Literaturtage 2023 – Persönliche Nachlese #4

Monika Maron: Das Haus
Roman "Das Haus" von Monika Maron zusammen mit dem Programmheft der Literaturtage 2023 auf einem gelben Tuch

Ich kann mich noch sehr gut an den Eindruck erinnern, den die Autorin auf mich machte, als ich sie das erste Mal bei einer Lesung erlebt habe: sympathisch, zugewandt, intellektuell. Das war vor vielen Jahren und ich weiß nicht einmal mehr, welchen Roman sie damals überhaupt vorgestellt hat.

Das Haus“ erschien erst wenige Wochen vor dem Termin der Lesung am 31.10.2023. Der Roman reizte mich erst einmal nicht. Bis ich die Rezensionen und begeisterten Buchtipps las, ein Interview mit der Autorin sah und mich wieder an meine ersten Eindrücke von ihr erinnerte.

Monika Maron sitzt auf der Literaturbühne und spricht. Auf dem Tisch vor ihr sind ein Buch, Brille, Glas und ein Tischmikrophon
Monika Maron auf der Literaturbühne (©KlausHansen 2023)

Ein Buch über eine Alten-WG ist für mich ja nun schon ein nahe liegendes Thema, also rein altersmäßig halt.😏 Nun, die Lesung überzeugte mich vollends: Das Buch gehört auf meine Leseliste für 2024. In der von ihr beschriebenen WG würde Frau Maron aber nie selbst einziehen, verriet sie uns im Gespräch. Tja, wenn das nicht neugierig macht!


Marion Poschmann: Der Chor der Erinnyen
Buch "Chor der Erinnyen" von Marion Poschmann zusammen mit dem Programmheft der Literaturtage 2023

Es ist der erste Roman, den ich von Marion Poschmann gelesen habe. Aber ich hatte mich schon mal mit einem Lyrikband von ihr beschäftigt: Geliehene Landschaften. Lyrik über Garten- und Parkanlagen in der ganzen Welt, vor allem über ostasiatische Gartenkunst, Naturlyrik mit spirituellen, ästhetischen und utopischen Bezügen in einer berückenden Sprache.

Den Roman „Der Chor der Erinnyen“ habe ich dann unmittelbar vor unserer Veranstaltung gelesen. Und er hat mich von der ersten Seite an gefangen, auch vor allem sprachlich. Die kurze Erzählung ist poetisch geschrieben, so voller Metaphern und Symbolen. Fast ist es zu viel. Am Ende dachte ich, ich müsse das Buch noch ein zweites Mal lesen, weil ich nicht alle mythologischen Anspielungen und Bilder erkannt oder verstanden habe. Aber Lesen ist ja keine Challenge. Sicher würde auch eine zweite Lektüre lohnen, dieses Sprach-Feuerwerk der Assoziationen ist ein Genuss und offenbart immer neue Entdeckungen. Aber für das Verständnis ist ein mehrfaches Lesen nicht notwendig.

Die Informationen zum Buch und über die Autorin findet Ihr bereits hier.

2 Frauen lachend auf einer Bühne, das Publikum davor ist nur schemenhaft zu sehen. Im Hintergrund eine Projektion "28. Literaturtage Bielefeld. Marion Poschmann "Chor der Erinnyen". (...) 02. November 2023, 20 Uhr
Marion Poschmann (rechts) auf der Literaturbühne mit Moderatorin Angelika Teller (links) (©KlausHansen 2023)

Kafka-Band

Was für ein Abschluss der Literaturtage 2023!

So etwas hatten wir noch nie: ein literarischer Musik-Abend im Foyer der Oetkerhalle mit einer Weltklasse-Band und einem fantastischen Literaten als Leadsänger (dass Jaroslav Rudis hervorragend schreibt und ein mitreißender Vorleser und Erzähler ist, wissen wir schon seit seinen Lesungen bei den Literaturtagen 2018 und 2022).

Die literaturkritische Einführung über Kafka und sein Werk von seinem zurzeit bedeutendsten Biografen war alles andere als trockener Lehrstoff: Reiner Stach hielt einen kurzen und durchaus unterhaltsamen Vortrag, der allein schon Kafka näher bringen konnte, als es die Schule je vermochte (tja nun, ich hatte Kafka als Abiturthema).

Ein Mann mit Mikrofon spricht
Reiner Stach (©KlausHansen 2023)

Doch die Umsetzung der Kafka-Texte in Musik, riss uns dann von den Stühlen. Ich konnte jedenfalls nicht sitzen, selbst als alter Tanzmuffel konnte ich nicht einmal still stehen.

4 Musiker auf einer Bühne, die blau ausgeleuchtet ist. Das Publikum davor ist nur schemenhaft zu erkennen
Die Kafka-Band (©KlausHansen 2023)

Standing Ovations und Zugabe-Rufe gibt es am Ende einer literarischen Veranstaltung ja auch eher selten.
Wow! Best Literaturtage-Abschlussfete ever.

6 Musiker auf einer grün-blau ausgeleuchteten Bühne
(©KlausHansen 2023)

Und by the way auch bereits die perfekte Einleitung ins aktuelle Kafka-Jahr. Die Literaturtage 2023 sind vorbei, aber uns erwarten schon wieder spannende Literaturveranstaltungen 2024. Allein zu Kafka wird es gleich mehrere weitere Möglichkeiten geben, ihn neu zu entdecken:

4x Kafka anders heißt die Reihe. Die erste Veranstaltung mit dem Comic-Zeichner Nicholas Mahler war bereits am 7. Februar. Aber wir haben noch mal nachgelegt (also 4x Kafka + 1) und haben im März eine zusätzliche Veranstaltung eingeschoben. Es folgen somit noch:

