Nur die arme Miss Murgatroyd ist wirklich Murgatroyd, so viel sei verraten. Ach, keine Ahnung, warum mir dieser Name so gefällt.😌
It‘s very British, isn‘t it? Oh, indeed!

HilDa

Ein Mord wird angekündigt : Roman / von Agatha Christie.
Originaltitel: A murder is announced
erschien zuerst 1950

Buchtipp: „Frau Komachi empfiehlt ein Buch“

Frau Komachi arbeitet in der Bibliothek eines Gemeindehauses in Tokio. Den Kunden, denen sie dort Auskunft erteilt empfiehlt sie nicht nur die gesuchten Bücher, sondern auch Titel, die erstmal aus der Reihe zu fallen scheinen. Episodenhaft begleiten wir fünf Menschen, die irgendwann unweigerlich in der Bibliothek bei Frau Komachi landen. Auf die Frage „Was suchen sie?“ mögen diese Menschen ganz banales, wie Kinderbücher oder Ratgeber, antworten. Frau Komachi aber scheint hinter die Fassade blicken zu können und empfiehlt ihren Kunden genau das eine Buch, dass sie brauchen, um ihr Leben zu verändern. Dabei bleibt die Frage, ob es hier mit übernatürlichen Dingen zugeht – oder ob Frau Komachi einfach eine richtig gute Bibliothekarin, mit genau der richtigen Mischung aus Menschenkenntnis und bibliothekarischen Fähigkeiten ist (mir als Bibliotheksmensch gefällt natürlich letzterer Gedanke ungemein gut).

Ganz klischeehaft trägt Frau Komachi sogar einen Dutt! Ich kann zwar nicht behaupten in meiner Bibliothekslaufbahn jemals dutttragenden Bibliotheksangestellten begegnet zu sein, aber ich kann nicht vereinen, dass es nicht ein tolles Bild abgibt. Und wer weiß – vielleicht tragen die Bibliothekarinnen in Japan ja tatsächlich noch diese Frisur! Frau Komachi und ihr Dutt strahlen jedenfalls eine gewisse Weisheit und Erhabenheit aus, die auch ihre Kundinnen direkt in den Bann schlägt.

Ihre Kunden – das sind ganz normale Menschen, mit ganz normalen Alltagsproblemen. An diesen Problemen verzweifeln sie mal mehr mal weniger und sie alle scheinen auf der Suche zu sein, nach etwas, das ihr Leben zum Besseren wendet. Sei das aus einem Beruf auszubrechen, den man nicht mit Leidenschaft ausübt. Oder die Leidenschaft für den eigenen Beruf zu entdecken. Den Alltag nach dem Austritt aus dem Berufsleben zu gestalten. Kind und Beruf in Einklang zu bringen. Oder einfach den ersten Schritt auf dem Weg im Berufsleben zu gehen. Da zeigt sich bereits das Thema, dass sich durch alle Geschichten zieht. Im Kern dreht es sich immer um die Unzufriedenheit mit dem eigenen Berufsleben, jeweils in ganz unterschiedlichen Facetten. Ich mochte dabei sehr, wie nahbar die verschiedenen Personen und wie realistisch und zu Herzen gehend ihr jeweiliges Unglücklichsein waren. Ich konnte mich beim Lesen immer wieder in verschiedenen Gedanken der Protagonisten wiederfinden und habe mich über alle überwundenen Hindernisse gefreut.

Der Roman geht bei all dem große Fragen an – Was ist Glück und was der Sinn eines Lebens? – und findet wieder und wieder inspirierende Antworten darauf. Umso schöner, dass als Initialzündung immer die leicht schrägen oder ausgefallenen Buchempfehlungen von Frau Komachi dienen. So lässt einen der Roman mit der charmanten Botschaft zurück, dass es manchmal nur das richtige Buch – und sei es noch so unscheinbar oder aus dem Zusammenhang gerissen – braucht, um Inspiration zu finden und das eigene Leben zum Guten zu verändern.

