Meine Sprache, deine Sprache

Meine Sprache, deine Sprache – das ist ein Projekt der Stadtbibliothek Bielefeld mit einer internationalen Klasse der Luisenschule und einer OGS Gruppe des Schulverbundes Hellingskampschule / Standort Josefschule. Es ist ein Projekt zur Lese- und Sprachförderung für Schüler und Schülerinnen, die erst kurze Zeit in Deutschland leben. Gefördert wird das Ganze vom Lions-Club Bielefeld-Ravensburg.

Mit viel Leidenschaft, Ideenreichtum und Engagement haben wir den Schülern und Schülerinnen, die bisher nur geringe Deutschkenntnisse besitzen, das Lesen näher gebracht. Auch im Jahr 2020/21 wurden, trotz Corona, Projekte umgesetzt und neue Wege gefunden, Wissen und Kultur zu vermitteln. Unsere Bibliothek spielt dabei als Ort der Begegnung eine wichtige Rolle. So können Schüler und Schülerinnen in der Gemeinschaft Hemmschwellen abbauen, ihre Sprachkenntnisse erweitern und spielerisch neue Erfahrungen machen, die ihnen zur Selbstorientierung verhelfen.
Wir freuen uns immer wieder, wenn „unsere Kinder“ auch über den wöchentlichen Klassenbesuch hinaus die Bibliothek als Lern- und Begegnungsraum nutzen.

Die einzelnen Projekte wollen wir euch heute näher vorstellen.

Lesen
Wir möchten die Leselust der Kinder wecken, sie zum Erzählen und Sprechen anregen, das alles in einer gemütlichen und sicheren Atmosphäre, in der sie sich ausprobieren und einbringen können. Dafür bieten wir verschiedenste Anlässe, zu denen wir oft auch von den Kindern selbst angeregt werden. Sie dürfen die Bibliothek als IHREN Raum zum Lernen und Stöbern kennen lernen. Hier dürfen sie ihre eigenen Sprach-Interessen finden und entwickeln. Wir begleiten sie, fordern sie manchmal heraus und unterstützen sie im Rahmen unserer Möglichkeiten.

Spaziergang
Weil wir uns noch nicht wieder in der Bibliothek treffen durften, machten wir einen gemeinsamen Ausflug in die Umgebung der Schule und der Bibliothek. Mit Hilfe von Büchern lernten wir die Baumarten kennen und sammelten ihre Herbstfrüchte. Bewegung, Spaß und gemeinsame Entdeckungsfreude an frischer Luft tun allen gut!

Ringelnatz
Im Winter ein Wintergedicht – auch wenn die Sprache des Gedichtes nicht gleich verständlich war, haben die Kinder den Witz mit dem Gips und dem Stips sofort verstanden. Wir übten zusammen das Schönschreiben und gestalteten das Rehgedicht.

Honigbienen
Yassine ist der Bienenexperte bei den Dienstagskindern. Wir vertieften das Thema mit einer Sachgeschichte als Kamishibai-Erzähltheater über das Leben der Bienen. Jeder malte seine eigene Biene und zur Erinnerung wurde der Entwurf in eine echte Stoffbiene verwandelt! Kinder sind halt genauso individuell wie Bienen! 🙂

Lebkuchenmänner
Leider untersagte uns die Corona-Hygienevorschrift das Backen und Singen in der Vorweihnachtszeit. So bastelten wir uns halt unsere eigenen Lebkuchenmänner. Dazu sammelten wir viele Winterwörter, die wir dann rappen und klatschen konnten. Stärkung gab es mit Mandarinen, die, selbst geschält, einen tollen Duft verbreiteten. So entstand doch noch eine weihnachtliche Stimmung. Und spannend war es auch, sich über Weihnachtsbräuche und -wünsche auszutauschen!

Digitales Lernen für alle
Die Luisenschule ging zwischenzeitlich ins Homeschooling, alle Projektkinder bekamen Tablets von der Schule geliehen. Damit sie sicher verwahrt sind, nähten wir Taschen aus alten Jeanshosen. Und über eine Lernplattform konnten wir auch in der Lockdown-Zeit zusammen arbeiten und auch selber dazulernen.