  • Michael Kumpfmüller liest aus seinem Bestseller „Die Herrlichkeit des Lebens“ und erzählt uns auch über seine Mitarbeit am Drehbuch für den gleichnamigen Kinofilm (verfilmt von Georg Maas und Judith Kaufmann, ab 14. März im Lichtwerk im Ravensberger Park zu sehen, Karten an der Kinokasse oder unter www.arthousekinos-bielefeld.de): Aus der wahren Geschichte der letzten Jahre Kafkas und seiner Beziehung zu der jungen Köchin Dora Diamant macht Michael Kumpfmüller einen feinsinnigen, behutsamen und kenntnisreichen Liebesroman. Lesung am 15. März 2024, 20:00 Uhr
  • Franz Kafka: Kindheitsmotive. Über Kinder im Werk Franz Kafkas referiert die Professorin für Neuere Deutsche Literatur Claudia Hillebrandt von der Universität Bielefeld, die Texte liest der Schauspieler Thomas Wolff, es moderiert Prof. Dr. Kai Kauffmann. 16. April 2024, 20:00 Uhr
  • Marion Döbert liest Kafkas „Verwandlung“ in Einfacher Sprache. Lesung 4. Juni 2024, 20:00 Uhr
  • Ausstellung „… erträumt“ von Christiane Neumann, 02.09. bis 02.11.2024 in der Südlounge mit Vernissage am 6. September 2024 ab 18:00 Uhr

HilDa

Literaturtage 2023 – persönliche Nachlese #3

Yade Yasemin Önder: Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron
Foto: Roman "Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron" von Yade Yasemin Önder zusammen mit dem Programmheft der Literaturtage 2023

Ich will es nicht verhehlen: Zuerst einmal hatte ich meine Probleme mit diesem Buch. Aufgeteilt in viele kleine Episoden mit Zeitsprüngen, inneren Monologen, traumhaft-surrealen Szenen, Sprachspielereien, Perspektivwechseln – ich hatte Schwierigkeiten, da den roten Faden zu halten. Mein Problem war wohl, dass ich etwas anderes erwartet hatte und darum erst einmal nicht den richtigen Zugang fand. Sprachlich ist das Werk großartig, allerdings auch recht drastisch.

Ich habe erst nach einer längeren Unterbrechung weitergelesen bzw. kurz vor der Veranstaltung noch einmal begonnen und dann auch bis zum Ende gelesen – und endlich konnte ich die Begeisterung meiner Kollegin verstehen.

Ja, das Buch ist eine Herausforderung, aber eine lohnende. Die Metaphern, das Spiel mit der Sprache, die durchaus derbe Art. Wir erleben das Innerste, die Gedankenwelt der Icherzählerin – einschließlich der Gedankensprünge und Assoziationsspiralen, in denen sie festhängt. Das ist wirklich faszinierend, wenn man sich darauf einlässt.

Es gibt kein anderes Medium, mit dem man so unmittelbar die Gedanken eines anderen miterleben kann. Und Yade Yasemin Önder versteht es in „Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron“ meisterhaft, die wirren Erinnerungsschleifen darzustellen, in denen prägende und traumatische Ereignisse immer wieder und wieder gedanklich durchgespielt und variiert werden, als könnten wir so das Vergangene verstehen oder gar ändern, als könnten wir uns so wappnen gegen die Gefühle, die uns schier überwältigen.

Yade Yasemin Önder ist vor ihrem Romandebüt bereits als Dramatikerin bekannt geworden. Spätestens bei der Lesung am 23. Oktober wurde deutlich, dass auch dieser Prosatext laut gelesen werden will. Frau Önders rasante Interpretation zeigte uns auch die Komik des Textes, sie gab den Sätzen einen Rhythmus und einen Drive, der mitriss.

Foto: 2 Frauen, lachend, auf einer Bühne sitzend, schauen ins Publikum. Im Hintergrund der Schriftzug "Yade Yasemin Önder: Wir wissen, wir fallen, und fallen synchron"
Yade Yasemin Önder (links) auf unserer Literaturbühne (mit Moderatorin Dr. Maria Kublitz-Kramer)

Das ist das Wunderbare an den Literaturtagen: Ich kann Werke kennen- und schätzen lernen, auf die ich sonst nicht gekommen wäre. Die Gespräche mit den Autor*innen erschließen mir die Literatur. Und gute Vorleser*innen zeigen mir neue, oft ganz unerwartete Perspektiven.


Simon Strauß: Zu zweit
Foto: Novelle "Zu Zweit" von Simon Strauss zusammen mit dem Programmheft der Literaturtage 2023

Zu zweit“ : eine kleine Novelle, kein überflüssiges Wort. Ein Mann, eine Frau. Beide selbständig, unabhängig, jeder lebt gerne allein, so war es zumindest bisher. Aber in der Katastrophe denken sie anders über ihre Einsamkeit: Wer will schon alleine übrig bleiben in einer zerstörten Welt? Und hatte nicht auch die Mutter einst gesagt, wie schön es doch zu zweit sei?

Schon einmal hatte es eine Zufallsbegegnung der beiden Protagonisten gegeben, für ihn unvergesslich, für sie unbedeutend. Beide sind sehr verschieden. Doch als der Fluss über die Ufer tritt und die Stadt verlassen und menschenleer ist, führen schier unglaubliche Zufälle gerade diese beiden zusammen. So verändert sich alles, fragt sich nur: Ist es das Ende? Oder ist da mitten in der Katastrophe eine Hoffnung, ein Neuanfang trotz der apokalyptischen Bilder?

Mehr werde ich über den Inhalt nicht sagen und erst recht nichts zur Interpretation. Beim Lesen dachte ich manchmal, puh, jetzt wird aber dick aufgetragen. So einen Zufall gibt es doch gar nicht. Aber die Szenen sind so einfühlsam erzählt, berührende Details und versteckte Zeichen verraten uns mehr über die Charaktere, und besonders diese Charakterzeichnung wirkt sehr realistisch. Die Handlung gewinnt dagegen fast mystische Formen, das wird aber erst so richtig vom Ende her sichtbar.