Gelesen habe ich das Buch übrigens, weil es mir eine liebe Kollegin empfohlen bzw. direkt auf mein Bibliothekskonto ausgeliehen und mir im Flur in die Hand gedrückt hat. Und ihr wurde es wiederum von einer anderen lieben Kollegin empfohlen. Bibliothekarinnen geben also tatsächlich sehr gut Buchempfehlungen! 🙂

lga

Literaturtage 2023 – Persönliche Nachlese #4

Monika Maron: Das Haus
Roman "Das Haus" von Monika Maron zusammen mit dem Programmheft der Literaturtage 2023 auf einem gelben Tuch

Ich kann mich noch sehr gut an den Eindruck erinnern, den die Autorin auf mich machte, als ich sie das erste Mal bei einer Lesung erlebt habe: sympathisch, zugewandt, intellektuell. Das war vor vielen Jahren und ich weiß nicht einmal mehr, welchen Roman sie damals überhaupt vorgestellt hat.

Das Haus“ erschien erst wenige Wochen vor dem Termin der Lesung am 31.10.2023. Der Roman reizte mich erst einmal nicht. Bis ich die Rezensionen und begeisterten Buchtipps las, ein Interview mit der Autorin sah und mich wieder an meine ersten Eindrücke von ihr erinnerte.

Monika Maron sitzt auf der Literaturbühne und spricht. Auf dem Tisch vor ihr sind ein Buch, Brille, Glas und ein Tischmikrophon
Monika Maron auf der Literaturbühne (©KlausHansen 2023)

Ein Buch über eine Alten-WG ist für mich ja nun schon ein nahe liegendes Thema, also rein altersmäßig halt.😏 Nun, die Lesung überzeugte mich vollends: Das Buch gehört auf meine Leseliste für 2024. In der von ihr beschriebenen WG würde Frau Maron aber nie selbst einziehen, verriet sie uns im Gespräch. Tja, wenn das nicht neugierig macht!


Marion Poschmann: Der Chor der Erinnyen
Buch "Chor der Erinnyen" von Marion Poschmann zusammen mit dem Programmheft der Literaturtage 2023

Es ist der erste Roman, den ich von Marion Poschmann gelesen habe. Aber ich hatte mich schon mal mit einem Lyrikband von ihr beschäftigt: Geliehene Landschaften. Lyrik über Garten- und Parkanlagen in der ganzen Welt, vor allem über ostasiatische Gartenkunst, Naturlyrik mit spirituellen, ästhetischen und utopischen Bezügen in einer berückenden Sprache.

Den Roman „Der Chor der Erinnyen“ habe ich dann unmittelbar vor unserer Veranstaltung gelesen. Und er hat mich von der ersten Seite an gefangen, auch vor allem sprachlich. Die kurze Erzählung ist poetisch geschrieben, so voller Metaphern und Symbolen. Fast ist es zu viel. Am Ende dachte ich, ich müsse das Buch noch ein zweites Mal lesen, weil ich nicht alle mythologischen Anspielungen und Bilder erkannt oder verstanden habe. Aber Lesen ist ja keine Challenge. Sicher würde auch eine zweite Lektüre lohnen, dieses Sprach-Feuerwerk der Assoziationen ist ein Genuss und offenbart immer neue Entdeckungen. Aber für das Verständnis ist ein mehrfaches Lesen nicht notwendig.

Die Informationen zum Buch und über die Autorin findet Ihr bereits hier.

2 Frauen lachend auf einer Bühne, das Publikum davor ist nur schemenhaft zu sehen. Im Hintergrund eine Projektion "28. Literaturtage Bielefeld. Marion Poschmann "Chor der Erinnyen". (...) 02. November 2023, 20 Uhr
Marion Poschmann (rechts) auf der Literaturbühne mit Moderatorin Angelika Teller (links) (©KlausHansen 2023)

Kafka-Band

Was für ein Abschluss der Literaturtage 2023!

So etwas hatten wir noch nie: ein literarischer Musik-Abend im Foyer der Oetkerhalle mit einer Weltklasse-Band und einem fantastischen Literaten als Leadsänger (dass Jaroslav Rudis hervorragend schreibt und ein mitreißender Vorleser und Erzähler ist, wissen wir schon seit seinen Lesungen bei den Literaturtagen 2018 und 2022).

Die literaturkritische Einführung über Kafka und sein Werk von seinem zurzeit bedeutendsten Biografen war alles andere als trockener Lehrstoff: Reiner Stach hielt einen kurzen und durchaus unterhaltsamen Vortrag, der allein schon Kafka näher bringen konnte, als es die Schule je vermochte (tja nun, ich hatte Kafka als Abiturthema).

Ein Mann mit Mikrofon spricht
Reiner Stach (©KlausHansen 2023)

Doch die Umsetzung der Kafka-Texte in Musik, riss uns dann von den Stühlen. Ich konnte jedenfalls nicht sitzen, selbst als alter Tanzmuffel konnte ich nicht einmal still stehen.