Post
Während des Lockdowns – was macht man denn, wenn man sich nicht sehen kann? Unsere Antwort heißt: Briefe schreiben! Also machten wir uns auf den Weg in die Hellingskampschule und erzählten, was Briefe schreiben bedeutet, wie die Post funktioniert und wozu eine Briefmarke nötig ist. Zusammen schrieben wir dann selber Briefe an liebe Menschen und lasen sie uns gegenseitig vor.

Ich bin ich
Endlich wieder in der Bibliothek! Nach dem Lockdown durften die Kinder ihr Bild von sich an unserem Kinderzimmer verewigen. Damit die Bibliothek nicht noch einmal so lange ohne sie auskommen muss. Und ob mit oder ohne Maske, wir sind, was wir sind: Die Dienstagskinder!

Wundertüte
Damit die Dienstagskinder uns nicht vergessen, schickten wir Wundertüten in die Schule mit einer Geschichte, Bastelanleitung und Material zum Thema Vogelstimmen. Passend dazu sangen wir über Whatsapp das Lied „Kommt ein Vogel geflogen“.
Mit diesem Lied wurden wir von den Kindern beim ersten Wiedersehen in der Bibliothek begrüßt!

Vogelbaum
Die Kinder haben so viel Freude am Basteln gehabt, dass sie uns beim ersten Besuch nach dem Lockdown ihre Vögel schenkten. Wir gestalteten einen Baum am Fenster des Kinderzimmers, auf dem alle bunten Vögel ihren Platz fanden. Die Kinder haben sich Botschaften überlegt, die die Vögel überbringen – für alle Kinder, die in die Bibliothek kommen.

Maker Space
Kurz vor den Sommerferien gab es ein besonderes Erlebnis: Wir machten einen Technik-Workshop und bastelten echte Lichtschwerter. Gar nicht so einfach, die richtigen Strippen zu ziehen, bis die Lampen der Lichterketten wirklich alle leuchteten. Aber DIE MACHT ist mit uns!

Lettering
Wir ließen Türschilder sprechen, die gerade für das Homeschooling und die lange Zeit Zuhause hilfreich waren. Oder einfach als lieben Gruß und herzliches Willkommen, für die Zeit, als ein Wiedersehen wieder möglich war!

Wir pflanzen…
…und wachsen wieder zusammen
Nach dem langen Winterlockdown ließen wir beim ersten Treffen in der Bibliothek neue Blumen wachsen. Vorgezogene kleine Pflanzen wurden bestimmt und eingetopft. Durch selbstgeschriebene Pflanzenstecker blieben die Namen in Erinnerung. Die Blumen wurden mit in die Schule genommen und dort beim Weiterwachsen begleitet.

Wiesenkräuter
Die gepflanzten Wiesenkräuter wuchsen in der Luisenschule weiter. Vertiefend lernten wir die Arten mit Hilfe von Büchern kennen. Beim Abzeichnen war ganz genaues Hinschauen gefragt.

Nähprojekt
In den Sommerferien kamen Schülerinnen freiwillig und nutzten das Nähangebot der Bibliothek.
Erstes Nähprojekt war ein Bücherrucksack, der auch gleich gefüllt wird!

Von hier wech – für euch da #7

Die Bielefelderin Melanie Busse war im Rahmen unseres Projekts „Von hier wech – für euch da“ bei uns zu ihrer allerersten Lesung überhaupt zu Gast. Eigentlich macht Melanie Busse Spiele für Kinder und Jugendliche. „Zum Donnergrummel“ ist ihr erstes Buch.

Wie funktioniert das eigentlich mit der Wut? Und was kann ich tun, wenn ich geärgert werde? 