„Da liegt ein bisschen Hoffnung in der Katastrophe“, sagte Simon Strauß gegen Ende der Lesung am 25.10.23. So, jetzt habe ich aber doch schon fast zu viel verraten.


Eugen Ruge: Pompeji
Foto mit dem Roman "Pompeji" von Eugen Ruge und dem Programmheft der Literaturtage 2023

Pompeji“ hatte ich eher zufällig gleich nach seinem Erscheinen im Frühjahr gekauft. Schon nach wenigen Wochen war der Roman unter den Top20 der Bestsellerliste. Und als ich ihn gerade fast zur Hälfte gelesen hatte, kam die Mitteilung: Eugen Ruge liest bei den Literaturtagen im Herbst. Meine begeisterte Empfehlung zu „Pompeji“ konntet Ihr hier im Blog schon lesen. Natürlich war ich jetzt besonders gespannt auf die Begegnung mit dem Autor. Und tatsächlich hat er am 27. Oktober 2023 die Stelle aus dem Buch vorgelesen, die mich beim Lesen am meisten amüsiert hatte.

Das von Jochen Rath, dem Leiter des Stadtarchivs, moderierte Gespräch war launig und informativ und machte noch einmal deutlich, dass hier kein historischer Roman im Sinne dieses Genres vorliegt, sondern mehr eine Parabel auf unsere Gegenwart.

Foto: 2 Männer im Gespräch, auf dem Tisch zwischen ihnen liegt u.a. ein Stapel Bücher
Eugen Ruge (rechts) im Gespräch mit Dr. Jochen Rath

Eigentlich wollte ich noch „Pompeji“ von Richard Harris lesen, der schon einmal die Katastrophe von 79 n.Chr. zum Thema eines Romans mit deutlichen Bezügen zu unserer Zeitgeschichte gemacht hat. Dazu bin ich aber leider noch nicht gekommen.

HilDa

Ich war bei allen Lesungen, habe aber nicht alle vorgestellten Bücher selbst gelesen, nur einige, manchmal auch andere Werke der Autor*innen. Mit meiner persönlichen Nachlese werde ich hier zwar auf alle Veranstaltungen eingehen, den Schwerpunkt lege ich aber auf die Bücher, die ich selbst anlässlich der Literaturtage gelesen habe.

Die Fotos von den Lesungen sind alle von Klaus Hansen, der schon seit einigen Jahren unsere Veranstaltungen begleitet und dokumentiert. Vielleicht habt Ihr ja seine Porträtaufnahmen in der Fotoausstellung im Oktober gesehen. Oder Ihr kennt seinen Bielefeld-Bildband „Ganz nah: Kunst im öffentlichen Raum in Bielefeld“.

Literaturtage 2023 – persönliche Nachlese #2

Christoph Hein: Unterm Staub der Zeit
Roman "Unterm Staub der Zeit" von Christoph Hein zusammen mit dem Programmheft der Literaturtage 2023

Ich glaube, Christoph Hein war zum ersten Mal bei unseren Literaturtagen. Wir waren sehr berührt von dem höflichen und bescheidenen Auftreten des Literaten, von seiner ruhigen und überlegten Art, wie er auf das Publikum einging und Fragen beantwortete.

Der Roman über eine Jugend im Schatten des Mauerbaus (mehr dazu hier) hatte mich ursprünglich nicht gereizt. Es ist schon recht lange her, dass ich ein Werk von Christoph Hein gelesen habe, meine damalige Lektüre (ich glaube, es war „Das Napoleon-Spiel“) hatte mich tatsächlich nicht überzeugt. Einen weiteren Roman, ich weiß nicht einmal mehr, welches Buch das war, habe ich nicht zu Ende gelesen.

An einem Tisch sitzen sich 2 Männer auf einer Bühne gegenüber, der eine blickt ins Publikum. Im Hintergrund eine Projektion u.a. mit Fotos vom Autor Christoph Hein und dem Buch "Unterm Staub der Zeit"
Klaus G. Loest (Moderator) und Christoph Hein auf unserer Literaturbühne (©KlausHansen 2023)

Bei der Autorenlesung am 10.10.2023 war ich dann positiv überrascht von der Sprache, dem Thema und dem Humor, mit dem Christoph Hein das doch so ernste Thema präsentierte – „Unterm Staub der Zeit“ möchte ich im Nachhinein nun doch lesen, bin aber bisher noch nicht dazu gekommen. Steht nun aber definitiv auf der Leseliste für 2024.


Andrej Kurkow: Samson und das gestohlene Herz
Roman "Samson und das gestohlene Herz" von Andrej Kurkow zusammen mit dem Programmheft der Literaturtage

Der Abend begann mit einem schrillen Fehlalarm, der Fehler musste erst gefunden werden, ehe wir mit kleiner Verspätung das Publikum hereinlassen konnten. Da zeigte sich, wie gut ein Live-Musiker in so einer Situation ist: Saxophonist Thomas Schweitzer spielte spontan im Eingangsbereich und lenkte das in der Tür wartende Publikum von der kleinen Panne ab.

Von der Samson-Trilogie habe ich bisher nur den 1. Teil „Samson und Nadjeschda“ gelesen. Auch wenn ich das Buch spannend, informativ und gut geschrieben fand, war ich nicht sicher, ob ich die weiteren Bände lesen wollte. Um diese Frage für mich zu klären, war ich halt gespannt auf die Lesung am 13.10.2023.

Wir konnten an diesem Abend einen sympathischen, offenen und engagierten Autoren erleben, der natürlich auch auf die momentane Situation seiner ukrainischen Heimat einging, ganz ohne zu polemisieren, sehr berührend.

Andrej Kurkow und Moderatorin Iulia Capros lachend auf der Bühne
Andrej Kurkow und Moderatorin Iulia Capros (©KlausHansen 2023)

Am Ende rief er die Zuhörer auf, nicht nur ukrainische Literatur und Kultur zu genießen, sondern sich auch mit der ukrainischen Geschichte zu befassen. Es gäbe auch in deutscher Sprache gute Einführungen und historisch-kritische Auseinandersetzungen zum Thema.