4 Musiker auf einer Bühne, die blau ausgeleuchtet ist. Das Publikum davor ist nur schemenhaft zu erkennen
Die Kafka-Band (©KlausHansen 2023)

Standing Ovations und Zugabe-Rufe gibt es am Ende einer literarischen Veranstaltung ja auch eher selten.
Wow! Best Literaturtage-Abschlussfete ever.

6 Musiker auf einer grün-blau ausgeleuchteten Bühne
(©KlausHansen 2023)

Und by the way auch bereits die perfekte Einleitung ins aktuelle Kafka-Jahr. Die Literaturtage 2023 sind vorbei, aber uns erwarten schon wieder spannende Literaturveranstaltungen 2024. Allein zu Kafka wird es gleich mehrere weitere Möglichkeiten geben, ihn neu zu entdecken:

4x Kafka anders heißt die Reihe. Die erste Veranstaltung mit dem Comic-Zeichner Nicholas Mahler war bereits am 7. Februar. Aber wir haben noch mal nachgelegt (also 4x Kafka + 1) und haben im März eine zusätzliche Veranstaltung eingeschoben. Es folgen somit noch:

  • Michael Kumpfmüller liest aus seinem Bestseller „Die Herrlichkeit des Lebens“ und erzählt uns auch über seine Mitarbeit am Drehbuch für den gleichnamigen Kinofilm (verfilmt von Georg Maas und Judith Kaufmann, ab 14. März im Lichtwerk im Ravensberger Park zu sehen, Karten an der Kinokasse oder unter www.arthousekinos-bielefeld.de): Aus der wahren Geschichte der letzten Jahre Kafkas und seiner Beziehung zu der jungen Köchin Dora Diamant macht Michael Kumpfmüller einen feinsinnigen, behutsamen und kenntnisreichen Liebesroman. Lesung am 15. März 2024, 20:00 Uhr
  • Franz Kafka: Kindheitsmotive. Über Kinder im Werk Franz Kafkas referiert die Professorin für Neuere Deutsche Literatur Claudia Hillebrandt von der Universität Bielefeld, die Texte liest der Schauspieler Thomas Wolff, es moderiert Prof. Dr. Kai Kauffmann. 16. April 2024, 20:00 Uhr
  • Marion Döbert liest Kafkas „Verwandlung“ in Einfacher Sprache. Lesung 4. Juni 2024, 20:00 Uhr
  • Ausstellung „… erträumt“ von Christiane Neumann, 02.09. bis 02.11.2024 in der Südlounge mit Vernissage am 6. September 2024 ab 18:00 Uhr

HilDa

„Das goldene Zeitalter der Niederlande“

Geo Epoche Nr. 101

Ich habe mir eine weitere Ausgabe der Geo Epoche gegönnt, dieses Mal geht es um unser Nachbarland, die Niederlande.

Zuerst ist natürlich Thema, wie sich der territoriale Flickenteppich im Nordwesten Europas zu einer Einheit formierte – dieser Weg war schwer. Philipp II. von Spanien schickte gewaltige Armeen in das Land, um die Protestanten zu verfolgen und zu vernichten. Wilhelm von Oranien, einst ein treuer Vasall des spanischen Königs, kehrte sich von diesem ab und wird zum Initiator einer Rebellion. Nach seinem Tod übernahm sein Sohn Moritz das Kommando, modernisierte und vergrößerte das niederländische Heer.

1602 wurde die „Vereenigde Oostindische Compagnie“ gegründet. Sie verfügte über zehnmal (!!!) so viel Startkapital wie die zwei Jahre zuvor gegründete „East India Company“. Die Niederlande wollte so den Portugiesen ihr Handelsmonopol mit den Gewürzinseln in Südostasien abringen. Zudem ist sie die erste Aktiengesellschaft der Geschichte. Die VOC entvölkert dort ganze Inselgruppen, aber hofiert zugleich Japan und China. In den Niederlanden gelten diese beiden Länder als fortschrittlich und durch den Kauf von Waren aus dem Reich der Mitte sollte dieser Lebensstandard in die Heimat gebracht werden. Nun ja, das hatte unter anderem zur Folge, dass sich die Frauen der gehobenen Schichte mehr und mehr aus dem Arbeitsleben zurückziehen und sich mehr dem Einrichten ihrer Häuser und Appartements widmen konnten. Die selbstverständlich mit eben jenem Tand ausgestattet wurden, die die Schiffe von Übersee mitbrachten.