In “Zum Donnergrummel“ begleiten wir Janne dabei, wie sie ihre Wut, ihren eigenen „Donnergrummel“, entdeckt und lernt mit ihm umzugehen. Das Buch erzählt eine ebenso phantastische wie alltagsnahe Geschichte für Kinder, die ihre Wut besser verstehen und ihre Schlagfertigkeit trainieren möchten.

Verlagstext

Im Video könnt ihr Melanie Busse beim Erzählen der Geschichte vom Donnergrummel lauschen.

Kinderbücher von Sasa Stanisic

Dass Saša Stanišić ein großartiger Erzähler ist, wissen wir nicht nur von seinen Romanen. Wir durften ihn einige Male in Live-Veranstaltungen auf der Bühne erleben, wie er aus seinen Büchern nicht etwa vorliest, sondern fast frei erzählt und sein Publikum in den Bann zieht. Da kann ich mir auch gut vorstellen, wie er mit seinem Sohn zusammen fabuliert und phantastische Geschichten für ihn und auch mit ihm zusammen erfindet. Nun, er hat einige davon auch für uns aufgeschrieben und zusammen mit der Illustratorin Katja Spitzer ein Kinderbuch zum Vorlesen und Zuhören daraus gemacht.

Buch und Hörbuch "Hey, hey, hey, Taxi!" von Sasa Stanisic, beide stehen auf einer Fensterbank; durch das Fenster sieht man Bäume und Gebäude

„Hey, hey, hey, Taxi!“ ist quitschebunt, nicht nur die Bilder, auch und vor allem die Geschichten. Auf der Suche nach einem Vorlesebuch für unsere Kinderveranstaltungen habe ich mir das Buch gleich gekauft, als ich davon hörte. Und dachte dann beim Lesen des „Vorortes“ (kein Schreibfehler!) etwas enttäuscht: Das ist vielleicht doch nicht das richtige.

Saša Stanišić empfiehlt, seine Geschichten als lose Vorgaben zu nutzen, da er sie ja speziell für seinen Sohn verfasst hat und sie aus seinen Erfahrungen leben; jeder Vorleser möge sie verändern und Variablen aus der eigenen Welt und der seiner Zuhörer daraus machen. Da ich aber normalerweise eine Vorleserin bin, die sehr am vorgegebenen Text klebt, schien dieses Konzept für mich weniger geeignet. Trotzdem habe ich es ausprobiert: Ich habe meinen Vater gebeten, den Zuhörer zu spielen und mir zu sagen, ob meine kleinen Improvisationsversuche ausreichen.

Was soll ich sagen: Ich liebe diese verrückten Geschichten, und meinem Vater gefiel es auch.

Da kommt ein Taxi, um den Ich-Erzähler abzuholen, denn er muss dringend irgendwohin: zum Hafen, zum Bahnhof, ja einmal auch in die Bibliothek. Aber am Ende jeder Geschichte kehrt er zurück: nach Hause zu dir – also zu dem Sohn des Erzählers, der immer wieder direkt angesprochen wird.

Tja, es ist klar, dass ich dieses Geschichtenende für ein Vorlesen vor vielen Kindern nicht verwenden kann. Dass viele Taxifahrten zu Orten aus Hamburg führen, stört nicht. Warum soll man die Kinder nicht mit auf eine Reise in eine andere Stadt nehmen? Ich würde mir eine kleine Einleitung einfallen lassen, vielleicht in Form einer neuen Rahmenhandlung. Und ich müsste mir die passenden Geschichten aussuchen und so ein Vorleseprogramm für ca. 20-30 Minuten erstellen. Das Einbeziehen der zuhörenden Kinder und das dafür notwendige Improvisieren werde ich üben müssen. Vielleicht hilft mir wieder mein Vater dabei. Aber die fantastisch-skurrilen Abenteuer mit den Schrumpfpiraten oder den auf einer Riesenwelle surfenden Bienen, mit einem kleinen Riesen namens Riesling oder einem Käsetaxi mit Maus als Fahrerin, von der man sich sogar bis zum Mond kutschieren lassen kann – ja, das ist es wert, ich will einmal etwas anderes ausprobieren, als nur Wort für Wort abzulesen.

