postpoetry.NRW ist ein Lyrikprojekt der Gesellschaft für Literatur in Nordrhein-Westfalen, ein Landeswettbewerb für Lyriker*innen und Nachwuchsautor*innen aus Nordrhein-Westfalen.
Wir hatten zwei Preisträgerinnen aus dem Jahr 2022 zu Gast, Jennifer de Negri und Lena Riemer (Nachwuchspreis), sowie Oberstufenschüler und -Schülerinnen des Helmholtz-Gymnasiums Bielefeld. Moderiert wurde die Veranstaltung von Marion Gay, die übrigens schon selbst einmal Preisträgerin bei PostPoetry war (2019), da war sie dann ebenfalls in Bielefeld zu einer Lesung mit Schülern. Heute leitet sie das Projekt.

Am 9. März diskutierten die Schriftstellerinnen gut eine Stunde lang mit den Schülern und Schülerinnen. Sie lasen einige ihrer Gedichte und fragten die Jugendlichen nach ihren Empfindungen und Meinungen.
Ich muss sagen, ich war doch sehr überrascht über die klugen Fragen und Interpretationen der Jugendlichen. Das war nicht nur einfach eine Schulveranstaltung, die sie abgesessen haben. Sie waren nicht nur gut vorbereitet zu dieser Lesung erschienen – sie waren wirklich interessiert und berührt.
Beeindruckt war ich aber auch von den Lyrikerinnen. Sie erzählten von ihren Inspirationen, von der Stellung der modernen Lyrik im heutigen Literaturbetrieb und vor allem als Stoff im Deutschunterricht – dort erscheine Gegenwartslyrik in den Lesebüchern hauptsächlich als Popsong-Text, so als sei Lyrik als eigene Literaturgattung seit den 1970er Jahren tot.
Dabei haben sich neue, auch sehr populäre Formen entwickelt. Lena Riemer sprach von Stage Poetry und Page Poetry, also Lyrik, die für die Bühne getextet ist und deren Performance für Publikum (und Jury wie beim Poetry Slam) sofort wirken muss, und geschriebene Lyrik, die zur Veröffentlichung (auf Papier oder digital) gedacht ist, für die sich der Rezipient Zeit nehmen kann, die man immer wieder neu lesen und auf sich wirken lassen kann. Sie selbst hat schon als Schülerin auf der Bühne an Poetry Slams teilgenommen.
Dass im Gedicht thematisch alles möglich ist, bewies Jennifer de Negri mit ihren Gedichten über Pilze: Da spielt sie lautmalerisch mit den botanischen Namen – „Hush hush, Hallimasch“ – und führt uns in die noch immer fast unbekannte Parallelwelt der symbiotischen Pilzgesellschaften ein – vielleicht wird die Welt ja mal in ferner Zukunft von Pilzen beherrscht 🤔
Die beiden Dichterinnen wirkten wie ein eingespieltes Team, dabei war es für sie die erste Veranstaltung dieser Art. Ich fand es beeindruckend, wie sie auf Augenhöhe mit den Schüler*innen diskutierten und selbst begeistert waren über die verschiedenen Sichtweisen und Interpretationen. Es gebe nicht nur die eine gültige Auslegung; auch die Dichterinnen selbst beanspruchen sie nicht, obwohl sie natürlich wissen, welche Gedanken und Empfindungen sie beim Schreiben geleitet haben. Aber da jeder Leser seine Erfahrungen und Gefühle in die Verse projiziere, seien auch völlig andere Interpretationen möglich und auf keinen Fall falsch. Das mag im Deutschunterricht meist anders gehandhabt werden, die Poetinnen selbst akzeptierten, ja, freuten sich über unerwartete Sichtweisen.
Das Gespräch zwischen den Künstler*innen und den Schüler*innen kam fast ohne Moderation aus, vielleicht eine etwas undankbare Rolle für Marion Gay, aber ihre Zurückhaltung war genau richtig. Da kam ihr sicher ihre eigene Erfahrung zu gute. Aber so ein konstruktives und lebhaftes Gespräch hatte auch sie nicht erwartet.

Lyrik ist nicht tot. Dieser frische Austausch im Rahmen des PostPoetry-Projekts oder auch die PoetrySlam-Workshops an den Gymnasien Helmholtz und am Waldhof (gefördert von der Literarischen Gesellschaft), deren Ergebnisse wir in zwei Veranstaltungen auf unserer Literaturbühne erleben konnten, beweisen: Lyrik ist jung, modern, cool.
Lena Riemer und Jennifer de Negri empfehlen allen, die sich selbst in Lyrik ausdrücken möchten, egal ob on Stage oder on Page, es zu machen und sich z. B. an Wettbewerben wie PostPoetry zu beteiligen – auch wenn man vom Schreiben und Dichten allein nun mal nicht leben kann, das solle aber niemanden abschrecken.
Und für alle, die an Lyrik der Gegenwart und aus aller Welt interessiert sind, empfehlen sie die Lyrik-Plattform Lyrikline, ein Projekt vom Haus für Poesie, Berlin, in Kooperation mit internationalen Netzwerkpartnern.
Auch Schreibwerkstätten für Jugendliche sind ein guter Einstieg in das Kreative Schreiben. Unser nächster SchreibRaum startet schon am 15. April, Ihr könnt Euch anmelden; der Kurs ist auf maximal 14 Plätze beschränkt, die Anmeldefrist läuft bis zum 6. April. Kurztexte, egal ob Prosa oder Lyrik, veröffentlichen wir am Ende in unserer Zeitschrift WORTWAHNSINN und auf einer Abschlussveranstaltung vor Publikum.
HilDa
