Triceratops, T-Rex, Supersaurus

Eigentlich war das Bilderbuch lediglich mein „Fotomodell“ für einen Beitrag über Dinosaurier. Aber mir sind gleich diese schönen Illustrationen aufgefallen, die noch dazu so ziemlich dem Stand der heutigen Forschung entsprechen. Urzeitliche Echsen, die nicht nur grau-braun-olivgrüne Schuppenhaut tragen, stumpfsinnig durch die Landschaft stapfen und ohrenbetäubend brüllen, dass sich die Bäume biegen. Diese Dinosaurier wirken agiler, sie haben verschiedene Farben und Muster, viele tragen Federn, sogar der gefährliche Jäger Tyrannosaurus Rex hat eine Art Daunenkleid. Das alles ist bunter als erwartet.

Kinderbuch "Triceratops, T-Rex, Supersaurus" von Virginie Aladjidi und Emmanuelle Tchoukriel. Das Buch steht auf einer grünen Fläche - umringt von Spielzeug-Dinosauriern.

Damit zeigt dieses Kindersachbuch die Dinosaurier vielleicht realistischer als bisherige Dino-Bücher und Filme. Ganz genau wissen wir das natürlich nicht, die Dinosaurier sind ja vor 66 Millionen Jahren ausgestorben. Die Fossilien, die bisher gefunden und analysiert werden konnten, lassen noch viele Fragen offen. Jeder neue Fund bringt neue Erkenntnisse. Da meist nur versteinerte Knochen gefunden werden und nur sehr, sehr selten halbwegs vollständige Skelette, können Forscher nur indirekt auf die Statur, Körperhaltung sowie Bewegung und Gangart schließen. Struktur und Farbe der Haut sind noch seltener in versteinerten Abdrücken erkennbar, ebenso die filigranen Federn. Darum ist es nicht verwunderlich, dass erst durch Funde in den letzten Jahrzehnten und auch durch die Auswertung älterer Funde mit neuesten technischen Möglichkeiten Federn oder Daunen bei den Urzeitechsen entdeckt werden konnten. Auch Farbpigmente konnten erst mit modernen Forschungsinstrumenten vereinzelt nachgewiesen werden. Computersimulationen ermöglichen es, Körperhaltung und Bewegung der Tiere aufzuzeigen. Aber nach wie vor ist vieles reine Spekulation.

Was hat das mit diesem Bilderbuch zu tun? Das Buch ist mir aufgefallen, gerade weil es die Dinosaurier bunt und weit vielfältiger darstellt, als ich es sonst kenne – eben nicht die grünen Jurassic-Park-Monster. Genau so hatte es Bernhard Kegel in seinem Buch gefordert: eine Anpassung unseres Dino-Bildes an die modernen Erkenntnisse der Forschung. Aber zugegeben, der T-Rex im Daunenkleid sieht schon etwas befremdend aus.

Das Buch ist nach den großen Erdepochen aufgeteilt: Trias – Jura – Kreide. Die einzelnen Seiten zeigen dann die Tiere wie in einem Bestimmungsbuch: feine Zeichnungen, die die Dinos auch meist in einen kleinen Kontext setzen, z. B. beim Fressen von Farnblättern oder beim Aufpassen neben ihrem Nest. Der Text neben den Bildern gibt aber nicht nur Größe, Gewicht und Klassifizierung der Art an. Es werden auch die Daten genannt, wann erstmals Fossilien dieser Spezies gefunden wurden sowie weitere Angaben über deren Fundgeschichte.

Das Buch beginnt mit einem Interview: die Paläontologin Dr. Claire Peyre de Fabrègues vom Pariser Museum für Naturgeschichte erzählt von ihrer Forschungsarbeit. Die Texte sind wohl eher an ältere Kinder bzw. Jugendliche gerichtet, vor allem wenn dort ein entsprechender Berufswunsch besteht: irgendwas mit Dinos 🦖🦕

Die Illustrationen sind jedenfalls für Leser und Leserinnen jeden Alters interessant.

Viel Freude beim Lesen
HilDa

„Ausgestorben, um zu bleiben“

Für einen Blogbeitrag über Dinosaurier und ihre Faszination vor allem auf Kinder musste ich ein paar Fakten recherchieren. Dabei fiel mir auf, dass es in der Abteilung Naturwissenschaften hauptsächlich Filme über die Dino-Forschung gibt, kaum Bücher für die Zielgruppe Erwachsene. Beim Einstellen zurückgegebener Bücher fiel mir dann das Sachbuch von Bernhard Kegel in die Hände. Ich erinnere mich, dass es sehr gute Kritiken erhalten hatte, es war auf der Longlist 2019 zum „Wissenschaftsbuch des Jahres“ in der Kategorie Naturwissenschaft/Technik.

Gleich die Einleitung enthält alle Fakten, die ich noch für meinen Artikel brauchte, ein schöner und praktischer Zufall für mich. Eigentlich wollte ich gar nicht tiefer in das Thema einsteigen. Aber diese Einleitung machte neugierig auf mehr. Also habe ich das Buch als Urlaubslektüre mitgenommen, obwohl ich mich eigentlich auf gute Krimi-Unterhaltung gefreut hatte. Aber Agatha Christie musste warten. „Ausgestorben, um zu bleiben“ erwies sich als genauso spannend und unterhaltend wie ein Krimi. Das verwundert nicht, denn Bernhard Kegel ist auch als Romanautor bekannt.