Meine Kolleginnen haben sich übrigens in das Hörbuch hineingehört und begrüßen mich schon lachend mit „Odjo, odjo!“ – Das ist ein Zitat und gehört zu einer der lustigsten Figuren im Buch – natürlich ein Taxifahrer, einer von vielen. Mehr verrate ich jetzt aber nicht.

Und wenn Ihr glaubt, ich hätte hier schon die verrücktesten Figuren aufgeführt, dann ruft Euch selber ein Taxi und fahrt mit Saša Stanišić und seinem Sohn in alle Richtungen, die die Fantasie so zulässt: Ihr werdet Euch wundern. Hey, hey, hey Taxi! (Katalogdaten hier)

Mittlerweile gibt es schon ein neues Kinderbuch von Saša Stanišić. Prompt sind wir mitten in der Pandamie. 😉 Ha! Nein, wieder kein Schreibfehler. Da sind nämlich Panda-Bären mit ihrer Lieblingsspeise Bambus. Doch ein Panda aus China, der natürlich Nicht-Peter heißt, weil Pandas aus China natürlich nicht Peter heißen, macht die großartige Entdeckung, dass man mit Bambus auch Töne erzeugen kann: Musik. Und mit mehreren zusammen macht das Musizieren richtig Spaß. Also wird eine Panda-BPand gegründet. … – Damit wäre schon mal das Wortspiel im Titel erklärt. In der Geschichte gibt es noch mehr von diesen Sprachspielereien und vom umwerfend-fantasiereichen Humor des Saša Stanišić.
Sicher demnächst auch in der Stadtbibliothek.

Kinderbuch "PandaPand: Wie die Pandas mal Musik zum Frühstück hatten" von Sasa Stanisic

Nachtrag 30.11.2021: Ja, Buch und Hörbücher der „PandaPand“ sind geliefert,
müssen zum Teil aber noch eingearbeitet werden.
Hier findet Ihr die Katalogdaten.

Am 19. November 2021 ist übrigens der Bundesweite Vorlesetag.

Was auch immer Ihr heute vorlest, ob herrlich verrückt oder knuddelig-verspielt, habt viel Spaß dabei. 😉

HilDa

Logo für den Bundesweiten Vorlesetag

„Das Leben ist mehr als …“

Das Leben ist mehr als … : Eine Fotoausstellung über Lesen, Schreiben, Leidenschaften – So das Motto der Ausstellung, die zurzeit noch im 1. Obergeschoss der Stadtbibliothek am Neumarkt zu sehen ist. Auf über 20 Tafeln sind jeweils vier Fotos zu sehen, die einmal das Portrait einer Person zeigen und dann eben diesen Menschen mit seinen Hobbys oder seiner Berufung: Was ist den Abgebildeten wichtig in ihrem Leben.

Es gehört zum Konzept der Fotoserie, dass die Hälfte der Personen Teilnehmer*innen eines Alphabetisierungsprogramms waren, die andere Hälfte nicht. Das wird nicht weiter aufgelöst und lädt zur Spekulation ein – und konfrontiert uns mit unseren eigenen Vorurteilen.

„6,2 Millionen deutschsprachige Erwachsene können gar nicht oder nur wenig lesen und schreiben. Sie scheitern an der Schriftsprache, haben aber trotzdem individuelle Interessen, Fähigkeiten und Leidenschaften. Sie meistern ihren Alltag und freuen sich an ihren Hobbys und Interessen.

Denn das Leben ist mehr als … Lesen und Schreiben.“

(aus dem Begleittext zur Ausstellung)

Beim Aufbau der Ausstellung haben wir bewusst nur die Wände zur Aufhängung gewählt und die Fläche frei gelassen, nur Sitzmöglichkeiten eingeplant. So kann man die einzelnen Fotos und Panels von nahem oder auch mit Abstand betrachten, man kann sie einzeln genauer auf sich wirken lassen oder den Zusammenhang sehen und Vergleiche ziehen.

