Buchtipp: Die Detektive vom Bhoot-Basar

Der neunjährige Jai schaut am liebsten Polizeiserien im Fernsehen und weiß daher natürlich alles über Detektivarbeit. Als ein Junge aus seiner Klasse verschwindet will er sein Wissen endlich praktisch anwenden. Zusammen mit seinen Freunden Pari und Faiz begibt er sich auf Spurensuche in seinem Basti, seinem Armenviertel, und im nahe gelegenen Bhoot-Basar, wo er sich eigentlich nicht rumtreiben soll. Die drei Kinder nehmen Fährten auf, befragen die Verwandten der Verschwunden und stellen Verdächtigungen an. War es vielleicht Quater? Der ist schon in der neunten Klasse und hat eindeutig Verbrecherpotenzial. Oder hat gar ein böser Dschinn die Kinder mitgenommen?

Die Detektive vom Bhoot-Basar ist eine Geschichte, die mir auch nach Beendigung des Buchs noch im Gedächtnis blieb und wohl auch bleiben wird. Deepa Anappara beschreibt die Umgebung der Kinder und den Kriminalfall durch Jais Kinderaugen. Ja, er lebt in Indien in einem Armenviertel. Die Eltern arbeiten fast rund um die Uhr, Jais Freund Faiz hat auch schon einen Job. Es gibt Spannungen zwischen Hindus und Muslimen. Die Bewohner fürchten, ihr Basti könnte platt gemacht werden, um dort ein neues Hochhaus zu bauen. Und die Polizei ist korrupt und schert sich wenig um ein paar verschwundene Kinder.

So beklemmend das ist – Jai ist eben neun Jahre alt. Trotz allem wirkt er wie ein ganz normales Kind. Er geht in die Schule, aber ungern. Streitet sich mit seiner großen Schwester. Spielt mit seinen Freunden Detektiv. Diese kindlich positive Sicht der Dinge lässt einen beim Lesen manchmal vergessen, wie ernst diese Angelegenheit eigentlich ist. Fast glaubt man Jai, Pari und Faiz würden in bester Fünf Freunde oder TKKG Manier auf die Fährte der Entführer stoßen und am Ende alle verschwundenen Kinder putzmunter wieder finden. Und auch wenn Jai und seine Freunde dem Verbrechen schließlich doch sehr nahe kommen, gibt es hier kein Happy End. Wie sollen die Verschwundenen auch gefunden werden, wenn die Angehörigen völlig auf sich allein gestellt sind und nur ein paar Kinder versuchen, den Fall aufzuklären?

Der Kontrast zwischen dem tristen Leben und Jais Sicht auf die Dinge hat mich sehr berührt. Er ist nun mal ein Kind. Da hat man die Fantasie aus allem ein Spiel zu machen. Da braucht man nicht mal tonnenweise Spielzeug für.

Die verschwundenen Kinder kommen in kurzen Kapiteln ebenfalls zu Wort. Da merkt man dann schon, dass jedes Kind anders ist und manche schwerer zu tragen haben als andere. Da ist ein Junge, der manchmal tagelang im Bhoot-Basar herumstreunt und schläft, weil seine Mutter für eine Woche verreist ist und der Vater seine Kinder dann noch mehr als sonst verprügelt. Oder ein Mädchen, dass von den Eltern die Verantwortung für den Bruder auferlegt bekommt und unter der Bevorzugung des Bruders leidet. Und der Bruder wiederum rutscht gerade in eine Spielsucht  ab und hat ein schlechtes Gewissen seiner Schwester gegenüber.

Diesen Kontrast wollte Deepa Anappara einfangen, wie sie in ihrem Nachwort erklärt. Dort sagt sie:

„Ich interviewte Kinder, die als Müllsammler arbeiteten oder an Straßenkreuzungen bettelten, die wegen schwieriger Umstände kaum zu Hause lernen konnten oder aufgrund religiös bedingter Gewalt gezwungen gewesen waren, die Schule zu verlassen. Trotzdem erweckten die meisten nicht den Eindruck, Opfer zu sein: Sie waren frech, witzig und reagierten oft mit Ungeduld auf meine Fragen.“

Das Buch entstand, weil Anappara es schade fand, dass ihre Artikel, die sie vor Jahren als Journalistin in Indien schrieb, den Humor und die Energie dieser Kinder nicht einfingen.

Mit den Detektiven vom Bhoot-Basar hat sie genau das nun geschafft und eine berührende und trotz allem lebensbejahende Geschichte geschrieben.

Hier geht es zu den Katalogdaten.

lga

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