Das möchte ich hier gerne aufgreifen und auf einige Bücher über die (Zeit-)Geschichte der Ukraine in unserem Bestand aufmerksam machen:
Da wären zunächst die Schriften von Andrej Kurkow selbst: „Ukrainisches Tagebuch : Aufzeichnungen aus dem Herzen des Protests“ von 2014 und „Tagebuch einer Invasion“ von 2022.
In der Untergruppe Elp 5 im Bereich E=Geschichte findet Ihr noch viel mehr, hier einige Beispiele als Trefferliste in unserem Online-Katalog.

Ob ich die Samson-Trilogie komplett lesen werde, weiß ich immer noch nicht; ich möchte schon, aber irgendwie wird mein Lese-Stapel doch schon wieder recht groß und da wird es ja auch noch einen 3. Band geben – ist jedenfalls so üblich bei einer Trilogie. 🙂


Milena Michiko Flašar: Oben Erde, unten Himmel
Roman "Oben Erde, unten Himmel" von Milena Michiko Flasar und das Programmheft der Literaturtage

Diese Lesung wurde leider abgesagt. Den Roman hatte ich bereits im Sommer gelesen, eine wunderbare Entdeckung, die wir gerne einem größeren Publikum vorgestellt hätten. Das Buch war nominiert für den Österreichischen Buchpreis und schaffte es bis auf der Shortlist.
Wir hoffen, dass wir die Autorin bei anderer Gelegenheit einmal zu Gast haben können. Hier die Informationen, die wir zur geplanten Lesung zusammengetragen hatten.


Edgar Selge: Hast du uns endlich gefunden
Buch "Hast du uns endlich gefunden" von Edgar Selge, daneben das Programmheft der Literaturtage

Diese Veranstaltung war sehr schnell ausverkauft und das lag sicher nicht nur am Bekanntheitsgrad des Schauspielers. Für unseren Förderverein war der regionale Bezug der Anlass, Autor und den Roman „Hast du uns endlich gefunden“ zu den Literaturtagen einzuladen: Edgar Selge wuchs in Herford auf. Mehr zum Inhalt des Romans mit seinen autobiografischen Bezügen findet Ihr hier.

Der Schauspieler las herausragend, und seine Offenheit im Gespräch beeindruckte alle. 300 Zuschauer haben wir nicht oft zu einer Lesung (und es kommen ja noch die Livestream-Gäste dazu). An der Abendkasse gab es nicht viel zu tun, nur für die Kolleginnen an der Eingangskontrolle wurde es hektisch. Und rund um den Getränkeverkauf.

Edgar Selge mit Buch in der Hand beim Vorlesen - mit großer Gestik und Mimik
Edgar Selge beim Vorlesen: ein mitreißender Vortrag (©KlausHansen 2023)

Diese schöne und erfolgreiche Lesung hat über den Ausfall der vorherigen ein wenig hinwegtrösten können: Die Literaturtage 2023 waren insgesamt die publikumsstärksten der letzten Jahre, wie gesagt trotz des einen Ausfalls. Erfolg wird natürlich nicht nur an statistischen Zahlen gemessen, aber eben auch. Und darum sei es zumindest auch einmal erwähnt ☺️

HilDa

Die Fotos von den Lesungen sind alle von Klaus Hansen, der schon seit einigen Jahren unsere Veranstaltungen begleitet und dokumentiert. Vielleicht habt Ihr ja seine Porträtaufnahmen in der Fotoausstellung im Oktober gesehen. Oder Ihr kennt seinen Bielefeld-Bildband „Ganz nah: Kunst im öffentlichen Raum in Bielefeld“.

Literaturtage 2023 – Persönliche Nachlese #1

Fast ist schon wieder ein Vierteljahr vergangen seit der letzten Literaturtage-Veranstaltung. Zeit für einen kleinen Rückblick.

Ich war bei allen Lesungen, habe aber nicht alle vorgestellten Bücher selbst gelesen, nur einige, manchmal auch andere Werke der Autor*innen. Mit meiner persönlichen Nachlese werde ich hier zwar auf alle Veranstaltungen eingehen, den Schwerpunkt lege ich aber auf die Bücher, die ich selbst anlässlich der Literaturtage gelesen habe.

Die Fotos von den Lesungen sind alle von Klaus Hansen, der schon seit einigen Jahren unsere Veranstaltungen begleitet und dokumentiert. Vielleicht habt Ihr ja seine Porträtaufnahmen in der Fotoausstellung im Oktober gesehen. Oder Ihr kennt seinen Bielefeld-Bildband „Ganz nah: Kunst im öffentlichen Raum in Bielefeld“.


Ulrike Draesner: Die Verwandelten
Foto vom Buch "Die Verwandelten" von Ulrike Draesner; daneben liegt das Programmheft der Literaturtage 2023

Ulrike Draesner war schon mehrfach Gast in der Stadtbibliothek, einmal mit dem Roman „Sieben Sprünge vom Rand der Welt“ und dann mit dem Essayband „Heimliche Helden“ . Ich war neugierig auf die Lyrikerin Ulrike Draesner und habe zur Lesung nicht den aktuellen Roman gelesen, sondern mir den Gedichtband „Doggerland“ vorgenommen.

Ich muss gestehen, mit diesem mehrdimensionalen Textkonstrukt hatte ich Probleme. Aber das Thema interessiert mich. Doggerland heißt eine ehemalige Landbrücke zwischen der heutigen britischen Insel und dem nordeuropäischen Festland, heute erstreckt sich dort der südliche Teil der Nordsee mit dem Ärmelkanal und dem Wattenmeer. Während der Eiszeit war dieses Land nur zum Teil vom Eisschild bedeckt, ansonsten aber mal mehr mal weniger trockenes Land, Lebensraum für Pflanzen und Tiere – und in der Mittelsteinzeit auch für Menschen. Mit dem Ende der Eiszeit stieg der Meeresspiegel, die damalige Landmasse versank. Wahrscheinlich mehrere gewaltige Tsunamis haben dies wohl noch beschleunigt.