Foto

Die Wanderausstellung ist nur wenige Wochen in Bielefeld zu sehen, Eröffnung war bereits am 4.11. Da die nächste Ausstellung schon am 8.12. folgt, wird „Das Leben ist mehr als …“ in der letzten Novemberwoche wieder abgebaut.

Die Ausstellung entstand in Kooperation der Volkshochschulen Bielefeld, Essen und Wuppertal/Solingen. Die Fotos machten die Essener Fotograf*innen Meike Altenkamp und Daniel Gasenzer.

Regal in der Bibliothek, es sind viele schmale Bücher zu erkennen. An der Stirnseite ein Schild "Großdruck, Einfache Sprache, Vorlesebücher"
Mehrere schmale Bücher stehen nebeneinander und haben den Aufkleber "Einfache Sprache"

Wir haben diese Ausstellung Marion Döbert von der VHS Bielefeld zu verdanken, mit der wir schon viele Veranstaltungen zu den Themen Alphabetisierung, Einfache Sprache und Lektüren für erwachsene Leseanfänger in der Zentralbibliothek durchführen konnten. Und so folgten wir auch ihrem Vorschlag, als wir einen eigenen Bereich „Lektüren in Einfacher Sprache“ bei den Romanen im Erdgeschoss eingerichtet haben. Zwar gab es Ähnliches bereits in der Sachgruppe Sprache (sogenannte Easy Reader gibt es in diversen Sprachen, auch bei Deutsch als Fremdsprache im Regal „Interkulturelle Bibliothek“), aber als eigener Bereich bei den Romanen erreichen wir noch andere Zielgruppen.

HilDa

LWL-Freilichtmuseum Detmold

Jeder hier in der Region kennt wahrscheinlich das Freilichtmuseum, zumindest dem Namen nach. Und fast alle, die in den letzten Jahrzehnten in OWL zur Schule gegangen sind, haben mindestens einmal einen Ausflug nach Detmold gemacht. Also ich schon, das muss irgendwann in den 70ern gewesen sein. Oha, das war also schon vor mehr als 40 Jahren! Offen gesagt, ich habe keine konkreten Erinnerungen an diesen Schulausflug mehr.

Damals stand das Freilichtmuseum wohl noch in den Anfängen, es feiert nämlich in diesem Jahr sein 50jähriges Bestehen. Unser Betriebsausflug im September erlaubte es mir, meine Erinnerungen aufzufrischen. Immerhin bin ich auch in einem alten Fachwerkhaus aufgewachsen und habe die Ferien meist auf dem Bauernhof von Freunden verbracht, da ploppten viele Kindheitserinnerungen bei mir auf – allein schon beim Duft des Heus in einem Schober.

Großer Bauernhof aus vorindustrieller Zeit, Rückansicht

Wenn Bibliotheksleute einen Betriebsausflug machen, gehört Kultur und Wissen mit ins Programm – beides ist in einem Museum ja auch gegeben. Wir hatten eine Führung, genauer, wir teilten uns in drei Gruppen, jede Gruppe zog in eine andere Richtung und hatte einen anderen Schwerpunkt. Bei uns ging es um das großbäuerliche Leben lange vor der Industrialisierung. Auf dem ersten Blick erinnerten der schön restaurierte Hof und der herrliche Bauerngarten an die märchenhafte Vorstellung von der „guten alten Zeit“. Doch selbst auf einem reichen Hof war das Leben hart. Für den Bauern und seine Familie gab es immerhin einen abgetrennten Wohntrakt, der zumindest etwas Privatsphäre bot. Die Mägde und Knechte schliefen beim Vieh, weit weg von der einzigen Feuerstelle. Fast alle Arbeiten mussten im Freien verrichtet werden, nicht nur die Feldarbeit. Im Haus war es meist zu dunkel, also musste möglichst das Tageslicht draußen genutzt werden – zu jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter. Das galt auch für ganz alltägliche Verrichtungen. Kein fließend Wasser im Haus, nur der Brunnen draußen. Das Wasser, das z. B. für die Große Wäsche gebraucht wurde, musste aufwändig auf der offenen Herdstelle im Haus erhitzt und nach draußen geschleppt werden, bei der benötigten Menge erforderte das allein schon strategische Planung. Die Große Wäsche nahm mindestens einen ganzen Tag ein, an dem alle mit anpacken mussten. Natürlich brauchte es auch einen Tag mit sonnigem, warmem Wetter zum Trocknen und Bleichen. Für uns überraschend war, dass der Aufwand für die Große Wäsche nur einmal im Jahr gemacht wurde (kleinere Waschtage gab es etwas öfter).

