Was erwartet man von einem Buch aus der Feder einer ehemaligen First Lady? Ich hatte vor einiger Zeit die Autobiografie von Hillary Clinton („Gelebte Geschichte“) gelesen, oder besser gesagt – manchmal „durchgeackert“, weil es mir stellenweise zu viel Politik war, zu viele Namen von diesem und jenem Berater, als dass man sich sie merken kann. Aber so ist es eben. 🙂
Bei Michelle Obama war es irgendwie anders. Ob es an der Besonderheit liegt, dass sie die erste nicht-weiße Familie im weißen Haus waren oder weil es einfach lockerer geschrieben ist … – das Gesamtpaket stimmt einfach.
Michelle Obama nimmt uns mit in ihre Kindheit, sie lässt uns teilhaben an dem Familienalltag. Sie erzählt von ihrer Schulzeit bis hin zum fatalen Satz der Studienberaterin, die meinte, Michelle sei „kein Material für Princeton“. Nun ja, die Dame lag falsch. Und wie traf sie auf Barack? Sie arbeitete in einer Kanzlei, er war noch Student und arbeitete dort während des Sommers. Michelle war seine Mentorin. Der Rest ist Geschichte. 🙂
Liebevoll berichtet sie über die Marotten ihres späteren Ehemanns und spart auch die anstrengende Zeit nicht aus, in der sie mit den beiden Töchtern quasi allein lebte, zwischen den Kindern und ihrem Job hin- und hergezerrt wurde und Barack nur am Wochenende zuhause bei der Familie war. Sehr spannend fand ich die Geschichten, als es ernst wurde und die großen wichtigen Wahlkampfreden für die Präsidentschaftswahl anstanden. Dass sie alle auf die Bühne mussten und sie einmal in letzter Minute aufgrund der eisigen Temperaturen vor Ort in einem Geschäft noch Wintermützen für die beiden kleinen Mädchen gekauft hatte. Herrlich. Sorgen einer ganz normalen Mama. Auch, dass bei der Vereidigung ihres Mannes auf der Tribüne ihre Füße trotz Decke ziemlich eingefroren waren und sie deshalb bei der zweiten Vereidigung vier Jahre später für eine beheizte Tribüne gesorgt hat, wusste ich nicht.
Ich liebe es, Hintergrundinfos aus erster Hand zu erfahren und war echt erstaunt, als sie berichtete, was die Personenschützer vom Secret Service alles geleistet haben und wieviel an Planung und Absprachen nötig waren, damit eine der Töchter spontan mit einer Freundin ein Eis essen gehen konnte. (Als alles geregelt war, war die Sache dann nicht mehr so spontan.) Als sie sich halbwegs an all den Medienrummel und ihre Bewacher gewöhnt hatte, ist sie sogar in einen Kurs im Fitnessstudio gegangen. Sie kam als letzte dort an, schlüpfte zur Tür hinein und stellte sich in die letzte Reihe. Als der Kurs dem Ende zuging, entfleuchte sie schnell, bevor sich die anderen umdrehen konnten. Barack war schon neidisch, sagte er doch einmal lächelnd „Schatz du weißt doch – ‚heimlich‘ kann ich nicht mehr.“ 😉
Mir fiel es schwer, das Buch aus der Hand zu legen bzw. den ebook-Reader auszuschalten. Am liebsten hätte ich es in eins durchgelesen. Man muss nicht politisch interessiert sein – ein Vorteil gegenüber Hillary Clintons Buch. Es ist toll geschrieben, man merkt, mit wieviel Herzblut Michelle ihre Projekte angeht. Sie lässt auch die Anfeindungen nicht aus, die sie aufgrund ihrer Hautfarbe erfährt und zeigt uns Lesern, was die Medien aus Auftritten und Interviews machen. Zum Beispiel schreibt sie über zusammengestückelte Fernsehbeiträge oder Schlagzeilen, die eine ganz andere Botschaft transportierten, als es in der Realität war. Es macht einen traurig und man möchte diese große, starke Frau am liebsten in den Arm nehmen. Anschaulicher geht es kaum. Aber das, was man als Leser kontinuierlich von der ersten Seite an spürt, ist die unglaubliche Wärme und Liebe, die diese tolle Familie umgibt.

kwk