Foto vom Buch "Doggerland" von Ulrike Draesner

Ulrike Draesner holt diesen vergangenen Lebensraum wieder poetisch hervor. Dabei ist vor allem ihr sprachlicher Ansatz interessant. So setzt sie Worte und Phrasen aus dem Englischen und Deutschen neben den Text des Langgedichts. Sprachvergleich und Poesie, um eine versunkene Welt wieder aufleben zu lassen. Das setzt viele Assoziationen frei, eine sehr anregende Lektüre.

Allerdings interessiert mich das Thema mehr als die Lyrik. Mit der steinzeitlichen Welt rund um die Nordsee möchte ich mich gerne später noch einmal beschäftigen. Und dann lese ich vielleicht auch „Doggerland“ von Ulrike Draesner gründlicher.

Foto: Ulrike Draesner im Gespräch mit Moderatorin Antje Doßmann auf der Bühne; als Bühnen-Hintergrund ein grob gemalter Stammbaum
© Klaus Hansen 2023

„Die Verwandelten“, so lernte ich bei der Lesung und dem Podiumsgespräch der Autorin mit der Moderatorin Dr. Antje Doßmann, ist ebenfalls komplex konstruiert, lyrisch erzählt und verwebt mehrere Perspektiven kunstvoll miteinander; ein Roman über Krieg, Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert aus der Sicht mehrerer Frauen deutsch-polnischer Herkunft. Um bei den vielen Personen und verzwickten Familienverhältnissen den Überblick zu behalten, hilft ein Stammbaum im Anhang des Buches – ein Hinweis, den einige Leser lieber früher entdeckt hätten 😉

Mehr zum Roman „Die Verwandelten“ findet Ihr in unserem Blogbeitrag zur Lesung am 4. Oktober 2023.

Ulrike Draesner könnt Ihr am 1. Februar 2024 noch einmal hier in Bielefeld erleben: bei der Buchvorstellung zu
Aufruhr verZeichnen: 26 literaturwissenschaftliche Einsprüche“,
eine Kooperationsveranstaltung mit der Universität Bielefeld.


Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts
Foto vom Buch "Das Liebespaar des Jahrhunderts: Biografie einer Frau" von Julia Schoch. Daneben liegt das Programmheft der Literaturtage 2023

Eine Ehe endet. Und damit beginnt der Roman, dessen Titel doch eigentlich das Gegenteil erwarten lässt. Roman und somit auch Lesung und das Gespräch mit Moderatorin Angelika Teller drehten sich um die Frage, ob es DIE GROSSE LIEBE geben kann, ob der Traum von der ewig-währenden Liebe erfüllbar ist. Nun, der Beginn des Romans gibt ja direkt eine ernüchternde Antwort. Auch die überwältigende Verliebtheit eines wunderbar zusammenpassenden Paares mit dem Willen zum lebenslangen Miteinander bietet eben keine Garantie. Aber ist das Ende einer Ehe auch ein Bruch, der die ganze Liebe im Rückblick in Frage stellt? Oder kann da eine Verbindung bleiben, eine Freundschaft, die mehr ist als schmerzliche Erinnerung?

Foto: Julia Schoch im Gespräch mit Angelika Teller, letztere ist nur von hinten zu sehen, der Autorin zugewandt; Frau Schoch spricht gerade
© Klaus Hansen 2023

Eine Liebesgeschichte von ihrem Ende her erzählt ist ein interessanter Ansatz. Der Roman stand eine ganze Weile unter den TOP 20 der Bestsellerliste und auch unsere Bibliotheksexemplare werden rege ausgeliehen. Unser Publikum am 6. Oktober 2023 wirkte ganz gebannt von der Lesung und dem anschließenden Gespräch. Mein Thema ist es allerdings nicht. Nun ja.

HilDa

Kafka Band: Der Process

Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Franz Kafka)

Franz Kafka wurde vor 140 Jahren geboren und hat unvergleichliche Texte hinterlassen. Seinem Freund und Verleger Max Brodt verdanken wir, dass wir sie noch heute lesen dürfen. Denn dieser widersetzte sich dem letzten Willen Kafkas, sein Werk zu vernichten. Also Grund genug, ihn und sein Schaffen in Szene zu setzen. Vielfach sind seine Texte verarbeitet bzw. adaptiert worden. Aber noch nie auf die Art und Weise, wie es die aus Prag stammende Kafka-Band tut. Nach „Das Schloss“ und „Der Verschollene“ (Amerika) bildet das Romanfragment „Der Process“ den Abschluss ihrer Konzert-Trilogie. Nicht nur in Tschechien genießt die Kafka-Band rund um den international bekannten und vielfach ausgezeichneten Autor Jaroslav Rudiš und den Comiczeichner und Sänger Jaromir 99 absoluten Kultstatus. Die beiden Künstler haben in ihrer achtköpfigen Band einige der renommiertesten tschechischen Musiker um sich versammelt. Diese haben einen Soundtrack erschaffen, der eine ganz eigene Kraft und energetische Klangwelt hat – rockig, erzählend und oft tanzbar. Ein Stück Weltliteratur wird uns hier ungewöhnlich und neu präsentiert.

Für die Einführung konnten wir den mehrfach ausgezeichneten Kafka-Biografen Reiner Stach gewinnen, der 2016 mit dem Joseph-Breitbach-Preis geehrt wurde. Eingebettet ist dieser Abend in die 28. Bielefelder Literaturtage der Stadtbibliothek.  Ein Novum ist sowohl die Zusammenarbeit mit den Bühnen und Orchestern Bielefeld als auch der Auftrittsort: die Rudolf-Oetker-Halle.