„Dinosaurier und ihre Nachfahren“ ist der Untertitel des Sachbuchs. Es erzählt nicht nur die Evolutionsgeschichte der Dinosaurier über schlappe 170 Millionen Jahre. Genauso spannend ist die Wissenschaftsgeschichte rund um die Entdeckung der Fossilien und den Einfluss der Dino-Forschung auf unser Weltbild und auf die Populärkultur bis hin zu den Jurassic-Park-Filmen. Bernhard Kegel schreibt informativ und ist dabei auf dem Stand der aktuellen Forschung. Auch für mich als Laien ist alles leicht verständlich. Vor allem aber schreibt er überhaupt nicht trocken oder fachwissenschaftlich überfrachtet. Ich musste oft lachen, wurde mitgerissen und habe abends und in der Nacht mehr gelesen, als ich wollte – in meinem Erholungsurlaub hätte ich eigentlich etwas mehr schlafen sollen, aber Bernhard Kegels Dinowelt ließ mich nicht los.
Populärwissenschaft at its best!

Viel Freude beim Lesen
HilDa

Die Dinos sind los!

Und das ausgerechnet in der Kinderbibliothek!

3 Plastik-Dino-Figuren auf einem grünen Brett, Bücherregale im Hintergrund: ein Stegosaurus, ein Tyrannosaurus, ein Brontosaurus (?)

Aber wo denn auch sonst?

Sind Kinder doch die größten Fans dieser schon vor Jahrmillionen ausgestorbenen Tierarten. Da habe ich schon kleine Dino-Experten erlebt, die fehlerfrei Dutzende Sauriernamen aufzählen und zuordnen konnten. Auch so mancher Erwachsener erliegt der Faszination dieser Wesen aus einer längst vergangenen Welt. Ich gehöre dazu. Wenn ich auch nicht die komplizierten Namen kenne. Ich schaue gerne Film-Dokumentationen über die Urtiere und lese über die neuesten wissenschaftlichen Hypothesen zu ihrer Lebensweise in populärwissenschaftlichen Zeitschriften.

Was Paläontologen und Geowissenschaftler alles aus Steinen, Erdschichten und Fossilen über die verschiedenen Erdzeitalter lesen können, ist einfach spannend. Und die lange Ära der Dinosaurier ist da besonders: fremdartig, kolossal und vielfältig, erstreckt sie sich doch über rund 170 Millionen Jahre. In diesem Zeitraum haben sich die Kontinente mehrfach komplett umgebildet: Die ersten Saurier haben nach und nach den Superkontinent Pangäa bevölkert, der dann aber in mehrere Kontinentalplatten brach, die auseinander drifteten, weiter brachen oder wieder zusammenstießen. Als die Dinosaurier ausstarben, sah die Erde schon fast so aus wie heute. Diese Kontinentalverschiebungen geschehen unendlich langsam! Aber über die Jahrmillionen sind die Umweltveränderungen gewaltig. In dieser Zeit entstanden Meere und verschwanden wieder, riesige Gebirge türmten sich auf und erodierten wieder. Die Lebensräume veränderten sich langsam aber stetig, das hatte Einfluss auf Meeresströmungen und Winde, auf das Klima, die Höhe des Meeresspiegels. Es gab Vulkanausbrüche gewaltiger als alles, was die Menschheit je erlebt hat. Der Sauerstoffgehalt in der Luft war anders, ebenso der CO2-Wert.

Mehrere Bücher und DVDs über Dinosaurier liegen auf einem Tisch
Auswahl der Dino-Bücher und -Filme aus dem Regal „Naturwissenschaften“

Die Dinosaurier konnten sich diesen Veränderungen über Jahrmillionen anpassen, naja, einige zumindest. Denn das heißt auch, einige Arten starben aus, andere entwickelten sich weiter; so entstanden immer neue Dinosaurierarten, eine große Vielfalt, Evolution nennt man das. Es gab sogar mindestens ein großes Massensterben zwischendurch. Selbst das überlebten einige Arten. Die Saurier besetzten in mehreren Erdzeitaltern nahezu jede ökologische Nische auf der Erde. Es gab Meeressaurier, Flugsaurier, und an Land wurden die Dinosaurier mit ihrem Artenreichtum zur vorherrschenden Gattung. Wir kennen wahrscheinlich längst noch nicht alle, da gibt es für Paläontologen noch immer viel zu entdecken.

Viele der bekanntesten Dinosaurier lebten gar nicht gleichzeitig auf der Erde. Der Stegosaurus mit seinen gewaltigen Knochenplatten und ebenso der Brontosaurus waren schon seit schlappen 80 Millionen Jahren ausgestorben, als die ersten Tyrannosaurier nach Beute suchten. Triceratops und Tyrannosaurus Rex lebten aber tatsächlich im gleichen Zeitalter und auf dem gleichen Kontinent.

Stegosaurus als Plastikfigur
Stegosaurus
Tyrannosaurus Rex als Plastik-Spielfigur
Tyrannosaurus
Brontosaurus als Plastik-Spielfigur
Brontosaurus

Und wusstet Ihr, dass sich erst vor ca. 160-140 Millionen Jahren Blütenpflanzen auf der Erde ausbreiteten? Noch so eine umwälzende Veränderung des Lebensraums in der Kreidezeit. Die Dinosaurier in den Jahrmillionen davor kannten noch keine Blüten. Der berühmte T-Rex schon, der tauchte erstmals vor 68 Millionen Jahren auf, und genau wie all seine Artgenossen starb er vor ca. 66 Millionen Jahren aus. Ob der gefährliche Fleischfresser wohl ab und zu an einer schönen Blume geschnuppert hat?

