Literaturtage 2017: Ein gutes Wort einlegen für den Zufall – Fatma Aydemir

Ellbogen | Roman

Mein Name ist Hazal Akgündüz, mein Thema lautet: Überleben. Aber ihre Träume sehen weit mehr vor: Hazal ist Ärztin und voll reich. Respekt. Hazal ist siebzehn, lebt im Wedding, ihre Familie stammt aus der Türkei und ihre Freundinnen heißen Gül und Elma. Ihre Zukunftsaussichten sind eher düster, eine Lehrstelle ist nicht in Sicht, und die Jobberei in der Bäckerei ihres Onkels nichts, was ihren Erwartungen entspräche. Genauso wenig wie das traditionelle Familienleben mit einem eher abwesenden, Taxi fahrenden Vater, einer wenig prägenden Mutter, aber einer Großmutter, die vor allem Hazals Bruder Onur verhätschelt, einen ins Kleinkriminelle abrutschenden Halbstarken. Frustration, Enttäuschung und der Eindruck dauerhafter Zurücksetzung erzeugen einen unguten Gefühlscocktail aus Resignation und Wut. Zuweilen gemildert durch einen Joint aus Eugens Vorrat. Aber heute ist Hazals achtzehnter Geburtstag und es soll ein besonderer Geburtstag werden. Also machen sich die drei Freundinnen zurecht und auf in den Club ihrer Wahl. Dann nimmt das unvermeidlich Wirkende seinen Verlauf. Aus der Abweisung durch den Türsteher entwickelt sich grenzenlose Wut und der betrunkene Student auf der U-Bahn-Station ist zufällig der falsche Mann mit den falschen Worten und dem falschen Grinsen am falschen Ort. Es kommt zur Auseinandersetzung, zum handfesten Streit, zu ungebremster Gewalt. Hazal bleibt nur die Flucht zu ihrem Facebook-Freund Mehmet nach Istanbul, womit der zweite Teil des Buches beginnt. Doch ist dies die Lösung?

Aus der Perspektive der Ich-Erzählerin berichtet Fatma Aydemir in zuweilen spröder, geradezu aufsässiger Sprache von einer jungen Frau, die hin- und hergerissen ist, sich eingepfercht fühlt in einer Welt, die nicht die ihre ist, und die doch für alle anderen genauso wenig Respekt übrig hat, wie ihrer Wahrnehmung nach die Umwelt ihr entgegenbringt. Als literarische Figur bietet sie wenig Identifikationsanreize. Das Gewebe der integrierenden Gesellschaft ist fadenscheinig und dünn, die Härte des Daseins und einer eher allseitigen Hoffnungslosigkeit spiegelt sich in der überaus klaren, nichts beschönigenden Sprache. Sicherlich steckt hinter vielem ein aufrichtiges Authentizitätsbemühen, das zugleich die Frage nach der soziologischen Verallgemeinerbarkeit der Figur Hazal aufwirft.

Mit musikalischer Begleitung.

Literaturbühne im Erdgeschoss | Einlass ab 18.30 Uhr

Der Eintritt beträgt 8 Euro, ermäßigt 6 Euro, Dauerkarte 50 Euro.

Mit freundlicher Unterstützung durch den Verein der Freunde und Förderer der Stadtbibliothek.

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