(Text aus dem Programmheft zur Veranstaltungsreihe)


Die ausleihbaren Werke des Schriftstellers Jaroslav Rudiš findet Ihr in unserem Online-Katalog.

Die ausleihbaren Werke des Comiczeichners Jaromir 99 natürlich auch: hier.

Die Band hat eine eigene Website, aktuelles findet Ihr auf ihrem Facebook-Account.

Auf YouTube gibt es ein promo live video (ca 1:50 Min.) zum Tour-Projekt „Der Process“ – und noch mehr im YouTube-Kanal der Band.

Werke von Reiner Stach über Kafka sind ebenfalls bei uns ausleihbar, vor allem die drei Bände seiner preisgekrönten Kafka-Biografie: Kafka.

Samstag, 4. November, 20 Uhr
Rudolf-Oetker-Halle, Foyer
Beginn: 20.00 Uhr
Einführung: Dr. Reiner Stach
Eintrittspreis: 30 €, ermäßigt 15 €

Zum Online-Ticketverkauf

Unterstützt durch die Stiftung Dr. Dagmar Nowitzki  für Kunst + Kultur

Marion Poschmann: Chor der Erinnyen

Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Franz Kafka)

Roman "Chor der Erinnyen" von Marion Poschmann zusammen mir dem Programmheft der Literaturtage 2023 auf einem gelben Tuch

Ihr Mann hat fluchtartig das Haus verlassen, ohne sich näher zu erklären. Eine Freundin aus Kindertagen taucht auf, und ihre sonst so zurückhaltende Mutter übt plötzlich eine geheimnisvolle Macht aus. Mathilda, die Nüchterne, die distanzierte Studienrätin für Mathematik und Musik, wird sich selbst unheimlich. Hat sie von ihrer Mutter das Zweite Gesicht geerbt? Sie muss erleben, wie sich ihre Visionen in der Wirklichkeit zu manifestieren beginnen. Etwas dunkles Inneres meldet sich zu Wort, ihre Handschrift verselbständigt sich, geflügelte Frauen nehmen in ihrem Alltag immer mehr Raum ein. Es kommt zu Waldbränden und skurrilen Heilritualen, zu fragwürdigen Geschenken. Es kommt Wind auf, dessen Flüstern ihr seltsam vertraut erscheint. Hört sie tatsächlich den Chor der Erinnyen, der zornigen Rachegöttinnen?

Humorvoll, poetisch und höchst originell schreibt Marion Poschmann über angepasste Freundinnen und aufbegehrende Mütter, über den Frevel an der Natur und ihre fragile Schönheit, über die Dämonisierung von Frauen und die Kraft der Verbundenheit. „Chor der Erinnyen“ ist keine Fortsetzung, sondern eine Parallelgeschichte zu ihrem bei Kritik und Publikum überaus erfolgreichen letzten Roman „Die Kieferninseln“. Marion Poschmann wurde in Essen geboren und lebt heute in Berlin. Für ihre Lyrik und Prosa wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, in diesem Jahr mit dem renommierten Joseph-Breitbach-Preis (Begründung der Jury).

(Text aus dem Programmheft zur Veranstaltungsreihe)


Die ausleihbaren Werke von Marion Poschmann findet Ihr in unserem Online-Katalog.

Hier auch eine Literaturliste zum Download oder Ausdruck als PDF

Eine Auswahl Rezensionen und Gespräche über das Buch haben wir hier verlinkt:

  • Buchkritik von Carsten Otte im SWR: Text + Audio (ca. 10 Min.)
  • Rezension von Dirk Hohnsträter im WDR: Text + Audio (ca. 5:20 Min.)
  • Buchkritik von Helmut Böttiger im Deutschlandfunk Kultur: Audio (ca. 6:25 Min.)

Donnerstag, 2. November, 20 Uhr
Stadtbibliothek, Neumarkt 1
Einlass: 19.30 Uhr, Beginn: 20.00 Uhr
Moderation: Angelika Teller
Musik: Nils Rabente, Klavier
Eintrittspreis: 12,– €, ermäßigt 6,– €

(kein Livestream)

Zum Online-Ticketverkauf

Monika Maron: Das Haus

Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Franz Kafka)

Roman "Das Haus" von Monika Maron und das Programmheft der Literaturtage 2023 liegen auf einem gelben Tuch

Katharina, Tierärztin im Ruhestand, erbt ein abgelegenes Gutshaus nordöstlich von Berlin. Schnell ist die Idee geboren, dort eine Kommune mit Freunden einzurichten, um den steigenden Mietpreisen in Berlin zu entfliehen und im Alter nicht allein zu sein. Bei Eva, Katharinas Freundin, sträubt sich zunächst alles gegen die Vorstellung, mit Menschen jenseits der Sechzig zusammenzuziehen. Doch dann lässt sie sich notgedrungen auf das Experiment ein und akzeptiert einen Neuanfang. „Das Haus“ ist ein ebenso ergreifender wie weiser Gesellschaftsroman, in dem Monika Maron universelle Themen des Lebens, der Liebe und des Alters neu verhandelt.

Monika Maron, geboren 1941 in Berlin, wuchs als Stieftochter des späteren DDR-Innenministers (1955-63) Karl Maron auf. Das Verhältnis zum Stiefvater war schlecht; Monika Maron galt als „abtrünnig“. Für keines ihrer Bücher erhielt sie in der DDR eine Druckgenehmigung. „Flugasche“, ihr Debüt und erster Umweltroman der DDR, ließ die Autorin 1981 im Westen publizieren.

Nach zunehmender Isolation, die ein Grundthema auch ihrer Romane ist, siedelte sie 1988 von Ost-Berlin nach Hamburg über. Ihr 1991 erschienener dritter Roman „Stille Zeile sechs“, mit dem ihr der literarische Durchbruch gelang und für den sie u.a. mit dem renommierten Kleist-Preis ausgezeichnet wurde, gibt wenig verschlüsselt Auskunft über ihre außerordentliche Ablehnung des Stiefvaters. Zahlreiche weitere Romane, Erzählungen und Essays folgten, darunter der autobiographische Roman „Pawels Briefe“ (1999) und „Zwischenspiel“ von 2013.

