Das Jahr 2016 schien das Jahr der Populisten und des Populismus zu sein. Im Juni erlebte Europa das Referendum in Großbritannien, das zum BREXIT führen wird. Nach landläufiger Auffassung herbeigeredet von Populisten, die sich chauvinistischer Argumente bedienten, die sich nach der Abstimmung schnell wieder eingezogener Versprechen bedienten, und die sich nach ihrem Erfolg umgehend aus dem Staube machten und der Verantwortung entzogen. Wir erlebten in den USA einen Wahlkampf, der zumindest von einer Seite mit Positionen arbeitet, die Ressentiments gegen die schüren, die anders sind als die deklarierten „Wir“. „Wir“ und „die“ – also die anderen, Fremden, die, die nicht dazu gehören – das ist das Muster der Ab- und Ausgrenzung. In Europa erleben wir in Deutschland das Erstarken der populismusverdächtigen AfD, in Ungarn erleben wir einen Regierungschef, der für sich in Anspruch nimmt den Volkswillen – als ob es einen solchen einheitlichen je gab und je geben könnte – vollstrecken will. In Frankreich scheinen Marine Le Pen und der Front National unaufhaltsam; seit Jahren polemisiert und polarisiert Gert Wilders in den Niederlanden. Kompliziert werden Interpretation und Analyse des Populismus, wenn die EU-kritischen Argumente der spanischen PODEMOS oder griechischen SYRIZA, die dem linken Spektrum zuzuordnen sind, denen der offenkundig eher rechten Bewegungen ähnlich sind.
Höchste Zeit sich mit dem Populismus analytisch zu beschäftigen. Was also macht Populisten aus? Gibt es so etwas wie Links- oder Rechtspopulismus? Gibt es wiederkehrende, typische oder geradezu klassische oder rhetorische Figuren, die immer auftauchen, wie z.B. der bereits zitierte Anspruch, den einheitlichen und authentischen Volkswillen zu repräsentieren und gegen alle Widerstände umsetzen zu wollen? Diesen Fragen widmet sich der an der Princeton University lehrende Autor Jan-Peter Müller in seinem lesenswerten, nicht allzu umfangreichen Essay, der vieles erklärt, begrifflich einordnet und fassbar macht. Zudem ist sein Anliegen, eine Handreichung zu liefern, die den demokratischen Umgang mit Populisten erleichtert. Ein Fazit des Autors: die Muster gleichen sich, immer ist ein „Wir“ und „die“ im Spiel, immer geht es „Sündenböcke“, die an allem schuld sind, immer auch um Migrantinnen und Migranten, die angeblich von der Politik bevorzugt werden, immer geht es um Verschwörungstheoretisches und häufig darum, den aus Wahlen hervorgegangenen Volksvertretern vorzuwerfen, sie repräsentierten nicht den Volkswillen. Und aus der Empirie gespeist: Ist man erst einmal an der Macht, setzen spezifische Mechanismen ein, die sich am Muster „Everything for my friends; for my enemies the law“ orientieren. Vergünstigungen einerseits und kleinlichste und schikanöse Behandlung des politischen Gegners und aller anders Denkenden und Lebenden andererseits. Beispiele? Ein Blick in die Fernsehnachrichten, die Tageszeitungen und alle seriösen Nachrichtendienste im Internet liefert sie täglich.
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