Herdstelle im Bauernhaus
Backhaus mit Brunnen

Der große Ofen im Backhaus wurde nur alle zwei Wochen angeheizt, auch das ein aufwändiges Verfahren, das viel Holz kostete und viel Arbeit. Da musste die Hitze auch optimal ausgelastet werden: Verschiedene Backwaren wurden vorbereitet, damit der Ofen bis zum letzten Flecken beladen werden konnte, sobald er auf Temperatur war; zuerst alles, was kurze, große Hitze benötigt, dann die Backwaren, die im langsam wieder erkaltenden Ofen länger garen müssen, ohne dass sie verbrennen dürfen. Um die Ofenhitze und Fläche optimal auszunutzen, bedurfte es guter Planung und Vorbereitung. Und mit dem frisch Gebackenen, den verschiedenen Broten, Pasteten, Kleingebäcken und evtl. auch Kuchen musste man nun mindestens zwei Wochen auskommen und alle auf dem Hof einschließlich möglicher Gäste versorgen.

Die gute alte Zeit. Die meisten Menschen auf dem Lande lebten damals als Knechte, Mägde oder gar nur als Tagelöhner, abhängig vom Wohl und Wehe des Bauern, und der wiederum abhängig vom Wetter. Dürre oder zu viel Regen, Extremwetter oder eine andere Naturkatastrophe konnten für alle Not, Hunger, Tod bringen. Wer keine Arbeit mehr fand oder sein Land verlor, musste fortziehen: in eine andere Region als Tagelöhner oder später als Arbeiter in die Industriestädte; man ließ sich anwerben vom Militär oder fuhr zur See; oder man wanderte aus. Wenn nur die Männer fortzogen, blieben Frauen und Kinder zurück mit der Hoffnung, dass sie nachgeholt würden, sobald der Mann ein neues Leben aufgebaut hat. Nicht selten meldeten sich die Männer aber nie wieder, vielleicht weil sie es leider nicht geschafft hatten, manche aber auch, weil sie ihr neues Leben lieber unabhängig und frei oder mit einer neuen Familie gestalten wollten. Jaja, die gute alte Zeit: hohe Kindersterblichkeit (die wenigsten überlebten das Kleinkindalter, die Geburtensterblichkeit war enorm hoch – und Schwangerschaft und Geburt waren auch das größte Risiko für die Frauen), harte Arbeit schon von Kindesbeinen an, prekäre Arbeitsverhältnisse, keine Absicherung bei Krankheit oder Alter. Nun ja, die wenigsten wurden alt! Nein, ich glaube nicht, dass wir uns in diese „gute alte Zeit“ zurückwünschen.

Bauerngarten mit Fachwerkhaus
Bürgerhaus im Paderborner Dorf
Eingang zum Laden

Im Freilichtmuseum gibt es noch mehr zu sehen als alte Bauernhäuser. Im „Paderborner Dorf“ haben wir uns im Restaurant zum Mittagessen getroffen. Dort gibt es auch alte Bürgerhäuser, einen Kaufladen („Kolonialwarenladen“) und Handwerkswerkstätten zu besichtigen. Auch hier lohnt ein Blick hinter die Fassaden.

Tischlerei-Werkstatt im Paderborner Dorf

Besonders beliebt war die Bäckerei, fast jeder hat sich dort mit einem frischen Brot eingedeckt. Ich hatte passend zur Jahreszeit ein Apfelbrot, schmeckte zum Frühstück wunderbar einfach nur mit Butter bestrichen oder auch mit einem herzhaften Belag.