Hunde spielen – seit Johanna und Achim Märtin in „Ach Glück“ (2007) auf einen solchen gekommen sind – in Marons Romanen eine wichtige Rolle. Die 2020 erschienene Erzählung „Bonnie Propeller“ handelte zentral von einer Mensch-Haustier-Beziehung, und im aktuellen Roman „Das Haus“ droht gar eine Wohngemeinschaft an der Hundefrage auseinanderzubrechen.

(Text aus dem Programmheft zur Veranstaltungsreihe)


Die ausleihbaren Werke von Monika Maron findet Ihr in unserem Online-Katalog.

Hier auch eine Literaturliste zum Download oder Ausdruck als PDF

Eine Auswahl Rezensionen und Gespräche über das Buch haben wir hier verlinkt:

  • Rezension von Gerrit Bartels bei rbb-kultur: Text + Audio (ca. 6:10 Min.)
  • Buchkritik von Wolfgang Schneider bei SWR Kultur: Text + Audio (ca. 6 Min.)
  • Buchkritik von Jörg Magenau im Deutschlandfunk Kultur: Audio (ca. 6:30 Min.)
  • Cécile Schormann spricht mit Monika Maron, Video in der ZDF-Mediathek (ca. 14 Min.)
  • Gespräch mit Monika Maron bei Deutschlandfunk Kultur: Podcast (ca. 11:35 Min.)
  • Kurzer Artikel über die Buchpremiere in einer Hamburger Buchhandlung im NDR
  • Bei Perlentaucher gibt es Kurznotizen zu den Rezensionen in der ZEIT, WeLT, FAZ

Dienstag, 31. Oktober, 20 Uhr
Stadtbibliothek, Neumarkt 1
Einlass: 19.30 Uhr, Beginn: 20.00 Uhr
Moderation: Dr. Antje Doßmann
Musik: Elena Kaßmann, Klavier
Eintrittspreis: 12,– €, ermäßigt 6,– €, Livestream 5,– €

Zum Online-Ticketverkauf

Zur Livestream-Buchung

Eugen Ruge: Pompeji

Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Franz Kafka)

Auf einem gelben Tuch liegen der Roman-Bestseller "Pompeji" von Eugen Ruge, dtv-Verlag, und das Programmheft der Literaturtage Bielefeld 2023

Pompeji – für die einen Chiffre für die Urkatastrophe der antiken Welt, wenn man mal vom sagenhaften Atlantis absieht, für die anderen gern gepflegtes, aber unzutreffendes Klischee römischer Dekadenz und Sittenlosigkeit. In dieser Welt siedelt Eugen Ruge seine Parabel an, die in ihrer Beschreibung ebenso süffig wie präzise beginnt und doch bereits voller Andeutungen auf Praktiken des modernen Politbetriebs steckt. Stets geht es um Aufstieg und Machtgewinn des jungen Influencers Josse, der seine rhetorischen Talente kultiviert, eine Bewegung entfaltet und sich mit sehr viel Meinung und wenig Ahnung in höhere Kreis katapultiert. Der Parvenue wird gefördert und gefeiert, beneidet und beargwöhnt. Er findet sich selbst überzeugend und schnell zurecht, verrät Ideale und kündigt Loyalitäten auf – und steht am vulkanisch-plinianischen Ende mit nichts da, ja sogar das blanke Leben verdampft zwischen fliegendem Bimsstein, fließender Lava und herabstürmender Pyroklastika. In dieser lebendig beschriebenen Kulisse in Zeiten der abnehmenden Überzeugungen lässt Eugen Ruge historische Persönlichkeiten und fiktive Gestalten aufziehen, begegnen und verschwinden, lässt mit großer Selbstverständlichkeit moderne Begriffe und Denkmuster über antike Lippen fließen. Josse vollzieht ebenso gekonnt wie abrupt Wendungen, erklärt sie wortreich, aber nicht immer überzeugend seinen Jüngern: Hat sich seit Pompejis Untergang etwas an den Methoden im politischen Circus Maximus geändert? Hilft die Idylle der Ideale oder etwa doch nur die Realpolitik?

(Text aus dem Programmheft zur Veranstaltungsreihe)


Die ausleihbaren Werke von Eugen Ruge findet Ihr in unserem Online-Katalog.

Hier auch eine Literaturliste zum Download oder Ausdruck als PDF

Eine Auswahl Rezensionen und Gespräche über das Buch haben wir hier verlinkt:

  • Rezension von Martin Oehlen in der Frankfurter Rundschau
  • Rezension von Alexander Solloch im NDR: Text + Audio (ca. 5 Min.)
  • Buchkritik von Jörg Magenau im SWR: Text + Audio (ca. 5 Min.)
  • Rezension von Eberhard Falcke im BR: Text + Audio (ca. 10 Min.)
  • Video-Feature über den Roman im Nordmagazin, ARD-Mediathek (ca. 3:10 Min.)
  • Thea Dorn spricht mit Eugen Ruge über sein Buch „Pompeji“, Video ZDF-Mediathek (ca. 28 Min.)
  • Radiofeature über den Roman von Wolfgang Schneider im Deutschlandfunk: Audio (ca. 19:45 Min.)
  • Buchtipp von Theresa Hübner im WDR
  • Unser Buchtipp im Blog hier

Freitag, 27. Oktober, 20 Uhr
Stadtbibliothek, Neumarkt 1
Einlass: 19.30 Uhr, Beginn: 20.00 Uhr
Moderation: Dr. Jochen Rath
Musik: NÉ-K Trio
Eintrittspreis: 12,– €, ermäßigt 6,– €, Livestream 5,– €