Außerdem werden in dieser Ausgabe natürlich die Meister der Malerei und ihre Metropolen im 17. Jahrhundert (Haarlem, Utretcht, Leiden, Amsterdam und Delft) beleuchtet, auch der Wahn um die Tulpenzwiebeln kommt nicht zu kurz. Wusstet ihr, dass Mitte der 1620er Jahre ein Maler namens Jan Lievens begann, eng mit einem fast gleichaltrigen Kollegen zusammenzuarbeiten? Besagter Kollege ist kein geringerer als Rembrandt van Rijn. Die beiden kannten sich wohl schon von Kindesbeinen an.

Auch der Wahn um die Tulpe in den 1630er Jahren ist ein Thema. Verkauft wurden die Zwiebeln damals übrigens in Gasthäusern. Wer Neuigkeiten über den Tulpenhandel erfahren möchte, in wessen Garten sich eine Tulpe spektakulär entwickelt hatte oder welche Sorten und Farben aus der Mode gekommen waren, begab sich in die einschlägigen Schankstätten.

Und dann wird 1626 eine Insel an der Ostküste Amerikas von den Indianern erworben – die dort entstandene Siedlung nennt sich „Neu Amsterdam“. Der Rest ist Geschichte… 😉

kwk

„Die berühmtesten Diebstähle der Welt“

Seit einiger Zeit erfreuen sich True-Crime-Storys besonderer Beliebtheit. Als Bildersachbuch für Kinder und Jugendliche ist das Thema aber doch ungewöhnlich. Und wenn ein Buch „Die berühmtesten Diebstähle der Welt“ heißt, besteht dann womöglich die Gefahr, dass da Verbrechen verharmlost oder gar Verbrecher heroisiert werden?

So ganz entgeht das Buch dieser Falle nicht, das ist nun mal der Effekt, wenn bei einer Erzählung der Verbrecher und die (mehr oder weniger) raffinierte Straftat im Mittelpunkt stehen.

Bilderbuch "Die berühmtesten Diebstäle der Welt" von Soledad Romero Marino und Julio Antonio Blasco. Verlag Kleine Gestalten.
Neben dem Buch ist eine Schatzkiste zu sehen, aus der Schmuck heraushängt

Die Form der grafischen Erzählung in diesem Bilderbuch finde ich gelungen. Jeder Fall wird auf 2-4 Doppelseiten dargestellt, dabei werden grafisch Zeitungsseiten nachgeahmt: mit Schlagzeilen, kurzen Artikeln über Täterbiografien (soweit bekannt), Tatablauf, die Arbeit der Ermittler und das Leben der Haupttäter nach dem Verbrechen – seine Bestrafung oder sein Leben auf der Flucht (soweit bekannt).

Neun spektakuläre Fälle aus den letzten 110 Jahren, die allesamt international Schlagzeilen gemacht haben, werden dargestellt und analysiert. Die „Zeitungsseiten“ einschließlich der „Pressefotos“ darin, ebenso die Tatort-Skizzen und die „Fahndungsfotos“ – alles ist gezeichnet, in Sepiafarben und eher grob, so dass die Verbrechen und die daran Beteiligten schemenhaft bleiben. Das wirkt der von mir befürchteten Heroisierung der Diebe und Räuber, die das System oft erschreckend einfach austricksen konnten, wieder entgegen.

Manche Geschichte wirkt wie aus einem Hollywoodfilm – und nicht wenige dienten ja später auch als Vorlage für Verfilmungen. True Crime immerhin ohne Mord und Totschlag, ohne brutale Gewalt. Tatsächlich konnte ich mich trotz meiner Bedenken dann doch nicht der Faszination entziehen. Ich habe das Buch mit Vergnügen durchgeblättert und gelesen.

Empfohlen wird das Sachbilderbuch ab 10 Jahren. Allein schon wegen der grafischen Gestaltung (die Buchkünstler sind Soledad Romero Mariño & Julio Antonio Blasco) empfehle ich es aber auch gerne interessierten Erwachsenen:

Die berühmtesten Diebstähle der Welt / Soledad Romero Mariño & Julio Antonio Blasco ; Übersetzung aus dem Spanischen von Manuela Schomann. – Berlin : Kleine Gestalten, 2022. – 61 Seiten : Illustrationen

Viel Freude beim Lesen
HilDa