Das Wetter war leider nicht so gut: Kurze, kräftige Schauer gingen in typisch westfälischen Landregen über. Nicht so einladend für ausgedehnte Spaziergänge über das weitläufige Gelände. 😒 Aber so bleibt beim nächsten Besuch noch etwas zu entdecken; ich werde nicht wieder 40 Jahre damit warten, aber mir einen sonnigen Tag aussuchen, bei dem ich dann mehr über die alten Kulturpflanzen und Haustierarten erfahren möchte, die auf dem Gelände und in den Gärten gepflegt werden.

Das Museum bietet verschiedene Workshops an, vor Ort, aber auch einiges online. Und es gab ein Jubiläumsprogramm. Man kann aber auch einfach spazieren gehen und nach schönen Fotomotiven suchen.

Und sich allein durch den Duft von Heu in die Kindheit zurückversetzen lassen.

Nun ja, jetzt ist die Saison aber beendet, das Freilichtmuseum öffnet erst ab April wieder. Wer schon für 2022 einen Ausflug in die westfälische Alltagskultur der Vergangenheit planen will, findet Informationen hier.

HilDa

Buchtipp: Andy Weir – Der Astronaut

Als Ryland Grace erwacht weiß er weder wo noch wer er ist. Ein erster untrüglicher Hinweis: es herrscht Schwerelosigkeit. So findet er bald heraus, dass er sich in einem Raumschiff befindet. Doch warum? Und warum liegen in den anderen Betten zwei Leichen?

Erst nach und nach kehrt seine Erinnerung zurück. Erinnerungen daran, dass es auf der Erde ein sehr bedrohliches Problem gab. Etwas, dass, die ganze Erdbevölkerung auslöschen könnte. Und ausgerechnet er befindet sich auf einer Mission dieses Problem zu lösen. Einer Mission weit, weit entfernt von der Erde, auf der er nicht so allein ist, wie anfangs gedacht.

Unser Astronaut befindet sich nun also in einem fernen Sternsystem, mit dem Wissen, dass das Überleben der Menschheit von ihm abhängt. Zum Glück hat er sich seinen Galgenhumor bewahrt, so gibt es für uns beim Lesen viel zu schmunzeln. Über was man da so schmunzelt will ich gar nicht mehr erzählen. Das findet man beim Lesen besser selbst heraus. Und da gibt es so einige überraschende Wendungen. Erst ganz zum Schluss lüftet sich der Schleier vollständig von Grace Erinnerungen und man sieht das ganze Ausmaß. Der Weg dahin war ein sehr spannender und unterhaltsamer. Dabei wird auch die Wissenschaft hinter allem beleuchtet – da habe ich gleich wieder Lust mir auch mal ein paar Sachbücher zum Thema zu Gemüte zu führen.

Hier geht es zu den Katalogdaten des Buchs.

lga

Von hier wech – für euch da #6

In unserer Reihe Von hier wech – für euch da war auch die Kinderbuchillustratorin Carmen Hochmann bei uns zu Besuch. Die Bielefelderin zeigt gleich drei tolle kreative Projekte zum Nachmachen und Selber-Kreativ-Werden für Kinder.

In Teil 1 bastelt und malt Claudia Hochmann ein buntes Drachenbild, dass zum Mitmalen anregt.

Weiter geht es im nächsten Video mit einem Spiel. Carmen Hochmann zeigt, wie man ganz einfach ein tolles Würfelspiel selbst basteln kann. Dafür braucht es nur ein Blatt Papier, Stifte, einen Würfel und alles, was man so als Spielfigur verwenden kann.

In Teil 3 gibt es zwei weitere Spiele zu entdecken, die man ganz einfach zuhause nachbasteln kann. Ein paar Stifte und Papier – und schon fährt man auf dem Blatt Papier ein Autorennen oder würfelt sich über ein Fußballfeld.