Teil unserer Faszination an Dinosauriern ist ihr plötzliches Aussterben. Da hatte es so lange die verschiedensten Dinosaurier auf der Erde gegeben, sie hatten sich an unterschiedliche Biotope angepasst, alle Kontinente bewohnt, sie waren die vorherrschende Spezies und dann – BOOM. Wahrscheinlich war der Einschlag eines riesigen Meteoriten die Ursache, einen entsprechenden Krater fand man erst vor wenigen Jahrzehnten. Geologen konnten rekonstruieren, dass der Himmelskörper einen Durchmesser von 8-10, vielleicht sogar bis zu 15 km gehabt hat, das ist ein Brocken weit mächtiger als der Mount Everest. Der Einschlag hat innerhalb kürzester Zeit weltweit alles verändert, nicht nur die Region rund um den Golf von Mexiko – an der Spitze der Halbinsel Yukatan fand man die Reste des immensen Kraters. Binnen Tagen oder sogar nur Stunden wirkte sich die Katastrophe rund um den Globus aus. Nicht nur die Dinosaurier fielen dem zum Opfer, auch viele andere Tierarten starben in dieser Zeit aus, insgesamt über 70% aller Spezies. Die wenigen Tiere, die die Katastrophe und die anschließenden Auswirkungen überlebten und sich den neuen klimatischen Verhältnissen anpassen konnten, entwickelten sich ganz anders weiter, als wenn da noch die Dinosaurier das Land und die großen Meeressaurier die Meere beherrscht hätten. Säugetiere hatten sich parallel zu den Sauriern entwickelt, doch erst nach deren Aussterben konnten sie in einer riesigen Artenvielfalt nahezu alle Lebensräume der Erde bevölkern.

Sachbuch "Ausgestorben, um zu bleiben" von Bernhard Kegel. Neben dem Buch steht ein Tyrannosaurus mit aufgerissenem Maul (als Plastik-Spielfigur)
Zu diesem Sachbuch demnächst mehr im Blog
Kinderbilderbuch "Triceratops, T-Rex, Supersaurus". Neben dem Buch die Spielzeugfigur eines Tyrannosaurus Rex
Und zu diesem Kindersachbuch auch

Die ersten Frühmenschen der Gattung Homo gab es übrigens erst vor ca. 2,5 Millionen Jahren, also erst lange, lange nach dem Aussterben der Dinos. Menschen der Art Homo Sapiens, das sind wir, gibt es sogar erst seit ca. 300 000 Jahren. Das ist ein Wimpernschlag im Vergleich zum Zeitalter der Dinos.

Diese Zeiträume sind für uns kaum vorstellbar. Paläontologie und Geowissenschaften können die vergangenen Erdzeitalter Stück für Stück rekonstruieren. Gerade in den letzten Jahrzehnten gab es immer wieder neue Entdeckungen, neue Erkenntnisse und spannende Hypothesen. Erstaunlich viele Dinos hatten Federn, das beweisen Versteinerungen, wie man sie z. B. in China gefunden hat. Es gilt mittlerweile als erwiesen, dass Vögel direkt von den Dinos abstammen bzw. eine eigene Unterart der Dinosaurier sind. Die Dinos sind also gar nicht ganz ausgestorben, die Vogel-Dinos haben die Katastrophe überlebt. Heute gibt es ca. 11.000 verschiedene Vogelarten – Dino-Nachfahren, die sogar in unseren Gärten zu beobachten sind.

Regalbrett mit mehreren Kinderbüchern  und einer DVD über Dinosaurier
Das Regal in der Kinderbibliothek sieht übersichtlich aus:
Viele Dino-Bücher sind gerade ausgeliehen

Nun, die Dinos, die in unserer Kinderbibliothek „leben“, zeigen Euch den Weg zu mehr Informationen: Hier gibt es ein ganzes Regal mit Büchern über Dinosaurier: Bilderbücher, Sachbilderbücher, Jugendsachbücher. Auch im Regal der Naturwissenschaften im 1. Obergeschoss findet Ihr Bücher über Urzeittiere und über die Wissenschaften zur Erforschung ihrer Lebensweise. Und mit Hilfe von beeindruckenden Computeranimationen werden die Giganten und ihre Welt in unseren DVD-Sachfilmen wieder lebendig. Oder stöbert doch einmal hier in der ZDF-Mediathek bei den TerraX-Filmen.

Über Dinosaurier wissen wir erstaunlich viel, aber noch viel mehr ist unbekannt oder bestenfalls Vermutung. Es gibt immer wieder neue Entdeckungen und Erkenntnisse. Die Forschung wird also nie langweilig. Und noch viele Generationen von wissbegierigen Kindern können Neues über die Welt der Urzeit lernen.

Viel Freude beim Lesen.
HilDa

Buchtipp: Heinrich Heine – eine Lebensfahrt

Ausschnitte der Texte und vor allem die Bilder von Gaby von Borstel und Peter Eickmeyer kannte ich schon von einer Sonderausstellung im Düsseldorfer Heinrich-Heine-Museum; dazu gab es bereits einen Blogbeitrag: Zu Besuch bei Heinrich Heine. Nun gibt es also die Graphic Novel (gedruckt und als eBook) dazu. Ich würde es eher eine wunderschön illustrierte Heine-Biografie nennen. Darum steht das Buch auch nicht bei den Comics, sondern als Sachbuch im ungewöhnlichen Format bei der Literaturwissenschaft in der Untergruppe mit den Schriftsteller-Biografien, der genaue Standort ist Literaturwissenschaft Pyk Heine, H. Borst.