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Simon Strauss: Zu zweit

Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Franz Kafka

Auf einem gelben Tuch liegen das Programmheft der Literaturtage und die Novelle "Zu zweit" von Simon Strauss; Tropen-Verlag

Simon Strauß erzählt eine dystopische Geschichte, in der ein junger Mann die zentrale Rolle einnimmt. In Folge heftiger Regenfälle wird dessen bisheriger Lebensraum überflutet und auch sein geordnetes Leben hinweggespült. Dieser namenlos bleibende Verkäufer hat, statt Beziehungen zu Menschen aufzubauen, sich bislang sehr sorgfältig und aufmerksam den Dingen der Welt zugewandt. Während offensichtlich die gesamte Bevölkerung der Stadt vor den Fluten geflohen ist, bleibt er allein zurück. Er verlässt schließlich sein Zimmer und Haus, geht in die Stadt, zum Fluss, gelangt auf das Land und dort in ein anderes Haus. Auf der sprach- und bildlich rauschhaften Tour begegnet der Verkäufer auf wundersame Weise einer jungen Frau. Diese ebenfalls namenlose Vertreterin bildet mit ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber Menschen einen Kontrapunkt zum Verkäufer. In der alles hinwegreißenden Flut spürt dieser, dass er sich nicht länger nur Dingen zuwenden möchte, sondern Sehnsucht nach einem menschlichen Gegenüber hat. So wird die Novelle auch eine wundersame Reise von der Einsamkeit zur Zweisamkeit. Die kraftvollen Bilder und die präzise Sprache machen auch das Lesen zu einem mitreißenden Vergnügen.

Simon Strauß, geboren 1988, hat nach „Sieben Nächte“ (2017) und „Römische Tage“ (2019) einen neuen Erzählband vorgelegt. Er weist die Etikettierung der Kritik als Generationenautor von sich und speist seine Literatur mit anderen Lebensgefühlen.

(Text aus dem Programmheft zur Veranstaltungsreihe)


Die ausleihbaren Werke von Simon Strauß findet Ihr in unserem Online-Katalog.

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Eine Auswahl Rezensionen und Gespräche über das Buch haben wir hier verlinkt:

  • Rezension von Andreas Wirthensohn im WDR: Text und Audio (ca. 5:35 Min.)
  • Simon Strauß im Gespräch mit Joachim Scholl im Deutschlandfunk Kultur: Audio (ca. 12:20 Min.)
  • Rezension von Björn Hayer in Der Freitag
  • „Wir brauchen das Theater als mentale Infrastruktur“ – Gespräch von Joachim Scholl mit Simon Strauß im Deutschlandfunk: Audio (ca. 69 Min.)
  • Judith von Sternburg über eine Lesung mit Simon Strauß in der Frankfurter Rundschau.

Mittwoch, 25. Oktober, 20 Uhr
Stadtbibliothek, Neumarkt 1
Einlass: 19.30 Uhr, Beginn: 20.00 Uhr
Moderation: Dr. Udo Witthaus
Musik: Leptophonics
Eintrittspreis: 12,– €, ermäßigt 6,– €, Livestream 5,– €

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Yade Yasemin Önder: Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron

Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Franz Kafka)

Roman "Wir wissen wir könnten und fallen synchron" von Yade Yasemin Önder zusammen mit dem Programmheft der Literaturtage Bielefeld

Yade Yasemin Önders Romandebüt aus dem Jahre 2022 ist ein großartiges, anarchisches Sprachereignis. Gekonnt weiß die Autorin, die sich bisher schon mit Theaterstücken einen Namen gemacht hat, mit den Ängsten und Zweifeln ihrer Protagonistin umzugehen, setzt sie immer wieder absurden Situationen aus und zeigt, wie toxisch das Konstrukt Familie sein kann. Im Jahr nach Tschernobyl wird die Ich-Erzählerin geboren, irgendwo in der westdeutschen Provinz, als „Mischling aus meiner Mutter und meinem Vater“, wie es heißt. Gleich zu Beginn des Romans stirbt der übergewichtige türkisch-kurdische Vater einen spektakulären Tod: Beim Versuch, sich des Walnussbaums im Garten zu entledigen, sägt er sich in den Körper und verblutet. Alleingelassen mit der übergriffigen (deutschen) Mutter, erlebt die Ich-Erzählerin alle Phasen der zwiespältigen Aneignung des weiblichen Körpers, in denen weder lebensbedrohliche Essstörungen noch sexuelle Gewalterfahrungen ausgespart bleiben. In einem temporeichen, geradezu „surreal“ sarkastischen Mix aus Familiendrama und Coming-of-Age-Story erzählt der Roman, wie eine junge Frau sich immer wieder verliert und wiederfindet, auseinanderfällt und neu zusammensetzt.

Önders Debüt ist ein wilder Roman, der die Ambiguität weiblicher Erfahrung von Wehrlosigkeit und Selbstnormierung in atmosphärisch dichten, z.T. irrsinnig komischen Szenen ausleuchtet, in denen ihre Erfahrungen als Drehbuchautorin erkennbar werden.

Yade Yasemin Önder studierte literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Ihr erstes Theaterstück „Kartonage“ wurde zu den Autorentheatertagen 2017 eingeladen und am Wiener Burgtheater uraufgeführt. 2018 war sie Gewinnerin des open mike in der Kategorie Prosa.

(Text aus dem Programmheft zur Veranstaltungsreihe)


Die ausleihbaren Werke von Yade Yasemin Önder findet Ihr in unserem Online-Katalog.

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Eine Auswahl Rezensionen und Gespräche über das Buch haben wir hier verlinkt:

Montag, 23. Oktober, 20 Uhr
Stadtbibliothek, Neumarkt 1
Einlass: 19.30 Uhr, Beginn: 20.00 Uhr
Moderation: Dr. Maria Kublitz-Kramer
Musik: GIRLWOMAN
Eintrittspreis: 12,– €, ermäßigt 6,– €, Livestream 5,– €

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