Der Bielefelder SPLITTER-Verlag hat das Projekt zusammen mit dem Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf, verwirklicht. Die erste Auflage des Buches war schnell vergriffen.

Buch "Heinrich Heine - eine Lebensfahrt" von Gaby von Borstel und Peter Eickmeyer. Das gemalte Cover zeigt ein Heine-Porträt, auf dem der Dichter einen Blumenkranz trägt und eine Kutsche, die durch eine Winterlandschaft fährt

Eine Lebensfahrt – so der Titel der Biografie, die mit dem gleichnamigen Gedicht beginnt. Das Leben des Dichters wird nicht einfach berichtet, Heinrich Heine erzählt via vieler Zitate aus seinem umfangreichen Werk zu einem großen Teil selbst. Das ist geschickt zusammengestellt, die Originalzitate, kenntlich gemacht durch Kursivschrift, und die biografischen Daten verschmelzen zu einer lebendigen Einführung in das Leben, die Sprache und die Poesie des Schriftstellers. Dabei werden viele kleine Geschichten erzählt: über Heines Lieblingsbücher in der Kindheit, über die Frauen, in die er sich verliebte, seine ernüchternde Begegnung mit Goethe, über Freunde und Gegner, die ihn prägten, seine politischen und philosophischen Überzeugungen, sein Glück und sein langes Leiden in Paris, …

Wir lernen auch viel über die Zeit, in der er lebte: von der napoleonischen Besetzung in Düsseldorf, die Zeit der Restauration und des Vormärz, den Revolutionen um 1848/1849, die literarischen Salons in Berlin und das Leben in Paris, der damals größten Metropole auf dem europäischen Festland mit einer großen deutschen Exil-Gemeinde.

Doch das herausragende Merkmal des Buches sind natürlich die Illustrationen. Die beiden Künstler zeichnen nicht nur Heines Leben nach, sie illustrieren auch seine Träume, seine Poesie und seinen Schmerz mit farbenprächtigen, zum Teil seitenfüllenden Gemälden. In der Düsseldorfer Ausstellung waren sie im Original und in voller Größe zu bewundern – und in ihrer ganzen Farbenpracht. Die Komposition im Buch zwischen Bildern und Text finde ich geglückt.

Ich habe mich bisher fast nur mit seiner Lyrik befasst, aber Heine schrieb auch Reiseberichte und Essays, er gilt als der Begründer des modernen Feuilletons und vor allem war er ein sehr politischer Mensch. Sein gesellschaftskritisches Schreiben klingt auch heute noch nach fast 200 Jahren erstaunlich modern, seine ironischen Spitzen treffen – leider – auch heute noch ins Schwarze.

In diesem Jahr werden wir in unserer Lyrik-Rubrik „Bitte, ein Gedicht“ so einige seiner Gedichte zeigen. Wenn Ihr auch den Prosa-Autor Heine kennenlernen wollt, ist diese illustrierte Biografie mit vielen Originalzitaten aus Briefen, Reportagen und Essays ein sehr schöner Einstieg.

HilDa

Sachbuch-Tipp: Einspruch!

Nach den Büchern von Pia Lamberty und Katharina Nocun habe ich nun endlich auch Ingrid Brodnigs „Einspruch!“ gelesen. Es gibt mittlerweile eine ergänzte Neuauflage, ich hatte aber noch ein Exemplar der Bestseller-Ausgabe von 2021.

Ingrid Brodnig ist eine österreichische Autorin, die bereits mehrere Bücher und Aufsätze zu den Themen Hass und Hetze im Internet geschrieben hat, sie gibt Workshops und Tipps zum Umgang mit Fake News und Verschwörungsmythen. Ihr Buch „Einspruch!“ überschneidet sich an vielen Punkten mit den beiden Büchern von Lamberty/Nocun und ergänzt sie (oder umgekehrt 🤓).

Das Buch "Einspruch" Verschwörungsmythen und Fake News kontern - in der Familie, im Freundeskreis und online. Strategien und Tipps, damit Fakten wirken" von Ingrid Brodnig, es liegt auf Zeitungsschnippseln

Die Beispiele und Tipps sind sehr anschaulich und nachvollziehbar. Ingrid Brodnig bezieht sich auf wissenschaftliche Studien, zum Teil auch auf persönliche Gespräche mit Kommunikationswissenschaftlern und Soziologen – und nicht zuletzt mit Betroffenen: mit Menschen, die selbst gefangen waren in einem Konstrukt von Verschwörungsmythen, und mit deren Angehörigen. Ausgehend von diesen konkreten Beispielen erklärt die Autorin die Wirkungsweise von Falschmeldungen (egal ob bewusst als Lüge in die Welt gesetzt oder ob weitergegeben, weil sie geglaubt werden) und sie führt mögliche Strategien dagegen auf. Sie sagt in der Einleitung:

Ich gehe auf den kommenden Seiten vor allem einer Frage nach: Was können Sie als Einzelne oder Einzelner tun, wenn Sie sachlich diskutieren möchten – wenn Sie zur Aufklärung bei einzelnen Themen beitragen oder auch Menschen erreichen wollen, die Ihnen wichtig sind?

Es geht ihr in dem Buch um konkrete Empfehlungen und Tipps, die uns helfen, ausufernde Diskussionen wieder auf die sachliche Ebene zu bringen, Mechanismen der Irreführung zu durchschauen und angemessen zu kontern. Oder wie der Klappentext die Ziele kurz zusammenfasst:

„Warnsignale erkennen – Grenzen ziehen – geschickter argumentieren – Fallstricke durchschauen – Denkmuster aufbrechen – effizienter diskutieren“.

Ich finde das Buch klar verständlich und hilfreich. Die Beispiele, die Ingrid Brodnig erzählt, drehen sich um aktuelle Diskussionsthemen, die leicht auch im persönlichen Umfeld eskalieren können: Corona, Rassismus, Chemtrails, Impfung, Antisemitismus, etc. – leider scheinen die Themen austauschbar, aber die Mechanismen ähneln und wiederholen sich. Internet und Social Media dienen als Beschleuniger im Verbreiten von Gerüchten, Falschmeldungen und Verschwörungsmythen. Menschen verfangen sich im Lügengestrüpp und einige verfallen ihm sogar wie in einer Sekte. Und das ist keine Frage des Alters oder der Bildung. Es kann jeden treffen und uns am Arbeitsplatz, beim Einkauf, in der WhatsApp-Gruppe oder bei der Familienfeier mit der plötzlichen Frage konfrontieren: Wie reagiere ich am besten, ohne mich selbst zu verbiegen. Oder ist vielleicht Schweigen besser in der jeweiligen Situation?

Hilfreich ist auch, dass Ingrid Brodnig beide Gruppen zu Wort kommen lässt: ehemalige Verschwörungsgläubige, die erzählen, wie sie auf Diskussionen und Widerlegungen einst reagiert haben, und Menschen, die Falschmeldungen widersprechen möchten, aber nicht recht wissen, wie.

Ich erinnere mich selbst auch an Situationen, die mich schier sprachlos gemacht haben. Manchmal fehlte mir auch einfach die Kraft, mich auf eine Auseinandersetzung einzulassen. Und manchmal war ich den rhetorischen Kniffen und Gedankensprüngen meines Gegenübers einfach nicht gewachsen. Die Fragen, hätte ich es besser machen können, hätte ich den mir lieben Menschen anders erreichen können, habe ich zu früh aufgegeben – diese Fragen quälten mich schon oft. Wer kennt es nicht, dass man in einer unangenehmen Situation widersprechen möchte, doch es fehlen die rechten Worte; aber kaum ist man aus der Situation heraus, weiß man genau, was man hätte sagen können, hat gar eine geistreiche oder originelle Replik parat – nur eben zu spät. Die Geschichte meines Lebens, nun ja.

Auch Ingrid Brodnig macht mich jetzt nicht mal eben auf ca. 150 Seiten zum überzeugenden, schlagfertigen Diskutanten. Das verspricht sie in ihrem Buch auch gar nicht. Aber sie ermutigt zum Nicht-Aufgeben und zum beharrlichen Kontakthalten auch über Differenzen hinweg, um Menschen, die irgendwie abgedriftet sind, wenigstens eine Tür offen zu halten. Sie verhehlt aber auch das mögliche Scheitern nicht, vor allem, wenn persönliche Gefühle und Verletzungen einfließen.

Auch wenn „Einspruch!“ im Vergleich zu meinen vorherigen Lektüren nichts grundsätzlich Neues brachte, hat es mich doch anders angesprochen und zum Nachdenken gebracht.

HilDa

Sachbuch-Tipp: Amerikas Gotteskrieger

Auf dieses Sachbuch war ich sehr gespannt. Ich dachte, mehr über den christlichen Fundamentalismus in den USA zu erfahren, denn ich hatte schon mehrfach gehört, dass Anhänger der evangelikalen Kirchen Einfluss auf den Schulunterricht nehmen wollen, aber auch auf Bibliotheksbestände (siehe zum Beispiel: „Zensur in den USA: Diese Literatur ist unerwünscht“ / von Rieke Havertz bei zeitonline) und nicht zuletzt auf die Politik, vor allem in der Republikanischen Partei. Aber insgesamt, so dachte ich, ist das ja eher eine Randgruppe; in einem so fortschrittlichen, demokratischen Land glauben doch nur einige wenige Menschen, dass die Bibel wörtlich zu nehmen ist und alle politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen danach ausgerichtet werden müssen. Ja, dachte ich. Naiv wie ich bin.

Taschenbuch "Amerikas Gotteskrieger: Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet" von Annika Brockschmidt, Rowohlt-Verlag.
Das Buch wird von einer Hand in die Kamera gehalten. Im Hintergrund sieht man eine weiße Zimmerwand u.a. mit einem Heiligenbild links (die Heilige Familie mit Maria, dem Jesuskind und Joseph) und ein Holzkreuz rechts

Annika Brockschmidt fasst in ihrem Buch „Amerikas Gotteskrieger“ viele Forschungsergebnisse und Untersuchungen zusammen, ihr Quellenverzeichnis ist beeindruckend. Sie führt auch viele direkte Zitate an: von christlich-rechten Politikern, erzkonservativen Geistlichen, libertären Wirtschaftsmagnaten, von propagandistischen Medienvertretern und rechtsradikalen, rassistischen Organisationen – und es ist erschreckend. Nein, es sind eben nicht nur die paar Evangelikale, die die Bibel wörtlich nehmen und entsprechend leben wollen. Die Netzwerke der Religiösen Rechten sind viel komplexer und einflussreicher, als ich je befürchtet hatte.

Ziel ist die Auflösung der verfassungsmäßigen Trennung von Staat und Kirche, ein Kulturkampf gegen die säkulare Moderne – das Untergraben der demokratischen Grundordnung inklusive. Und die Religiöse Rechte ist längst im Zentrum der Macht angekommen.

Wie konnte ein Mann wie Trump zum Präsidenten gewählt werden? Wie konnte die krude Behauptung von der „gestohlenen Wahl“ ein Land wie die USA spalten? Wie konnte es zur gewalttätigen Stürmung des Capitols am 6.1.2021 kommen? Und welchen unsäglichen Einfluss haben da so Verschwörungsmythen wie die der obskuren QAnon-Bewegung?

Zu Verschwörungsmythen hatte ich in letzter Zeit schon einiges gelesen und auch hier im Blog Empfehlungen gegeben. Annika Brockschmidts Buch passt in diesen Themenkomplex, sie schreibt aber nicht über den Einfluss von manipulativen Falschmeldungen und Verschwörungsmythen auf uns im privaten Umfeld, sondern über die ganz großen gesellschaftlichen Umbrüche. Es geht um den Griff zur Macht – und zwar um jeden Preis. Weil sich da einige christliche Nationalisten für „Berufene“ halten und sich einen göttlichen Auftrag zuschreiben. Sie sehen Amerika als „gods own country“ und sich selbst als „Gotteskrieger“. Sie wollen eine neue Zeit erstehen lassen, in der (wieder) White Supremacy gilt, also Rassismus mit weißer Vorherrschaft. Sie wollen zurück zu einer alten Geschlechterordnung, sie kämpfen gegen Abtreibung, LGPTQ*-Rechte und – gerade wieder ganz aktuell – sie hetzen gegen trans Menschen. Aber auch Themen wie Wissenschaftsfeindlichkeit (z. B. die Leugnung der Klimakrise oder auch die Leugnung der Evolution) werden für Propaganda und zur Rekrutierung von Anhängern genutzt. Sie kämpfen mit der Bibel in der einen und der Waffe in der anderen Hand – so ihr eigenes Selbstbild. Ihre Einflussnahme geht durch alle Schichten und Parteien. Aber unüberhörbar sind sie in der Republikanischen Partei – nicht nur bei den Trump-Anhängern. Wohin die zunehmende Radikalisierung der Anhängerschaft führen kann, bewies der  sogenannte Sturm auf das Capitol.

Das Erschreckende ist nicht, dass da eine im Grunde eher kleine, radikal-gläubige Gruppe in einem demokratischen Land überproportional großen Einfluss gewinnen kann. Es sind Netzwerke entstanden, die weit über diesen Kreis hinausgehen. Dazu kommt eine parallele Infrastruktur: eigene Schulen und Hochschulen, eigene Fernsehsender, politisch einflussreiche Think Tanks und vieles mehr. Noch beängstigender finde ich die Bereitschaft, auch unheilige Allianzen einzugehen ganz nach dem Motto: „Der Zweck heiligt alle Mittel“. Die Verbindungen reichen weit ins Rechtsradikale Milieu (um nur zwei auch hierzulande bekannte Stichwort zu nennen: „KuKluxKlan“, „Proud Boys“), als sogenannte „Wolfskönige“ werden auch Männer akzeptiert, die nun wirklich nicht nach christlichen Werten leben, Hauptsache sie sind wirkmächtig (siehe Trump).
Übrigens beschränken sich diese Netzwerke nicht nur auf die USA. Ach.

Klingt das nicht selbst schon wieder nach einer großen Verschwörungstheorie?
Ich habe ein wenig recherchiert und nach Kritiken an Annika Brockschmidts Buch gesucht. Sie selbst wird, vor allem in den Sozialen Medien, sehr persönlich und scheinbar auch heftig aus der rechten Ecke angegangen. Ich suchte aber inhaltliche Kritik und Widerlegungen mit Fakten und Quellen und habe da kaum etwas gefunden. In der Rezension von Benjamin Dahlke in der FAZ („Einblick in eine fremde Welt“ ) wurde der Stil des Buches kritisiert: so viele Namen und Organisationen, man verliere schnell den Überblick. Das ging mir tatsächlich auch so. Vielleicht hätten ergänzende Grafiken oder tabellarische Darstellungen mehr Übersicht gebracht. Der Rezensent vermisste auch, dass „zwar viel dargestellt, aber nur wenig tiefenscharf analysiert wird“.

Ich habe das Buch mehrfach ruhen lassen müssen, denn gerade als Abendlektüre taugte es für mich nicht: Es löste zu viel Grübelei aus, die mich um den Schlaf brachte. Aber Annika Brockschmidt gibt Antworten auf die obigen Fragen. Und mehr. Das Buch hilft, das Amerika nach dem 2. Weltkrieg besser zu verstehen, vor allem natürlich die letzten 2 Jahrzehnte.

Ein beunruhigendes Buch. Ein wichtiges Sachbuch. Leider.
Ich empfehle es mit Nachdruck.

HilDa

Sachbilderbuch „Ich und die Welt“

Ich mag es, wenn Dinge mit aussagekräftigen und schönen Grafiken erklärt werden. Aber ein ganzes Sachbilderbuch für Kinder, in dem Wissen über die Welt allein mit Grafiken vermittelt wird – kann das gut gehen? Ja, das geht sogar überraschend gut.

Bilderbuch "Ich und die Welt" von Mireia Trius und Joana Casals.

In „Ich und die Welt“ erzählt Mia in kurzen Textbeiträgen von ihrem Leben in Berlin, immer passend zum Thema der jeweiligen Doppelseite, wo dann in bunten Grafiken aufgezeigt wird, wie Familien in anderen Ländern durchschnittlich zusammengesetzt sind, welche Vornamen die beliebtesten sind, wo welche Schuluniformen getragen werden, was in den verschiedenen Kulturen gerne auf den Frühstückstisch kommt, was „Frohe Weihnachten“ in den häufigsten Sprachen heißt und vieles vieles mehr. Erst dachte ich, so eine bildliche Aufzählung von Allgemeinwissen, Zahlen und Statistiken ist langweilig. Aber das Buch lädt zum Stöbern ein und dann kann man viel entdecken und so einige Überraschungen erleben, auch als Erwachsener: 23 Arten „Hallo“ und „Danke“ zu sagen, die Bedeutung einzelner Gesten in den verschiedenen Kulturen, in welchem Land müssen die Schüler die meisten Hausaufgaben machen (Spoiler: Deutschland ist es nicht), in welchem die wenigsten (auch nicht Deutschland 😐) …

Die Grafiken sind anschaulich und erklären ohne viele Worte und Anmerkungen; oft sind Menschen, Tiere und Gesichter eingebaut, die den Betrachter direkt anblicken, das wirkt freundlich und macht neugierig.

Ein ungewöhnliches Sachbuch für Kinder, wunderbar zum Stöbern und zum Nebenbei-Lernen von allerlei Dingen aus aller Welt, nach denen man gar nicht gefragt hätte. 🤓

HilDa

Buchtipp: Alte Frauen in schlechten Filmen

Bei einem Buch mit so einem Titel erwartet man Sarkasmus und Respektlosigkeiten. Aber der Autor Christoph Dompke geht zumindest mit den in Würde gealterten Diven meist respektvoll um. Sie hatten ja oft gar keine Wahl und mussten fragwürdige Filmangebote annehmen: B-Filme, obskure Horrorstreifen, undankbare Nebenrollen.

Tablet mit dem Titelblatt des eBooks "Alte Frauen in schlechten Filmen: vom Ende großer Filmkarrieren" von Christoph Dompke. Daneben steht eine staubige Oscar-Figur

Schonungslos ist die Kritik an den Regisseuren und Produzenten dieser schlechten Filme sowie an der Filmindustrie insgesamt, die für die ehemaligen weiblichen Stars meist schon in den mittleren Jahren keine angemessenen Rollen mehr bieten will. Bei allem Respekt verschweigt Christoph Dompke aber auch nicht, wenn die alten Schauspielerinnen schlicht eine Fehlbesetzung waren oder eine einfach schlechte/völlig übertriebene/unironisch selbstverliebte Performance abgeliefert haben. Dompke formuliert scharf, sarkastisch und witzig.

Einige der angesprochenen Filme kenne ich sogar und werde sie jetzt mit anderen Augen sehen. 🙃 Aber ich habe nicht das Bedürfnis, einen der Trash-Filme zu sehen und meine Zeit zu verschwenden. Die Inhaltsangaben und Szenenbeschreibungen reichen, die sind so süffisant und bissig, die Filme selbst könnten mich da ja wohl nur enttäuschen. Das Buch hat mich jedenfalls bestens amüsiert – vielleicht sogar mehr, als so böse Kommentare das sollten, hehe. 🤔

Aber das Buch zeigt auch, dass selbst im größten Trash manchmal noch einzelne Perlen zu finden sind. Der Autor spricht von Camp oder campen Momenten. Den Begriff kannte ich bisher nicht und offen gesagt ist mir die Grenze zwischen Trash und Camp noch immer nicht ganz klar. Und schon führt mich ein Werk, dass sich filmischer Geschmacklosigkeiten widmet, zu einem Essay der großen Intellektuellen Susan Sontag (Notes on „Camp“). 🤓☺️

Und zu dem Film „Sunset Boulevard“ mit Gloria Swanson: Denn das ist ein guter Film mit einem damals (1950) bereits vergessenen Stummfilmstar in der Hauptrolle und „nicht wenige Zitate daraus sind in den Camp-Kanon eingegangen“ – sagt der Christoph Dompke. Ich will es ihm gerne glauben, denn ich bin ein Fan des Regisseurs Billy Wilder. Und jetzt auch von der alten Schauspielerin Gloria Swanson, die für ihre Darbietung einer alten Schauspielerin den Oscar verdient hätte.

HilDa

Buchtipp: Die Amazonen

Seit der Schulzeit interessiere ich mich für Mythologie; meine Geschichtslehrerin in der 5. und 6. Klasse konnte wunderbar die antiken Sagen nacherzählen – der spannendste Geschichtsunterricht ever. Daher dachte ich bisher, ich würde die meisten Geschichten aus der griechischen Sagenwelt zumindest grob kennen. Aber über die Amazonen wusste ich bisher erstaunlich wenig. Ein Volk von Kriegerinnen in einer Männerwelt. Den Namen der Königin Penthesilea hatte ich schon mal gehört: Sie war im Trojanischen Krieg gefallen, und dann gibt es da noch ein gleichnamiges Drama von Heinrich von Kleist.

Aber was ist der Ursprung dieses Kriegerinnenvolks? Gab es für die alten Griechen ein reales Vorbild für den Mythos, vielleicht ein Reitervolk aus den asiatischen Steppen, in dem tatsächlich Kriegerinnen zu Pferde kämpften? Und warum wurde ausgerechnet der südamerikanische Strom Amazonas nach den kriegerischen Frauen benannt?

Tablet mit dem Titelbild des Sachbuchs "Die Amazonen: Töchter von Liebe und Krieg" von Hedwig Appelt, Theiss-Verlag

Hedwig Appelt gelingt mit ihrem Buch „Die Amazonen“ etwas für mich ganz Unerwartetes: ein ausgesprochen unterhaltsames Sachbuch. Sie erzählt – eben so wie meine alte Geschichtslehrerin, die mich einst für die Sagenwelt begeisterte. Sie erzählt die alten Sagen lebendig und spannend mit ihren Worten nach. Dabei verwirrt sie uns nicht mit den verschiedenen Variationen und Auslegungen, die die Sagenstoffe im Laufe der Jahrhunderte durch die mündliche Überlieferung und durch Dichter wie Homer, Hesiod und all die anderen erhalten haben. Die Autorin erzählt von den Königinnen Hippolyte, Penthesilea und Thalestris, aber auch von ihren männlichen Gegnern Herakles, Theseus, Achill und Alexander dem Großen, von den olympischen Göttern, ihren Machtkämpfen und Intrigen, von den Liebesgeschichten, den Kriegen und Schlachten. Hedwig Appelt spannt den Bogen von der Sagen- und Mythenwelt zu den historischen Quellen und zur Archäologie bis hin zur Popkultur heute, wo die Amazonen vor allem in Fantasy, Science Fiction und Comic lebendiger sind denn je. Und ausgerechnet im Namen eines Internet-Konzerns nun die Welt erobern.

Das Buch vertraut ganz auf das Erzählen, auf die Geschichten, auf das Wort. Es kommt erstaunlicherweise ohne Illustrationen aus, obwohl das Amazonen-Motiv doch über all die Jahrtausende beliebt in der Kunst war und ist: auf griechischen Keramiken, in den Gemälden berühmter Künstler, bei modernen Comiczeichnern oder im Film und Fernsehen. Die Kulturgeschichte der Amazonen in der Bildenden Kunst ist jedoch nicht Thema dieses Buches. Ich habe auch keine Bilder oder Fotos vermisst. Eigentlich ist mir das erst aufgefallen, als ich in unserer Bibliothek noch ein anderes Buch über die Amazonen gesehen habe. Ich denke, auf das Thema komme ich noch mal zurück.🤔

Aber erst einmal zu diesem Sachbuch, das so gut geschrieben ist, dass ich es tatsächlich nicht wieder weglegen konnte (so hatte es der Klappentext auch versprochen, aber wer glaubt schon Werbesprüchen). Ich empfehle es gerne weiter.

Das Buch ist bereits im Jahr 2009 erschienen. Wir haben es als eBook in der OnleiheOWL.

HilDa

Buchtipp: Sheroes von Jagoda Marinić

Jagoda Marinić ist mir vor allem als Kolumnistin bekannt, sie führt einen erfolgreichen Podcast-Kanal (FREIHEIT DELUXE bei hr2-kultur) mit immer wieder interessanten Gästen und Gesprächen, sie ist Schriftstellerin und Kulturmanagerin in Heidelberg. Ich schätze ihre Äußerungen und Kommentare auf Twitter, wo sie sich sachkundig und pointiert mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt.
Eines ihrer Themen ist die Gleichberechtigung der Geschlechter. Und mit „Sheroes: neue Held*innen braucht das Land“ hat sie in einem ausführlichen Essay ihre Gedanken formuliert zum Feminismus, zur #MeToo-Bewegung und zu den Anforderungen an die neuen „Heroes/Sheroes“, die unsere Vorbilder sein könnten, um unsere Gesellschaft zu einem besseren Miteinander zu führen.

Tablet, auf dessen Bildschirm die Daten zum Buch "Sheroes" von Jagoda Marinic stehen: "MeToo war ein öffentliches Gesprächsangebot - nehmen wir es wahr! Jetzt haben wir endlich die Chance ...
Im Bestand seit: 30.03.2020
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Die bisher üblichen Klischees von Männlichkeit und Frausein verändern sich und damit auch die Machtstrukturen. Aber sind diese Veränderungen nur marginal, betreffen sie – vor allem weltweit betrachtet – vorwiegend eine kleine, im Vergleich zur Mehrheit ohnehin privilegierte Gesellschaftsschicht? Ist der Fortschritt insgesamt schlicht zu langsam? Gibt es selbst in den Industrieländern gerade einen Backlash, d. h. Rückschritte in veraltete Geschlechterzuteilungen? Oder könnte ein neuer, globaler Feminismus getragen von Frauen und Männern der Weg zu einem besseren und gerechteren Zusammenleben aller sein?

Das kurze Buch hat mir viele Denkanstöße gegeben.

Die Katalogdaten zu allen Büchern von Jagoda Marinić in der Stadtbibliothek hier.

HilDa